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Pandemie
Kritik an Corona-Politik der Ampel - FDP geht RKI-Chef an

Olaf Scholz und Karl Lauterbach
Bundeskanzler Olaf Scholz (l) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann vermisst die Führung des Kanzlers. Foto: Kay Nietfeld/dpa
In der Corona-Politik zieht die Ampel-Regierung nicht immer an einem Strang. Das moniert auch Baden-Württembergs grüner Regierungschef Kretschmann. Die FDP schießt sich derweilen auf RKI-Chef Wieler ein.

Berlin/Stuttgart (dpa) - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat die Führungskraft von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Corona-Pandemie in Frage gestellt.

Der Grünen-Politiker sagte am Samstag im Deutschlandfunk: «In einer Pandemie muss der Regierungschef stark führen, anders geht es nicht.» Es dürften nicht beliebige Kompromisse gemacht werden. Die FDP ging auf Distanz zum Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler. Ein Grund ist, dass das RKI den Genesenenstatus von sechs auf drei Monate verkürzt und damit viele Bürger überrascht hatte.

Kretschmann sagte, in einer Krise sei die Richtlinienkompetenz des Regierungschefs gefragt. Wenn die Koalitionspartner dem nicht relativ frei folgten, sei das ein Problem. Er erinnerte an Scholz' Aussage, wer bei ihm Führung bestelle, kriege sie auch. Vor allem die FDP im Bund - kleinster Koalitionspartner der Ampel-Regierung - spricht sich für Öffnungsschritte und Lockerungen der Corona-Regeln aus, während Scholz noch auf die Bremse tritt.

Kretschmann warnte davor, beliebige Kompromisse einzugehen, auch wenn das in einer Regierung mit drei Partnern kompliziert sei. Die Lösung, eine allgemeine Corona-Impfpflicht über Gruppenanträge im Bundestag einführen zu wollen, sei etwa ein langwieriges Verfahren «mit der Gefahr, dass es zum Schluss zerredet wird und keine klare Linie dabei rauskommt».

Über die mögliche Einführung einer Impfpflicht wird voraussichtlich im März im Bundestag abgestimmt. Die Abgeordneten sollen ohne Fraktionszwang ihre Stimme abgeben und können sich parteiübergreifenden Gruppenanträgen anschließen. Mehrere Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP schlagen in einem Eckpunktepapier vor, dass eine Corona-Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18 «mit dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland» gelten soll. Sie wäre mit drei Impfungen erfüllt und befristet bis Ende nächsten Jahres. Wer keinen Nachweis erbringt, dem sollen Bußgelder drohen, zur Not auch mehrfach.

In einem anderen Antrag sprechen sich Parlamentarier um den FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann für einen Mittelweg aus - sie befürworten ein verpflichtendes professionelles und persönliches Beratungsgespräch für alle volljährigen Ungeimpften. Sollte damit nach gewisser Zeit die nötige Impfquote nicht erreicht werden, könnte eine Pflicht ab 50 Jahren greifen. Eine Gruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki will dagegen eine Impfpflicht generell verhindern. Auch die AfD hat einen Antrag gegen eine Impfpflicht vorgelegt.

Im Nachbarland Österreich gilt bereits seit Samstag für praktisch alle Einwohner über 18 Jahren eine Corona-Impfpflicht. Nach einer Übergangszeit bis Mitte März drohen Impfverweigerern dann auch harte Geldstrafen. Das vom Parlament beschlossene Gesetz sieht Ausnahmen für Schwangere vor und für Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, sowie teils auch für Genesene.

Der Virologe Klaus Stöhr hält eine generelle Impfpflicht gegenwärtig «nicht für zielführend». Er sagte der «Fuldaer Zeitung», generell könne sie ein gutes Mittel sein, um Impfquoten zu erhöhen. «Aber sie ist nicht alternativlos», meinte er. «Dazu kommt, dass sie auch nicht ohne Nebenwirkungen ist.» Stöhr riet, mehr Soziologen und Psychologen einzubinden, um mit einem besseren Wissen über die Impfskeptiker zielgerichtet Impfangebote machen zu können.

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte der «Rheinischen Post»: Wenn eine Impfpflicht, dann für alle Erwachsenen, nicht nur für die Älteren.» Eine Impfpflicht sei aber nur dann vernünftig, wenn sie auch vernünftig umgesetzt werden könne. «Vorher muss unbedingt geklärt werden, wie die Impfpflicht kontrolliert werden soll.»

Auch der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, sprach sich für eine Impfpflicht aus. «Mir scheint der Antrag für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 auf zwei Jahre befristet der Vernünftigste zu sein», sagte er der «Rheinischen Post». Unklar seien ihm aber noch die Sanktionen für dann immer noch Ungeimpfte.

Der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai kritisierte im «Spiegel» das Agieren des RKI. «Ich habe großen Respekt vor den Leistungen des RKI-Chefs Lothar Wieler in den vergangenen zwei Jahren während der Pandemie», sagte er. Er fügte mit Blick auf die Verkürzung des Genesenenstatus hinzu: «Des Vertrauens der FDP kann sich Herr Wieler aber aufgrund dieser neuerlichen Verfehlung, die ja leider keinen Einzelfall darstellt, nicht mehr sicher sein.»

Das RKI meldete derweil einen weiteren Anstieg der bundesweiten Sieben-Tage-Inzidenz auf 1388,0. Zugleich schwächte sich das Impftempo weiter ab. Nach RKI-Zahlen vom Samstag wurden am Vortag mindestens 266.000 Impfdosen gegen das Coronavirus gespritzt. Am Freitag vor einer Woche waren es noch 428.375 Dosen - vor zwei Wochen etwa 589.000 Dosen. Nach RKI-Angaben haben 74,4 Prozent der Menschen einen Grundschutz mit zumeist zwei Spritzen. Bisher haben den Angaben zufolge 54,2 Prozent zusätzlich eine Auffrischungsimpfung erhalten.

© dpa-infocom, dpa:220205-99-984265/4

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