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Altersrente
Gedämpfter Start ins Rentenjahr

Rentnerin
Das für 2022 bereits als besonders stark vorhergesagte Rentenplus soll schmaler ausfallen als gedacht. Foto: Britta Pedersen/dpa
Was bringt das neue Jahr bei der Rente? Zunächst einmal eine Rentenerhöhung, die doch etwas schmaler ausfällt als ursprünglich gedacht. Und viel reformpolitischen Zündstoff.

Berlin (dpa) - Den rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentnern bringt die Ampel-Koalition im neuen Jahr zunächst wohl vor allem eine Dämpfung ihrer Rentenerhöhung.

Das für Sommer 2022 bereits als besonders stark vorhergesagte Rentenplus soll schmaler ausfallen als gedacht. Doch bereits diese erste Maßnahme der rot-grün-gelben Koalition zur Entlastung der Rentenkasse ist umstritten. Mit der nahenden Verrentung geburtenstarker Babyboomer-Jahrgänge rücken weitere Rentenpläne der neuen Regierung in den Fokus, wie ein Überblick über Änderungen und Baustellen bei der Rente zum Jahreswechsel zeigt:

Deutliche, aber verkleinerte Rentenerhöhung

Eigentlich steigen die Renten im Tempo der Löhne. 2021 hätte es nach diesem Prinzip wegen geschrumpfter Löhne infolge der Coronakrise eine Rentensenkung geben müssen. Doch greift in so einem Fall eine Rentengarantie - im Westen gab es so im Juli eine Nullrunde, im Osten ein leichtes Plus wegen der Angleichung der Ostrenten. Für Juli 2022 wurde im November aber bereits eine satte Rentenerhöhung um 5,2 Prozent im Westen und 5,9 im Osten prognostiziert. Doch dann kündigte die Koalition aus SPD, Grünen und FDP an, den von der Vorgängerregierung ausgesetzten Nachholfaktor wieder einzuführen. Der Faktor bewirkt, dass die Renten nach einer ausgebliebenen Kürzung langsamer steigen als die Löhne. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erwartet einen Anstieg um noch 4,4 Prozent.

Wie die Dämpfung der Rentenerhöhung bewertet wird

Deutschlands Arbeitgeber begrüßten die Aktivierung des Nachholfaktors. Es gebe zwar schmale Renten, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger der Deutschen Presse-Agentur. «Aber die Wahrheit ist auch, dass es die bestversorgte Rentnergeneration ist, die dieses Land jemals hatte.»

DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel hingegen kritisierte: «Wenn die Ampel-Koalition den Nachholfaktor reaktiviert, käme das einer Rentenkürzung durch die Hintertür gleich.» Piel warnte vor einer weiteren Abkopplung der Renten von den Löhnen. Laut DGB dürften die Renten nach bisherigen Schätzungen ohnehin von 2020 bis 2025 langsamer steigen als die Löhne. Mit dem Nachholfaktor würden die Renten nach DGB-Berechnungen bis 2025 mit rund 12,4 Prozent sogar um fast vier Prozentpunkte langsamer steigen.

Die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, schlug vor, große Sprünge bei der Rentenanpassung wie in der Pandemie künftig zu vermeiden. «Hier wäre zu überlegen, ob man die Formel anpasst, so dass sie besser verständlich und transparenter wird und ein über die Jahre glatterer Verlauf der Rentenanpassungen ermöglicht wird», sagte sie der dpa.

Keine großen Corona-Lücken in der Renten-Biografie

Insgesamt zog Roßbach ein positives Renten-Fazit in der Krise. «Die Rentenversicherung ist bisher gut durch die Pandemie gekommen und hält für das neue Jahr positive Botschaften für die Menschen in Deutschland bereit», sagte die DRV-Präsidentin. Wichtig sei, dass auf Kurzarbeiter- und Arbeitslosengeld Beiträge gezahlt würden. «In Krisenzeiten entstehen den Versicherten so keine Lücken in ihrer Versicherungsbiografie.» Die Pflichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit liegen laut Roßbach 2021 voraussichtlich um 3,5 Prozent über Vorjahresniveau, die Rücklage der Rentenkasse liegt zum Jahresende voraussichtlich mit 1,55 Monatsausgaben deutlich im grünen Bereich.

Arbeitgeber vermissen Reformansagen bei der Ampel

Doch der Blick auf die demografischen Prognosen sorgt für Unruhe - zahlreichere Ältere dürften in den kommenden Jahren auf weniger Einzahler in die Rentenkasse kommen. Dulger sieht Deutschland bei der Rente «in einem kompletten Blindflug» und forderte «ein Preisschild für unterlassene Reformen». Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sagte: «Wir brauchen eine strukturelle Rentenreform und nicht das, was im Koalitionsvertrag beschrieben ist.» Er erinnerte an das Versprechen der Ampel, das Rentenniveau auf Dauer bei 48 Prozent zu sichern und das Eintrittsalter nicht weiter anzuheben. «Dann bleibt eigentlich nur übrig, die jüngeren Generationen mit höheren Beiträgen mehr zu belasten oder über den Bundeshaushalt noch mehr zu subventionieren», so Wollseifer.

Mehr aktienbasierte Vorsorge

Die Ampel will zur Stabilisierung in eine Kapitaldeckung der gesetzlichen Rente einsteigen mit einem Kapitalstock von zunächst zehn Milliarden Euro im neuen Jahr. Die private Vorsorge soll reformiert, die betriebliche gestärkt werden. Dulger forderte: «Wir müssen wegkommen von den heutigen Garantiezusagen und mehr aktienbasierte Vorsorge ermöglichen.» Vieles an den Ampelplänen sei hier aber noch offen. Rentenpräsidentin Roßbach weist auf den zunächst begrenzten Umfang des geplanten Kapitalstocks hin. «Klar ist, dass zehn Milliarden Euro ein Beitrag sind, der die Finanzierung der Rentenversicherung nur in einer kleinen Weise flankieren kann. Wir haben einen jährlichen Haushalt von 340 Milliarden Euro.»

Rentenpräsidentin zeigt auf das Beispiel Schweden

Roßbach sage, offen sei unter anderem, wer wann in welchem Umfang von diesem Kapitalstock profitieren solle, wie lange er zu welchen Risiken angelegt werden solle und ob das Kapital dem Einzelnen oder der Gesamtheit in der Rentenversicherung nutzen solle. Sie lenkt den Blick nach Norden: «Wenn wir nach Schweden blicken, sehen wir ein Beispiel für einen anlagenbasierten Anteil der Alterssicherung.» Hier würden für den Einzelnen Anwartschaften aufgebaut, die außerhalb der eigentlichen Rentenversicherung gebildet werden. Beiträge für die Fondsanlage erhalte man vom Finanzamt zurück.

Armutsrisiko Selbständigkeit

Optimistisch ist Roßbach nach eigenen Angaben, dass die neue Regierung die angekündigte Absicherung der Selbständigen durch Einbeziehung in die gesetzliche Rente realisiert. Doch auch hier dürfte es noch Diskussionen geben. «Offen ist etwa noch, welche Selbständigen einbezogen werden sollen, ab welchem Alter und wie das geplante Opt-Out aussehen soll», sagte Roßbach. Denn Selbständige sollen alternativ private Vorsorge wählen können.

© dpa-infocom, dpa:211229-99-532073/6