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Angehörige von Flüchtlingen
Neuregelung beim Familiennachzug: Knapp 9000 Visa erteilt

Familiennachzug
Eine syrische Familie sitzt vor einem Asylwohnheim der Zentralen Ausländerbehörde des Landes Brandenburg. Foto: Patrick Pleul/zb
Zwei Jahre lang konnten viele Bürgerkriegsflüchtlinge in Deutschland keine Angehörigen zu sich holen. Seit einem Jahr ist das wieder möglich - einige Tausend Menschen nutzten die Neuregelung.

Berlin (dpa) - Nicht ganz 9000 Angehörige von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus haben seit der Neuregelung des Familiennachzugs vor einem Jahr Visa für Deutschland bekommen.

Von August 2018 bis Ende Juni wurden insgesamt 8758 Einreiseerlaubnisse erteilt, wie das Auswärtige Amt der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mitteilte. Zu der von manchen Kritikern erwarteten Klagewelle kam es nicht. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) fordert dennoch eine Evaluation der Praxis.

Im August 2018 trat eine Neuregelung in Kraft, wonach auch «subsidiär Schutzberechtigte» - in der Regel Bürgerkriegsflüchtlinge - wieder Angehörige zu sich nach Deutschland holen dürfen. Die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD hatten sich nach mühsamen Verhandlungen auf eine entsprechende Öffnung geeinigt. Allerdings gibt es eine monatliche Obergrenze von 1000 positiven Entscheidungen beim Bundesverwaltungsamt.

«Subsidiären Schutz» erhält, wer zwar nicht verfolgt wird, bei einer Rückkehr ins Herkunftsland aber trotzdem in Gefahr wäre, etwa weil dort Krieg herrscht. Das betrifft vor allem Flüchtlinge aus Syrien. Für Menschen mit diesem eingeschränkten Schutzstatus war der Familiennachzug vor dem Inkrafttreten der neuen Regelung zwei Jahre lang ganz ausgesetzt. Inzwischen können Erwachsene wieder Ehepartner und minderjährige Kinder zu sich holen. Auch die Eltern unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge können Visa erhalten.

Die deutschen Vertretungen im Ausland nehmen die Anträge auf Familiennachzug entgegen, die Ausländerbehörden in Deutschland prüfen sie. Das Bundesverwaltungsamt wacht darüber, dass nicht mehr als 1000 Genehmigungen pro Monat erteilt werden. Da es einen Zeitverzug zwischen den verschiedenen Stufen im Verfahren gibt, kann es sein, dass in manchen Monaten mehr als 1000 Visa erteilt werden.

Die Neuregelung war zunächst schleppend in Gang gekommen. Zwischen Dezember 2018 und Mai 2019 wurden dann aber jeden Monat mehr als 1000 Visa erteilt. Im Juni waren es 804 Visa.

Beim Berliner Verwaltungsgericht, das bundesweit für Visaverfahren zuständig ist, gab es nach Angaben eines Sprechers mit Blick auf den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten im Jahr 2018 insgesamt 29 Verfahren, im laufenden Jahr bislang 84 Verfahren. Die meisten dieser Fälle erledigten sich demnach, weil die Betroffenen doch noch Visa erhielten. In drei Eilverfahren gab es Entscheidungen gegen die Antragsteller, die bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllten.

Eine Gerichtsentscheidung über die grundsätzliche Rechtmäßigkeit des monatlichen Kontingents von 1000 Bewilligungen für den Familiennachzug gibt es bislang nicht. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass kaum jemand Anlass zur Klage hatte. Kritiker hatten mit Blick auf die Neuregelung davor gewarnt, dass Visaanträge allein deshalb abgelehnt werden könnten, weil die 1000er-Grenze überschritten werde - was Betroffene vor Gericht anfechten könnten. Doch nach Angaben des Bundesinnenministeriums wurden Anträge an das Bundesverwaltungsamt, die das Kontingent in den Monaten Februar, März und April überschritten, einfach in den Folgemonaten berücksichtigt.

Die Vorsitzende des Expertengremiums SVR, Petra Bendel, sagte der dpa: «Es gibt einen Flaschenhals in den deutschen Auslandsvertretungen, wo nach wie vor viele Menschen auf einen Termin zur Beantragung eines Visums warten.» Im Januar gab es weltweit etwa 36.000 Terminanfragen von Angehörigen subsidiär Schutzberechtigter. Diese Zahl soll sich seither nicht wesentlich reduziert haben. Nach Zahlen des Auswärtigen Amts von Ende Mai wurden allerdings in keinem Monat mehr als 1700 Visumsanträge von den Auslandsvertretungen nach Deutschland übermittelt.

Bendel forderte eine Evaluation der vor einem Jahr beschlossenen Regelung. «Hier wird ein hoher Aufwand bei der Bewertung und Auswahl der Nachzugsberechtigten betrieben, obwohl es nur um eine relativ geringe Anzahl an Menschen geht», sagte sie. Zudem seien die Anforderungen an Nachzugswillige unverhältnismäßig hoch: «Die Menschen müssen in oft nicht funktionierenden Staaten Nachweise vorlegen etwa zu Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Behinderungen.» Auch sei unklar, wie die Behörden hierzulande die Integrationsfähigkeit der Angehörigen in Deutschland bewerteten.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, beklagte: «Das Recht auf Familienleben wurde für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz zu einem Gnadenrecht für wenige Auserwählte degradiert.» Viele Flüchtlinge müssten so über Jahre von ihren engsten Angehörigen getrennt leben. Das schade auch der Integration.