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Umstrittener Paragraf 219a
Nach Kompromiss weiter Streit um Infos zu Abtreibungen

Werbeverbot für Abtreibungen
Werbung für Abtreibungen bleibt verboten - aber die Informationen für Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind, sollen verbessert werden. Darauf hat sich die Bundesregierung verständigt. Foto: Silas Stein
Nach langem Ringen ist eine Lösung in der Koalition da: Werbung für Abtreibungen bleibt verboten, Frauen sollen aber auch im Internet einfacher Infos dazu finden. Das reicht Kritikern bei weitem nicht.

Berlin (dpa) - Der Streit um leichtere Informationsmöglichkeiten über Abtreibungen geht trotz einer mühsam gefundenen Einigung in der Bundesregierung weiter.

Die Bundesärztekammer sprach von einem «tragfähigen Kompromiss», der Rechtssicherheit schaffe. Auch Organisationen von Frauenärzten lobten die Verständigung. Dagegen kam von der Gießener Frauenärztin Kristina Hänel, die wegen Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verurteilt worden war, scharfe Kritik an den vorgesehenen Ergänzungen des sogenannten Werbeverbots. Auch die Opposition forderte eine völlige Streichung des Paragrafen 219a.

Ärzte und Kliniken sollen nach dem Kompromiss darüber informieren können - etwa auf der eigenen Internetseite -, dass sie Abtreibungen vornehmen. Die Bundesärztekammer soll eine Liste mit Einrichtungen führen, die auch angewandte Methoden nennt. Die Liste soll monatlich aktualisiert und von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung online gestellt werden. Frauen sollen außerdem Verhütungspillen zwei Jahre länger - bis zum 22. Geburtstag - von der Krankenkasse bezahlt bekommen.

Die Koalition hatte monatelang über Paragraf 219a im Strafgesetzbuch gestritten. Er verbietet «Werbung» für Schwangerschaftsabbrüche. Demnach macht sich strafbar, wer «seines Vermögensvorteils wegen» öffentlich Abtreibungen anbietet. Die SPD hatte - wie Grüne, Linke und FDP - eine Abschaffung des Verbots gefordert, die Unionsseite wollte das aber nicht. Laut Kompromiss bleibt das Werbeverbot nun bestehen, wird aber um eine weitere Ausnahmeregelung ergänzt.

Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery sagte, dies helfe Frauen in Notlagen ebenso wie behandelnden Ärzten. Ähnlich äußerten sich der Berufsverband der Frauenärzte und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie.

Die Ärztin Hänel dagegen sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Frauen haben ein Recht auf Information, und das ist weiterhin verboten.» Frauen wollten sich dort informieren, wo sie sich behandeln ließen. Es gebe daher keinen Grund für eine Sonderregelung. Das hinter Paragraf 219a stehende Frauenbild besage, Frauen könnten durch Informationen für einen Schwangerschaftsabbruch geworben werden. «Das ist ein Paragraf, der von seiner Intention her dafür angelegt ist, zu stigmatisieren, auszugrenzen, zu tabuisieren und Fachleute zu kriminalisieren.»

Die Informationen, die sie auf ihrer Homepage bereitgestellt habe, wären weiterhin strafbar, sagte Hänel. Sie werde den Rechtsstreit daher wie geplant in die nächste Instanz tragen. Die Ärztin war vom Landgericht Gießen zu 6000 Euro Geldstrafe verurteilt worden, weil sie auf ihrer Internetseite Schwangerschaftsabbrüche als Leistung angeboten hatte. An ihrem Fall hatte sich die Debatte entzündet.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte: «Die beste Lösung wäre es gewesen, wenn der Paragraf 219a direkt gestrichen worden wäre.» Der Kompromiss bleibe «in Teilen unklar» - nämlich in der Frage, ob Ärzte straffrei blieben, wenn sie «umfassend» auf der Homepage informieren. FDP-Chef Christian Lindner erklärte: «Betroffenen Frauen helfen keine halben Sachen.» Eine Mehrheit für eine komplette Abschaffung wäre im Bundestag da. Linke-Fraktionsvize Cornelia Möhring kritisierte: «Schwangere Frauen dürfen sich weiterhin nicht frei informieren, Ärztinnen und Ärzte dürfen weiterhin nicht frei informieren.»

SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach sagte dagegen den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: «Mit diesem Kompromiss kann fast jeder gut leben.» In seiner Fraktion herrsche «bei den allermeisten große Erleichterung darüber». Das Recht auf legale Abtreibungen habe auf dem Spiel gestanden. «Diesen Angriff konnten wir abwehren.» Für die Unionsfraktion sprachen die Abgeordneten Thorsten Frei und Elisabeth Winkelmeier-Becker (beide CDU) von einem «schwierigen Kompromiss». Entscheidend sei, dass die Bedeutung der Beratung in den anerkannten Stellen nicht gemindert werde. Dort werde das Lebensrecht des Kindes angesprochen, beraten werde zudem nicht nur zu medizinischen Fragen.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stellte sich in einer Sitzung der Unionsfraktion nach Angaben von Teilnehmern hinter den Kompromiss. Damit könne ein jahrzehntelang strittiges Thema befriedet werden. In der Fraktion gab es breite Zustimmung, wie es weiter hieß.

Infoseite Bundeszentrale