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Ukraine-Krieg
Gas-Rechnung in Rubel: «Vertragsbruch» und «perfides Spiel»

Robert Habeck
Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) spricht im Bundestag. Foto: Michael Kappeler
Putin will sich Gaslieferungen künftig in Rubel bezahlen lassen. Ein «Vertragsbruch» sei das, sagt ein Ökonom. Das Spiel könne der Westen nicht mitmachen. Rückt die Einstellung russischer Gaslieferungen nach Europa näher?

Frankfurt/Main/Moskau. Für Gaslieferungen aus Russland gibt es bisher langfristige Verträge, die in der Regel auf Dollar und Euro lauten.

Die überraschende Entscheidung von Russlands Präsident Wladimir Putin, Gas-Lieferungen an bestimmte Länder wie Deutschland nur noch gegen Zahlung in Rubel vorzunehmen, kann aus Sicht von Finanzmarktexperten als politischer Schritt gesehen werden. Damit würde aber auch die Nachfrage nach Rubel zunehmen und die stark gefallene russische Währung zunächst einmal unterstützt werden.

«Putin sendet damit zunächst einmal ein politisches Signal», sagte Analyst Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen-Thüringen der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX: «Letztlich handelt es sich wohl um eine Retourkutsche auf die verhängten Sanktionen des Westens.» Der Ökonom Jens Südekum sprach von einem «klaren Vertragsbruch» durch Russland und einer Eskalation des Wirtschaftskrieges zwischen dem Westen und Moskau.

Rubel auf historischem Tiefstand

Die USA und andere westliche Länder hatten als Reaktion auf den Einmarsch Russlands in die Ukraine einen großen Teil der russischen Währungsreserven eingefroren. Betroffen von der Umstellung der Gas-Zahlung in Rubel sind die von Russland als «unfreundliche Staaten» bezeichneten Länder. Dazu gehören Deutschland und alle anderen EU-Staaten, aber auch die USA, Kanada und Großbritannien.

«Darüber hinaus stützt die Maßnahme Putins die Landeswährung Rubel», sagte Umlauf. Der Rubel ist seit der Invasion Russlands und den Sanktionen des Westens stark unter Druck geraten und auf historische Tiefstände gefallen. «Wird die Gasrechnung künftig nicht mehr in US-Dollar oder Euro beglichen, stützt das natürlich den Rubel, weil dieser nachgefragt wird», sagte der Experte. Das könnte auch der angeschlagenen russischen Wirtschaft zugute kommen. Der Rubel legte am Mittwochnachmittag gegenüber dem US-Dollar bereits kräftig zu.

Kerstin Hottner, Rohstoffexpertin beim Schweizer Investmenthaus Vontobel, verwies darauf, dass aktuell etwa 60 Prozent der russischen Gaslieferungen in Euro und 40 Prozent in US-Dollar bezahlt würden. Die Frage sei, ob es überhaupt möglich wäre, für die teils langfristigen Lieferverträge kurzfristig die Zahlungs-Währung zu ändern. Und ob Gasimporteure überhaupt ihre Währungen in Rubel tauschen könnten, da viele russische Banken und auch die Zentralbank unter Sanktionen stünden.

Sanktionen könnten unterlaufen werden

Inwieweit die Liquidität am Rubelmarkt derzeit ausreiche, um alle Gasrechnungen in der russischen Währung zu begleichen, sei schwer zu sagen, ergänzte Analyst Umlauf. «Besonders tief dürfte der Markt nicht sein, weil ja alle westlichen Länder faktisch außen vor sind.» Allerdings könne die russische Notenbank theoretisch unbegrenzt Rubel drucken und an die Gas-Käuferländer gegen Devisen abgeben, wobei der Umtauschkurs fraglich sei. Putin hat der Zentralbank eine Woche Zeit gegeben, um die Modalitäten für die Umstellung festzulegen.

Ökonom Südekum sagte dem Berliner Sender Radio1, dies sei ein «perfides Spiel». Der Westen unterliefe seine eigenen Sanktionen, wenn er sich Rubel bei Russlands Zentralbank besorge, um Gazprom für Lieferungen zu bezahlen, sagte der Universitätsprofessor für internationale Volkswirtschaftslehre des Instituts für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Denn es gebe kaum internationale Märkte für Rubel. Ähnlich äußert sich Hottner: Russland würde westliche Länder zwingen, die Sanktionen bei Banken zu lockern. Dass dies gelinge, sei zu bezweifeln.

Putin mache einen Vertragsbruch und «testet jetzt, ob wir da mitgehen», sagte Südekum, der auch Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium ist. Dieses Spielchen könne der Westen aber nicht ernsthaft mitmachen. Dies könne im Ernstfall tatsächlich bedeuten, dass Gaslieferungen eingestellt werden: «Das ist zumindest mit dem heutigen Tag wahrscheinlicher geworden.»

© dpa-infocom, dpa:220323-99-643923/4