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Konflikte
Kramp-Karrenbauer: Nato-Abzug aus Afghanistan im September

US Truppen in Afghanistan
Bewaffnete Soldaten stehen im November 2019 Wache während eines Überraschungsbesuchs des damaligen US-Präsidenten Donald Trump. Foto: Alex Brandon/AP/dpa
«Gemeinsam rein, gemeinsam raus» - dieses Prinzip gilt seit 20 Jahren für den Nato-Einsatz in Afghanistan. Der angekündigte Abzug der US-Truppen hat deshalb auch Auswirkungen auf die Bundeswehr.

Berlin/Washington/Brüssel (dpa) - Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer geht davon aus, dass die Nato-Staaten am Mittwoch den gemeinsamen Abzug ihrer Truppen aus Afghanistan zum 11. September beschließen werden.

«Wir haben immer gesagt: Wir gehen gemeinsam rein, wir gehen gemeinsam raus», sagte sie am Mittwoch im ARD-«Morgenmagazin». «Ich stehe für einen geordneten Abzug. Und deswegen gehe ich davon aus, dass wir das heute so beschließen werden.»

Am Dienstag war bekannt geworden, dass die USA als größter Truppensteller in dem Krisenstaat ihre Soldaten nach 20 Jahren zum 11. September abziehen wollen - dem 20. Jahrestag der Terroranschläge von New York und Washington. An diesem Mittwoch beraten die Außen- und Verteidigungsminister der Nato-Staaten darüber.

Zurzeit sind etwa 10.000 Soldaten aus Nato-Ländern und Partnernationen in Afghanistan. Sie sollen die demokratisch gewählte Regierung durch die Ausbildung und Beratung von Sicherheitskräften in ihrem Kampf gegen islamistische Extremisten wie die Taliban unterstützen. Deutschland hat zurzeit rund 1000 Soldaten vor Ort.

Kramp-Karrenbauer machte klar, dass der Abzug der US-Soldaten zwingend den Abzug der Bundeswehr nach sich zieht. «Das würde bedeuten, dass wir unsere Planungen auch in der Nato mit den Planungen der USA synchronisieren.» Die USA wollen am 1. Mai mit dem Abzug beginnen und ihn bis zum 11. September abgeschlossen haben.

Für die Bundeswehr steht damit der verlustreichste Einsatz ihrer Geschichte vor dem Ende. 59 deutsche Soldaten ließen in Afghanistan ihr Leben, davon wurden 35 in Gefechten oder bei Anschlägen getötet. Afghanistan ist zudem der zweitlängste Auslandseinsatz der Bundeswehr nach der Kosovo-Mission, die bereits 1999 begann.

US-Präsident Joe Biden will sich am Abend deutscher Zeit (20.15 Uhr MESZ) zu den Abzugsplänen der USA äußern. Ein US-Regierungsvertreter sagte, der Abzug werde mit Nato-Staaten und anderen Partnern koordiniert. Trotz anhaltender Gewalt von der militant-islamistischen Taliban werde er ohne Bedingungen vollzogen. «Der Präsident hat entschieden, dass ein auf Bedingungen basierender Ansatz, der der Ansatz der vergangenen zwei Jahrzehnte war, ein Rezept für einen ewigen Verbleib in Afghanistan ist.»

Die Bundesregierung hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen, das Ende des Nato-Einsatzes in Afghanistan vom Erfolg der Friedensverhandlungen zwischen den Taliban und der Regierung in Kabul abhängig zu machen. Die Gespräche kamen aber zuletzt nicht voran.

Der US-Regierungsvertreter begründete den neuen Termin für ein Ende des Einsatzes damit, dass ein überhasteter und schlecht koordinierter Abzug die internationalen Truppe gefährden könnte. Er betonte, der 11. September sei das späteste Datum, um den Abzug abzuschließen. Das Ziel könnte bereits deutlich früher erreicht werden. Die Aufständischen hatten zuletzt neue Gewalt gegen Nato-Truppen angedroht, sollte die Frist bis zum 1. Mai nicht eingehalten werden.

Eine US-initiierte Afghanistan-Konferenz in Istanbul Ende des Monats soll den afghanischen Friedensprozess beschleunigen. In den vergangenen Tagen und Wochen hatte es zahlreiche Konsultationen zwischen Vertretern der USA, der Türkei, der Vereinten Nationen, der afghanischen Regierung und der Taliban gegeben, um die für mehrere Tage geplante Konferenz vorzubereiten und die Positionen der Konfliktparteien einander anzunähern.

Als Reaktion auf die neuen Pläne der USA schlossen die Taliban am Dienstag aber ihre Teilnahme an einer geplanten Friedenskonferenz vor einem vollständigen Abzug der internationalen Truppen aus. Man werde an keiner Konferenz teilnehmen, die Entscheidungen über Afghanistan treffen soll, bis sich alle ausländischen Streitkräfte komplett aus dem Land zurückgezogen hätten, schrieb ein Sprecher des politischen Büros der Taliban in Doha, Mohammad Naeem, auf Twitter.

Der US-Regierungsvertreter warnte die Taliban vor Angriffen auf internationale Truppen während des Abzugs. Man habe die Aufständischen wissen lassen, dass die USA in einem solchen Fall hart zurückschlagen würden, sagte er. Mit Blick auf die Frauenrechte in Afghanistan fügte er hinzu, die USA würden sich mit allen diplomatischen, humanitären und wirtschaftlichen Mitteln für deren Schutz einsetzen. Experten warnen davor, dass die Errungenschaften seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 bei einem voreiligen Truppenabzug zunichte gemacht werden könnten.

Unter Trump hatten die USA sich in einem im Februar vergangenen Jahres in Doha vereinbarten Abkommen mit den Taliban verpflichtet, ihre Truppen und die ihrer internationalen Verbündeten bis zum 1. Mai vollständig aus Afghanistan abzuziehen. US-Regierungsvertreter verwiesen in den vergangenen Wochen allerdings darauf, dass es schon aus logistischen Gründen schwierig werde, die Frist einzuhalten. Zugleich warfen sie den Taliban vor, ihre Verpflichtungen nicht zu erfüllen, weil sie die Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zivilisten nicht einstellten und dem Terrorismus nicht abschwörten.

Die Taliban hatten in dem Abkommen von Doha versprochen, dass von Afghanistan keine Terrorbedrohung gegen die USA und ihre Verbündeten mehr ausgehen werde. Außerdem haben sie Friedensverhandlungen mit der Regierung in Kabul zugesagt, die zu einem dauerhaften Waffenstillstand und einem politischen Fahrplan für die Zukunft führen sollten. Eine innerafghanische Verhandlungslösung ist aber weiterhin nicht in Sicht.

Nach offiziellen Angaben befinden sich derzeit noch rund 2500 US-Truppen in Afghanistan. Zum Höhepunkt vor zehn Jahren waren es rund 100.000 amerikanische Soldaten.

Die Anschläge vom 11. September 2001, für die das Terrornetz Al-Kaida verantwortlich gemacht wurde, hatten den Einmarsch der US-geführten Truppen in Afghanistan im Monat darauf ausgelöst. Der internationale Militäreinsatz führte zum Sturz des Taliban-Regimes, das sich geweigert hatte, Al-Kaida-Chef Osama bin Laden auszuliefern.

© dpa-infocom, dpa:210414-99-197569/5

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