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Bundesverwaltungsgericht
Gericht verhandelt Klagen gegen den Fehmarnbelttunnel

Bundesgericht überprüft Planungen für Fehmarnbelttunnel
Der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts kommt über Klagen gegen den umstrittenen Fehmarnbelttunnel zusammen. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
Für die einen ist eine Umweltkatastrophe, für die anderen ein wichtiges Verkehrsvorhaben: der Fehmarnbelttunnel durch die Ostsee. Nimmt das Milliardenprojekt jetzt am Bundesverwaltungsgericht die letzte Hürde?

Leipzig (dpa) - Papp-Delfine vor der Tür, Maskenpflicht und Abstand drinnen: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt seit Dienstag unter besonderen Umständen über den deutsch-dänischen Fehmarnbelttunnel, eines der größten Infrastrukturprojekte in Europa.

Der Nabu, das Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung und mehrere Fährunternehmen haben Klagen gegen die Planungen für das Milliardenprojekt erhoben. (Az.: BVerwG 9 A 7.19 u.a.) Sie sehen gravierende Umweltauswirkungen und zweifeln die Verkehrsprognosen an. Naturschützer begleiteten den Auftakt des Großverfahrens mit Protestaktionen.

Der 9. Senat hat bis zu sieben Verhandlungstage für die Klagen eingeplant, Anfang Oktober wird es noch eine zweite Runde mit zwei weiteren Klagen der Stadt Fehmarn und eines Landwirts geben. «Wir haben hier eine Fülle von Fragen zu besprechen», sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Bier. Zu den Umweltauswirkungen und den Verkehrsprognosen sollen zahlreiche Sachverständige gehört werden. Er werde versuchen, die verschiedenen Punkte möglichst kurz anzusprechen. «Ich appelliere an alle, das ebenso zu tun. Sonst werden wir hier ewig nicht fertig.»

Am ersten Tag ging es unter anderem um den Bedarf für den Straßen- und Eisenbahntunnel. Deutschland und Dänemark haben das Projekt 2008 in einem Staatsvertrag festgeschrieben. Aber ist damit schon der Bedarf gesetzlich geklärt - ähnlich einer Verankerung im Bundesverkehrswegeplan? Und falls dies so wäre, wäre der Bedarf dann rechtmäßig festgestellt worden? Die Kläger bezweifeln das und greifen vor allem die Verkehrsprognosen für den Autobahntunnel an. Rund 12 000 Fahrzeuge werden dort 2030 pro Tag erwartet. Für 12 000 Fahrzeuge baue man in Deutschland nicht einmal eine Ortsumfahrung, kritisierte der Leiter Meeresschutz des Nabu, Kim Cornelius Detloff.

Bedenken äußerte das Gericht zur Zulässigkeit der Klage der Rederei AB Nordö-Link. Das Unternehmen betreibt eine Fährverbindung zwischen Travemünde und Malmö, in einiger Entfernung vom geplanten Tunnel. Die Frage ist, inwieweit Rechte der Reederei durch das Projekt verletzt werden. Sicher gebe es «mittelbare Auswirkungen», aber es müsse eine Grenze geben, wer klagebefugt ist. «Wir haben Bedenken, dass die Grenze hier eingehalten ist», sagte Bier.

Wegen der Pandemie verhandelt der Senat nicht im historischen Gerichtsgebäude, sondern in der Kongresshalle in Leipzig. Nur so waren die 160 Beteiligten und die Zuschauer gemäß den Hygienevorgaben unterzubringen. Es gilt Maskenpflicht. Vor Beginn protestierten Umweltschützer gegen den umstrittenen Tunnelbau. Das Bündnis Beltretter reckte graue Papp-Delfine in die Höhe und forderte auf Transparenten einen Stopp des Projekts.

Der 18 Kilometer lange Ostseetunnel soll Puttgarden auf Fehmarn und Rødby auf Lolland verbinden. Durch den Tunnel am Meeresboden sollen sowohl Autos als auch Züge fahren, was die Fahrzeiten und -wege erheblich verkürzen würde. Gebaut und betrieben würde der Tunnel von Dänemark. Die dänische Projektgesellschaft Femern A/S bezifferte die Kosten für den umstrittenen Bau auf 7,1 Milliarden Euro - gerechnet mit dem Preisniveau von 2016. Für den Tunnelabschnitt in Dänemark besteht schon seit 2015 Baurecht.

Deutschland trägt nur die Kosten für den Ausbau der Hinterlandanbindung und den Ersatz der Fehmarnsundbrücke, die Schleswig-Holsteins Festland mit der Ostseeinsel verbindet. Die Bahn beziffert die Kosten auf 3,5 Milliarden Euro - inklusive 1,1 Milliarden Risikopuffer.

Der Nabu hat knapp 100 000 Unterschriften gegen das aus seiner Sicht überdimensionierte Projekt gesammelt. Schleswig-Holstein verteidigt dagegen die Ostseequerung. Nach Ansicht von Verkehrsstaatssekretär Thilo Rohlfs bringt sie auch etwas für den Umweltschutz. Skandinavien rücke ein großes Stück näher an Deutschland heran, dadurch könnte das Fliegen für viele Reisende an Attraktivität verlieren, sagte er am Rande der Verhandlung.

«Güterzüge, die derzeit einen Umweg über Fünen, Jütland und den Großen Belt fahren müssen, können sich diesen Umweg von 160 Kilometern sparen», sagte Rohlfs. Zudem halbiere sich die Fahrzeit auf der Strecke Hamburg–Kopenhagen auf zweieinhalb Stunden. «Auch das stärkt die umweltfreundliche Bahn gegenüber der längeren Route über Jütland und gegenüber dem Flugverkehr zwischen Hamburg und Kopenhagen.»

© dpa-infocom, dpa:200922-99-663072/3

Staatsvertrag von Deutschland und Dänemark zur Fehmarnbeltquerung

Terminankündigung des Gerichts