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Gesetzentwurf
Künstliche Beatmung: Spahn für bessere Patienten-Betreuung

Gesundheitsminister Jens Spahn
Jens Spahn (CDU) will mit dem Gesetzentwurf Geschäfte auf Kosten der Patienten unterbinden, wenn sie nach einem Aufenthalt im Krankenhaus zu Hause weiterbetreut werden. Foto: Britta Pedersen
Eigentlich ist es eine Einschränkung der Versorgung. Gesetzespläne für Beatmungspatienten sollen aber eine höhere Versorgungsqualität absichern - und auch dubiosen Geschäften einen Riegel vorschieben.

Berlin (dpa) - Schwerkranke Menschen, die etwa nach einem Unfall künstlich beatmet werden müssen, sollen bessere Betreuung bekommen.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will damit zugleich Geschäfte auf Kosten der Patienten unterbinden, wenn sie nach einem Aufenthalt im Krankenhaus zu Hause weiterbetreut werden. Darauf zielt ein Gesetzentwurf, den das Ministerium zur Abstimmung an Verbände und Länder verschickt hat. Spahn sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), es solle alles getan werden, Betroffene so schnell wie möglich von künstlicher Beatmung zu entwöhnen. Patienten, die sich nur schlecht wehren könnten, bräuchten besondere Unterstützung.

Die Pläne zielen darauf, grundlegend höhere Qualitätsstandards zu verankern und «Fehlanreize und Missbrauchsmöglichkeiten zu beseitigen», wie es im Entwurf heißt. Dafür soll Intensivpflege mit künstlicher Beatmung in der eigenen Wohnung künftig die Ausnahme sein. Anspruch darauf sollen nur noch minderjährige Kinder haben. In der Regel solle dies in Pflegeheimen stattfinden - oder in speziellen «Beatmungs-WGs», für die außerdem zusätzliche Vorgaben kommen sollen. Hintergrund sind auch Fälle von Geschäftemachereien und Zweifel an der Betreuungsqualität bei der Versorgung solcher Patienten zu Hause.

Gegensteuern will Spahn auch mit neuen finanziellen Anreizen. So sollen die Eigenanteile für die Intensivpflege in Heimen von derzeit bis zu 3000 Euro im Monat erheblich gesenkt werden. Krankenkassen sollen anbieten können, auch Kosten für Unterkunft und Verpflegung zu übernehmen. Dies soll laut Ministerium den «Fehlanreiz» aufheben, dass sich manche Patienten und Angehörige wegen geringerer Zuzahlungen für eine Intensivpflege zu Hause entscheiden.

Begrenzt werden soll damit auch der starke Anstieg der Ausgaben bei den gesetzlichen Kassen, die für eine häusliche Intensivpflege voll aufkommen. Diese kann rund 25.000 Euro im Monat kosten, während es in spezialisierten Einrichtungen 6500 Euro sind. Aus medizinischer Sicht soll außerdem verhindert werden, dass Patienten ohne ausreichende Anstrengungen zur Entwöhnung von einer künstlichen Beatmung in eine ambulante Pflege entlassen werden. Kliniken sollen daher auch besser für eine längerfristige Entwöhnung vergütet werden.

Der Sozialverband VdK begrüßte Spahns Pläne. «Beatmungs-WGs sind derzeit Heime ohne Heimaufsicht. Niemand weiß, was dort hinter verschlossenen Türen passiert», sagte Präsidentin Verena Bentele dem RND. Intensivpflege gehöre in professionelle Einrichtungen mit geprüfter Qualität. Der stellvertretende Chef des Spitzenverbands der gesetzlichen Kassen, Gernot Kiefer, betonte, die Patienten schneller und öfter zum selbstständigen Atmen zu bringen, müsse ein zentrales Anliegen sein. Fehlanreize zu beseitigen, sei daher dringend nötig.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz nannte es überfällig, die Versorgung der 30.000 ambulanten Beatmungspatienten einheitlich zu regeln. Es sei aber zu unterscheiden, ob sie in den eigenen vier Wänden oder einer von 800 Beatmungs-WGs lebten. Wenn Spahn das Leben schwerst kranker Patienten daheim praktisch unterbinden wolle, sei das «ein gravierender Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht», warnte Vorstand Eugen Brysch. Ein Drittel der Betroffenen könne nicht von der Beatmung entwöhnt werden. Viele dieser Menschen wollten daher zu Hause versorgt werden und in der gewohnten Umgebung bleiben.

SPD-Fraktionschef Karl Lauterbach sagte dem RND, nach diversen Skandalen bestehe dringender Handlungsbedarf. «Es darf nicht sein, dass zu Lasten von Beatmungspatienten exorbitante Gewinne gemacht werden.» Spahns Entwurf gehe daher in die richtige Richtung. Im Mai hatte die Polizei einen Abrechnungsbetrug von Pflegediensten bei der Betreuung von Beatmungspatienten aufgedeckt. Wohnungen und Büros in Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein wurden durchsucht. Die Polizei ging davon aus, dass Menschen vor allem aus Osteuropa als Intensivpfleger und -pflegerinnen eingesetzt wurden, obwohl sie nicht qualifiziert waren. Es soll ein Millionen-Schaden entstanden sein.