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Bundesverfassungsgericht
Karlsruhe erlaubt Adoption von Stiefkindern ohne Trauschein

Kinder
Karlsruhe erlaubt Adoption von Stiefkindern auch ohne Trauschein. Foto: Peter Kneffel/Illustration
Ohne Trauschein das Kind des Partners adoptieren - das ging bislang nicht. Künftig schon. Das Bundesverfassungsgericht fordert eine zeitgemäße Neuregelung.

Karlsruhe (dpa) - Wer die Kinder seines Partners adoptieren will, muss bislang mit diesem verheiratet sein. Künftig soll sich das ändern, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss.

Durch die bisherige Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch sei das Grundrecht auf gleiche Behandlung von Stiefkindern in unehelichen Partnerschaften verletzt. Die Adoption des Stiefkindes müsse auch in einer beständigen Beziehung ohne Trauschein möglich sein.

Zwar goutierten die Karlsruher Richter die Absicht des Gesetzgebers, Kinder zu schützen und deshalb die Stiefkindadoption nur in stabilen Lebensgemeinschaften zuzulassen. «Sind die Eltern die Ehe eingegangen, spricht dies für einen über einen kurzfristigen Beziehungswunsch hinausgehenden Bindungswillen und damit für die Stabilität der Beziehung», betonten sie. Die gesetzliche Regelung werde aber dauerhaften nichtehelichen Stiefkindfamilien nicht gerecht.

«Die nichteheliche Familie hat sich mehr und mehr als weitere Familienform neben der ehelichen Familie etabliert», stellte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts fest. Es gebe keine Erkenntnisse, dass die Paarbeziehung einer nichtehelichen Stiefkindfamilie besonders fragil wäre.

2017 wurden knapp drei Viertel der minderjährigen Kinder bei Ehepaaren groß, 17 Prozent wuchsen bei einem alleinerziehenden Elternteil auf, 10 Prozent bei einem unverheirateten Elternpaar. Doch die Zahl der Ehepaare mit Kindern sinkt kontinuierlich, während die Zahl der Alleinerziehenden und der nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern steigt: Gab es 2007 noch 6,3 Millionen Ehepaare mit minderjährigen Kindern, so waren es zehn Jahre später mit 5,7 Millionen zehn Prozent weniger. «Umgekehrt hat sich die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit minderjährigen Kindern von 675 000 im Jahr 2007 um 38 Prozent auf 934 000 im Jahr 2017 erhöht», heißt es im Beschluss.

Bis zum 31. März 2020 muss der Gesetzgeber nach Vorgabe des Gerichts nun neue Regeln erlassen. Die alten gelten schon jetzt nicht mehr. Verfahren sind bis zur Neuregelung ausgesetzt.

Damit war eine verwitwete Mutter und ihr Lebensgefährte vor den höchsten deutschen Richtern doch noch erfolgreich. Das Paar lebt seit 2007 mit den zwei Kindern der Frau und einem gemeinsamen Kind zusammen. Heiraten wollen die beiden nicht, weil die Frau sonst die Witwenrente verlieren würde. Mit der Adoption sollten die in die Beziehung gebrachten Kinder die Stellung gemeinschaftlicher Kinder bekommen.

Vor dem Oberlandesgericht Hamm und dem Bundesgerichtshof klagte das Paar zunächst erfolglos. Die Verfassungsrichter urteilten nun aber: Es sei mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar, dass der Stiefelternteil in nichtehelichen Familien die Kinder des anderen Elternteils nicht adoptieren kann (Beschluss vom 26. März 2019 - 1 BvR 673/17). Bisher war es so, dass die Verwandtschaft zu den leiblichen Eltern bei einer Adoption erlosch. Bei Familien mit Trauschein konnte dagegen bislang ein solches Kind auch rechtlich das Kind beider Eltern werden; seit einigen Jahren ist dies auch in einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft möglich.

Der Schutz des Stiefkindes vor einer nachteiligen Adoption lasse sich auf andere Weise sichern, so die Karlsruher Richter. Dabei könnten im neuen Gesetz statt oder neben dem Ehekriterium alternative Stabilitätsindikatoren verwendet werden - etwa die bisherige Beziehungsdauer.

Der Sprecher des Deutschen Familiengerichtstags, Heinrich Schürmann, sieht den Beschluss als eine naheliegende Entwicklung, die den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen Rechnung trägt. Dazu betonte er: «Das Gericht stellt entscheidend auf das Kindeswohl ab, das unabhängig davon zu beurteilen ist, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht.»