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Bundestagswahl
Linke kürt Wissler und Bartsch zu Spitzenkandidaten

Janine Wissler
Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Landtag von Hessen und Co-Vorsitzenden der Linkspartei. Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Dietmar Bartsch
Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Frau - Mann, West - Ost, links - pragmatisch: Mit dem Spitzenduo Wissler und Bartsch zieht die Linke in den Bundestagswahlkampf. Beide repräsentieren unterschiedliche Strömungen der Partei.

Berlin (dpa) - Janine Wissler und Dietmar Bartsch führen die Linke als Spitzenkandidaten in den anstehenden Bundestagswahlkampf.

Die Co-Parteichefin und der Co-Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion wurden am Montag mit knapp 87 Prozent der Stimmen im Parteivorstand zum Spitzenduo gewählt, wie die Linke mitteilte. Beide werden damit im Wahlkampf die Führungsrolle für ihre Partei übernehmen.

Bartsch rief anschließend das Ziel aus, bei der Bundestagswahl am 26. September ein zweistelliges Ergebnis holen zu wollen. Das Ziel sei sehr realistisch, sonst würde man es nicht so formulieren, sagte er auf Nachfrage. Die Lage sei derzeit sehr volatil, innerhalb von Tagen und Wochen änderten sich Umfragen. Momentan liegt die Linke in Umfragen bei sechs bis acht Prozent. Ein zweistelliges Ergebnis ist ihr bisher erst einmal gelungen: Bei der Bundestagswahl 2009 waren es 11,9 Prozent.

Als wichtigste Wahlkampfthemen nannten die beiden Spitzenkandidaten unter anderem den Einsatz für Beschäftigte in schlecht bezahlten Branchen, eine Besteuerung großer Vermögen, den Kampf gegen niedrige Renten und Kinderarmut sowie die Abrüstung. «Notwendig ist eine mutige, eine radikale und eine realistische Politik», sagte Wissler. Es gehe nicht um kleine Korrekturen, sondern um einen Richtungswechsel. «Wir wollen eine Umverteilung durchsetzen.» Armut könne man nur bekämpfen, wenn man bereit sei, umzuverteilen und sehr hohe Einkommen und Vermögen zu besteuern.

«Wir sind nicht die Partei der Stellschrauben, wir wollen grundsätzliche Veränderungen», sagte Bartsch. Die Linke sei die Anwältin der wahren Leistungsträger, «der Krankenschwestern, der Erzieherinnen und Lehrer, der Paketboten, der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Supermärkten». Klatschen reiche nicht. «Wir kämpfen für die Millionen, die zu Minilöhnen schuften müssen.»

Der 63-Jährige steht seit 2015 als Co-Chef an der Spitze der Linksfraktion im Bundestag. Bartsch kommt aus Mecklenburg-Vorpommern und ist ein erfahrener Parteistratege, er gilt als Pragmatiker und setzt sich schon lange dafür ein, dass die Linke auch Regierungsverantwortung übernimmt, wenn die Mehrheiten das hergeben. Auch bei der letzten Bundestagswahl 2017 war Bartsch Spitzenkandidat, gemeinsam mit seiner damaligen Co-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. Die Linke hatte damals 9,2 Prozent der Stimmen geholt.

Janine Wissler, 39, ist seit Februar Co-Parteichefin und wird dem linken Flügel der Partei zugerechnet. Die Hessin zeigt sich zwar grundsätzlich auch offen für eine Regierungsbeteiligung ihrer Partei, lehnt dabei aber ein Abrücken von linken Positionen etwa beim Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr und einem Stopp von Waffenexporten strikt ab.

Aufforderungen der Grünen, sich in der Außenpolitik zu bewegen, hatte sie zuletzt zurückgewiesen. Grünen-Co-Chef Robert Habeck hatte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt, die Linkspartei müsse in einem «besonderen Maße beweisen, dass sie regierungsfähig und bereit ist, für dieses Land Verantwortung zu übernehmen». Das schließe ein Bekenntnis zur Nato ein. Wissler hatte das abgelehnt.

Die Außen- und Sicherheitspolitik gilt als größter Knackpunkt für ein mögliches Regierungsbündnis aus Grünen, SPD und Linken. Die Linke schließt in ihrem Parteiprogramm Auslandseinsätze der Bundeswehr strikt aus und fordert eine Auflösung der Nato «und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands, das Abrüstung als ein zentrales Ziel hat». Sie spricht sich zudem für eine Abschaffung der Geheimdienste und für ein Rüstungsexportverbot aus.

Wissler sagte am Montag: «Wenn es nach der Wahl eine Mehrheit jenseits der Union gibt, dann sind alle drei Parteien in der Verantwortung diese eben auch zu nutzen und ernsthaft zu schauen, welche Projekte man auch umsetzen kann.»

Wisslers Co-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow sagte im Inforadio des Rundfunks Berlin-Brandenburg zu den beiden Spitzenkandidaten, Bartsch und Wissler stünden unterschiedlich im Leben und hätten unterschiedliche politische Erfahrung, «im hessischen Landtag, im Bundestag, Ost, West». Damit repräsentierten sie auch die Gesellschaft mit unterschiedlichen Bedürfnissen. «Das sind schon zwei, die zusammenpassen und die Linke nach vorne bringen.»

Die Spitzenkandidatur ist kein formaler Posten. Parteien bestimmen damit die Top-Gesichter für ihren Wahlkampf, etwa für Kundgebungen, Plakate, Wahlwerbespots und Talkshows. Eine bestimmte Position nach der Wahl ist damit nicht automatisch verbunden. Allerdings hat ein Spitzenkandidat beste Chancen, bei einem Einzug seiner Partei in den Bundestag Fraktionschef oder bei einer Regierungsbeteiligung Minister zu werden.

© dpa-infocom, dpa:210510-99-537505/4