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Unterzeichnung fällt aus
Milliardenprogramm zur Schuldigitalisierung immer ungewisser

Das digitale Klassenzimmer
Die Bundesregierung will, dass die Schulen ab Anfang 2019 unter anderem mit fünf Milliarden Euro vom Bund mit digitaler Technik wie WLAN und Tablets ausgestattet werden. Foto: Britta Pedersen Foto: dpanitf3
Bundesrat
Mit der geplanten Grundgesetzänderung könnte sich der Bund stärker bei Bildungsthemen einmischen. Zunächst muss aber der Bundesrat mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen. Foto: Ralf Hirschberger
Unterricht
Lehrkräfte würden sich künftig häufiger als Moderator, Anreger und Berater verstehen. Foto: Britta Pedersen
Englischunterricht
Schüler am Berliner Gymnasium Carolinum arbeiten mit einem iPad im Englischunterricht. Foto: Britta Pedersen
Smartphone-Pause
Ein Schüler legt sein Smartphone zu Unterrichtsbeginn in einen Setzkasten. Foto: Britta Pedersen
Internet in Schule
Ist Deutschland bereit für die Digitalisierung der Schulen? Foto: Karl-Josef Hildenbrand
Das Chaos um das geplante Schuldigitalisierung nimmt weiter zu. Zahlreiche Äußerungen maßgeblicher Politiker legen den Schluss nahe: Ein komplettes Scheitern ist nicht mehr ausgeschlossen.

Berlin (dpa) - Das geplante milliardenschwere Bund-Länder-Programm zur Digitalisierung von Deutschlands Schulen wird immer ungewisser. Die für diesen Donnerstag vorgesehene Unterzeichnung einer Vereinbarung für dieses Projekt bei einer Sitzung der Kultusminister von Bund und Ländern fällt aus.

Das machten mehrere Bildungsminister der Union deutlich. Hintergrund ist der Streit um eine vom Bundestag bereits beschlossene Grundgesetzänderung, die aus Sicht ihrer Befürworter Voraussetzung für den Digitalpakt ist, in den Ländern aber auf Widerstand stößt. Dennoch soll das Thema bei der Kultusministerkonferenz (KMK) beraten werden, wie es aus Länderkreisen hießt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warb für die Schuldigitalisierung. Der Bund wolle nicht nur die Schulen mit Computern ausstatten, sondern etwa auch eine gemeinsame Lehr-Cloud anbieten, aus der sich jedes Land und jede Schule herausnehmen könne, was sie wolle, sagte sie beim Digitalgipfel der Regierung in Nürnberg. «Das sind alles, glaube ich, sehr willkommene Dinge.»

Der Länderwiderstand gegen die geplante Grundgesetzänderung ist nach Einschätzung Merkels auf die bislang geplante Kostenaufteilung zurückzuführen. «Beim Digitalpakt soll die Kostenaufteilung 90 zu 10 sein - 90 der Bund, 10 die Länder. Soweit so gut», sagte Merkel. Aber bei allen weiteren Dingen sei eine Kostenaufteilung von 50 zu 50 geplant. «Und das gefällt den Ländern nicht so richtig. Da liegt der Hase im Pfeffer, glaube ich.» Dies betrifft unter anderem weiter geplante Bundesmittel für Wohnungsbau, die auch durch die Grundgesetzänderung ermöglicht werden sollen.

Nach dem Bundestag müsste der Bundesrat der Grundgesetzänderung mit Zweidrittelmehrheit zustimmen. Die Änderung soll es dem Bund ermöglichen, trotz Nichtzuständigkeit für Schulen binnen fünf Jahren fünf Milliarden Euro für die Ausstattung der Schulen mit digitaler Technik und Lerninhalten an die Länder zu zahlen. Schulpolitik ist eigentlich Ländersache.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) geht davon aus, dass die Grundgesetzänderung in jetzt geplanter Form am Länderwiderstand scheitert, wie er in Stuttgart sagte. Kretschmann selbst hatte diesen Widerstand maßgeblich organisiert. Er erwartet, dass der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat angerufen wird, um nachzuverhandeln. Sichergestellt werden müsse aber, dass die Milliarden trotzdem flössen, sagte Kretschmann. Er sieht auch mit der jetzigen Verfassung einen Weg, das Geld freizugeben.

An diesem Donnerstag sollte in der KMK der Entwurf für eine Vereinbarung unterzeichnet werden, die die einzelnen Schritte für die Schuldigitalisierung konkret beschreibt. Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) sagte, ihr Land stehe hinter dem Digitalpakt. «Doch die Vereinbarung werden wir erst unterzeichnen, wenn Einigkeit und Klarheit über die gesetzliche Grundlage besteht.» Deshalb könne noch nichts unterschrieben werden. «Diese Einschätzung teilen auch die anderen unionsgeführten Länder.» Eisenmann warb erneut dafür, das Bundesgeld für die Schulen mit einer bestehenden Regel zu finanzieren, durch die der Bund für «informationstechnische Systeme» mitbezahlen darf.

KMK-Chef Helmut Holter (Linke) will bei dem Treffen mit seinen Amtskollegen in Berlin für eine grundsätzliche Bestätigung des Digitalpakts werben. Der Deutschen Presse-Agentur sagte der thüringische Bildungsminister: «Ich hoffe, dass die Länder auch zu dem Ergebnis der Bund-Länder-Vereinbarung stehen werden.» Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte dem «Handelsblatt» (Mittwoch): «Die Zeit ist reif: Die Bund-Länder-Vereinbarung kann unterschrieben werden.»

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) sagte der dpa, letztlich müsse die Frage geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen der Bund in Zukunft den Ländern Finanzhilfen geben könne. «Es muss immer sichergestellt sein, dass die Mittel tatsächlich entsprechend ihres Zwecks verwendet werden. Das muss dem Bund auch nachgewiesen werden. Zudem dürfen die Bundesmittel nicht Landesmittel ersetzen.»

SPD-Chefin Andrea Nahles forderte beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Mittwoch) eine schnelle Einigung von Bund und Ländern über Digitalpakt und Grundgesetzänderung.

Grundgesetzänderung und Digitalpakt - Wie es weitergehen kann:

Mittwoch (5. Dezember): Der Beirat des Bundesrats mit Bevollmächtigten der 16 Bundesländer entscheidet, ob die geplante Grundgesetzänderung auf die Tagesordnung der letzten Plenumssitzung des Bundesrats in diesem Jahr am 14. Dezember kommt. Zugleich beraten die Ministerpräsidenten der Länder auf einer Konferenz in Berlin auch über den Themenkomplex.

Donnerstag (6. Dezember): Die Kultusminister von Bund und Länder kommen turnusgemäß zu einer Sitzung in Berlin zusammen. Sie wollen dabei auch über eine Bund-Länder-Vereinbarung zum Digitalpakt beraten. Unterzeichnet werden soll die Vereinbarung aber nicht.

Freitag (14. Dezember): Wenn der Bundesrat über den vom Bundestag beschlossenen Gesetzentwurf für die Grundgesetzänderung berät, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Über einen Bundesratsausschuss oder durch eines oder mehrere Länder im Plenum kann der Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag gestellt werden. Um erfolgreich zu sein, braucht der Antrag eine absolute Mehrheit von 35 der 69 Stimmen, die die Länder insgesamt im Bundesrat haben.