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«Noch nicht vorbei»
Kliniken rechnen noch für Monate mit Corona-Krisenbetrieb

Krankenhäuser
Eine Krankenschwester legt auf einer Corona-Isolierstation Schutzkleidung an. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa
Die Krankenhäuser nicht zu überfordern, ist ein zentrales Ziel im Kampf gegen Corona. Inzwischen sollen behutsam wieder mehr reguläre Behandlungen möglich werden. Von Entspannung ist aber nicht die Rede.

Berlin (dpa) - Operationen laufen wieder an, weniger Betten bleiben für Corona-Fälle geblockt: Die Kliniken machen erste Schritte zur Normalisierung - und rechnen doch noch für Monate mit einem Betrieb im Krisenmodus.

«Die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei», sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, der Deutschen Presse-Agentur. «Frei gehaltene Personal- und Intensivkapazitäten sind weiter erforderlich - auch für eine mögliche zweite Welle im Herbst.» Eine Rückkehr zur Regelversorgung wie vor Corona sei bis weit ins nächste Jahr hinein sicherlich nicht möglich.

Insgesamt würden weniger Covid-19-Patienten aufgenommen, sie belegten inzwischen auch weniger Intensivbetten mit künstlicher Beatmung. Die Kapazitäten seien aber weiterhin stark begrenzt - nämlich wegen der Erfordernisse für eine konsequente Infektionsvermeidung. So sei eine Versorgung im Mehrbettzimmer kaum noch möglich, erläuterte Baum. Es gebe auch deutlich höhere Fallkosten, denn für Corona-Erkrankte seien abgetrennte Intensiv- und Bettenstationen nötig. Auch das Personal muss dann so weit wie möglich getrennt eingesetzt werden.

Insgesamt ist die Zahl freier Intensivbetten demnach im Vergleich zu vor zwei Monaten um rund 2000 gesunken - dort liegen nun Patienten mit anderen Diagnosen als Covid-19. Es gibt auch wieder verstärkt schwere Operationen, die prinzipiell aufschiebbar sind. In den Notaufnahmen ist mittlerweile auch wieder eine deutliche Zunahme von Patienten mit allen Krankheitsbildern zu beobachten.

Bund und Länder hatten die Krankenhäuser Mitte März aufgefordert, alle planbaren OPs und Aufnahmen auszusetzen. Dies sollte vor allem in Intensivstationen vorsorglich freie Betten für Corona-Patienten schaffen. Angesichts der langsameren Virus-Ausbreitung rief die Politik im April dann dazu auf, schrittweise wieder mehr OPs und andere wichtige Behandlungen aufzunehmen. Hintergrund sind auch Sorgen, dass Patienten sonstige Behandlungen aufschieben.

Seit März dürften insgesamt rund 30.000 Corona-Patienten in den Kliniken behandelt worden sein, davon fast 15.000 Intensivpatienten. «Noch haben wir aber eine normale Auslastung nicht erreicht», sagte Baum. Aktuell seien 1500 Patienten coronabedingt in Kliniken, davon fast 400 in der Intensivmedizin. Laut Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) sind bundesweit derzeit mehr als 11.000 Intensivbetten frei.

Auf den Intensivstationen sei die Auslastung immer noch reduziert, erläuterte die Krankenhausgesellschaft. Waren freie Intensivbetten in Vorjahren immer wieder knapp, seien jetzt je nach Bundesland zwischen 25 und 45 Prozent frei. Das liege auch daran, dass Kliniken die Zahl der Intensivbetten wegen Corona aufgestockt hätten. Zudem wurden nun auch Mindestvorgaben zur Besetzung mit Pflegekräften ausgesetzt, so dass Intensivbetten seltener deswegen gesperrt werden müssen.

In den Monaten der Corona-Krise beobachteten Kliniken, dass teils bis zu 30 Prozent weniger Patienten mit Herzinfarkten und Schlaganfällen in die Notaufnahmen kamen. Dies seien jedoch überwiegend Patienten mit leichteren Erkrankungen gewesen - aber eben auch vermeintlich leichteren. «Patienten mit schweren Erkrankungen sind auch in der Pandemiezeit kontinuierlich in den Krankenhäusern behandelt worden», sagte Hauptgeschäftsführer Baum.

Ärztepräsident Klaus Reinhardt befürwortet auch angesichts der Corona-Erfahrungen einen ständigen Krisen-Puffer bei den Kliniken. «Krankenhäuser sind keine Unternehmen, in denen man wie in einem produzierenden Betrieb nur die Auslastung optimiert», sagte der Chef der Bundesärztekammer der dpa. «Wir müssen immer einen gewissen Überhang an Kapazitäten vorhalten und natürlich auch finanzieren, um auf Krisen angemessen reagieren zu können.» Es sei wie bei der Feuerwehr: «Sie kostet Geld, auch wenn sie nicht im Einsatz ist. Aber wenn es brennt, ist sie schnell da.»

© dpa-infocom, dpa:200626-99-570673/3