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Coronavirus
Mehr Rechte für Geimpfte? Debatte vor Bund-Länder-Treffen

Ralph Brinkhaus
«Ein Restrisiko wird bleiben, aber damit müssen wir dann umgehen», sagt CDU-Politiker Ralph Brinkhaus über die Zukunft mit dem Coronavirus. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Grünen-Chef Robert Habeck
«Man hat nicht das Recht, dass alle Geimpften und der Rest der Gesellschaft und die Kinder dann Rücksicht darauf nehmen», sagt Grünen-Chef Habeck zur Debatte um Einschränkungen für Ungeimpfte. Foto: Gregor Fischer/dpa
Armin Laschet
Armin Laschet, CDU/CSU-Kanzlerkandidat und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Foto: Ralf Sondermann/Staatskanzlei NRW/dpa
Mit welcher Corona-Strategie gehen Bund und Länder in den Herbst? Beim Bund-Länder-Treffen am Dienstag geht es um wichtige Fragen. Die Fixierung auf den Inzidenzwert wird wohl fallen.

Berlin (dpa) - Mögliche Einschränkungen für Nicht-Geimpfte, mehr Rechte für Geimpfte, ein neues System zur Bewertung der Corona-Lage und die Zukunft kostenloser Tests: Angesichts steigender Infektionszahlen und eines stagnierenden Impftempos diskutiert die Politik über den weiteren Kurs.

Bei Beratungen am Dienstag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der Länder könnte es wichtige Weichenstellungen geben.

Denn die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland steigt weiter an: Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) von Sonntagmorgen lag sie bei 22,6. Beim jüngsten Tiefststand vor gut einem Monat lag er bei 4,9. Zwar sind mittlerweile mehr als 45 Millionen Menschen vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Allerdings stagniert das Impftempo.

Laut einer Modellrechnung des Robert Koch-Instituts (RKI) hat die Impfkampagne geschätzt Tausende Todesfälle verhindert. Derzeit stehe Deutschland am Anfang einer vierten Welle. Um deren Ausmaß so gering wie möglich zu halten, sei es nötig, den Anteil der geimpften Bevölkerung schnellstmöglich zu erhöhen.

Laschet gegen Benachteiligung von Ungeimpften

Im Fokus der politischen Debatte steht die Frage, wie mehr Menschen zum Impfen bewegt werden können - und ob es für Nicht-Geimpfte Einschränkungen geben soll.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und CDU-Chef Armin Laschet lehnt eine Benachteiligung von Ungeimpften ab, sofern diese einen negativen Corona-Test vorweisen können. «Wer geimpft, genesen oder getestet ist, den darf der Staat nicht von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausnehmen», sagte der CDU/CSU-Kanzlerkandidat der «Bild am Sonntag». Die so genannte 3-G-Regel sei «sinnvoll, maßvoll und umsetzbar».

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) sagte der «Welt am Sonntag», es werde zu viel über den angeblichen indirekten Impfzwang geredet und zu wenig über die Rechte von Geimpften. «Ich gehe aber davon aus, dass sich das im Herbst von selbst regeln wird, weil Hoteliers, Clubs, Veranstalter sagen werden: 'Sorry, bei mir kommst du nur mit einem Test nicht mehr rein.' Ich glaube, der Druck durch den geimpften Teil der Bevölkerung wird enorm zunehmen.»

Für Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) gibt es zwei Alternativen, falls zunehmende Infektionen wieder Beschränkungen erforderlich machen: «Ein Lockdown für alle, den ich nicht für vertretbar halte, oder eben Beschränkungen für diejenigen, die keine Impfung haben, obwohl diese seit Langem empfohlen wird.» In der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» forderte er zudem, Ungeimpfte nur mit negativem PCR-Test Geimpften und Genesenen gleichzustellen. «Antigen-Schnelltests sind nicht zuverlässig genug.»

Bovenschulte: Überzeugen statt Druck aufbauen

Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sagte dem «Handelsblatt»: «Ich glaube, mit Überzeugung kommt man weiter als mit Druck». Ansätze, Nicht-Geimpfte von bestimmten Veranstaltungen oder Besuchen auszuschließen, halte er für «wenig zielführend». So sei es nicht möglich, eine klare Abgrenzung zur Grundversorgung eines Menschen zu treffen. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hält Einschränkungen für Ungeimpfte nur bei einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems für vertretbar, wie er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte.

Grünen-Chef Robert Habeck sprach sich im ZDF-Sommerinterview dafür aus, dass Corona-Tests kostenlos bleiben. Mit Blick auf einen gegenteiligen Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums sagte er: «Das ist die falsche Maßnahme, die Leute zum Impfen zu motivieren.»

Ende kostenloser Schnelltests im Oktober?

Das Bundesgesundheitsministerium hatte ein Ende der kostenlosen Schnelltests für Mitte Oktober vorgeschlagen. Nur für Menschen, die nicht geimpft werden können oder für die keine allgemeine Impfempfehlung vorliegt wie Schwangere oder Unter-18-Jährige, solle es weiterhin kostenlose Tests geben soll. Der Bund übernimmt seit März die Kosten für mindestens einen Schnelltest durch geschultes Personal je Woche samt Nachweis.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hält weitere Schritte zur Beschleunigung des Impftempos für nötig. «In der Ministerpräsidentenkonferenz müssen wir besprechen, wie wir noch mehr Menschen zum Impfen motivieren können, um einen Anstieg der Infektionszahlen im Herbst und Winter zu vermeiden», sagte der Vorsitzende des Gremiums am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. «Impfen ist und bleibt unser wichtigstes Instrument im Kampf gegen die Pandemie.»

«Inzidenz als alleiniges Maß hat ausgedient»

Viel Zustimmung gibt es zu Forderungen, die Sieben-Tage-Inzidenz nicht mehr zum alleinigen Maßstab für die Corona-Maßnahmen zu machen. Ausschlaggebend müsse auch die Belegung von Krankenhausbetten und Intensivstationen sein, sagte Laschet. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt befand in der «Bild am Sonntag»: «Die Inzidenz als alleiniges Maß aller Dinge hat ausgedient.» Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) warb in der Zeitung für eine «Corona-Ampel».

Der Städtetag forderte eine Impfstrategie für Herbst und Winter, um für eine vierte Corona-Welle besser gewappnet zu sein. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagte der dpa: «Wir haben eine ganze Reihe neuer Impfaufgaben vor der Brust: Auffrischungsimpfungen für Ältere und Pflegebedürftige, mehr Impfungen für Kinder ab 12 Jahren und noch viel mehr direkte Impfangebote.» Die Städte bräuchten Klarheit über den September hinaus, wenn die meisten großen Impfzentren schließen.

© dpa-infocom, dpa:210807-99-762800/9

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DIVI-Tagesreport vom 7.8.

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