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Parteitag im Dezember
Norbert Walter-Borjans tritt nicht mehr als SPD-Chef an

Norbert Walter-Borjans
Norbert Walter-Borjans will auf dem nächsten SPD-Parteitag nach Informationen der Rheinischen Post nicht mehr zur Wahl als Parteivorsitzender antreten. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa
Es war eine Überraschung, als Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken SPD-Vorsitzende wurden. Jetzt platzt die Ankündigung des Rückzugs von Walter-Borjans in die Regierungsbildung. Die Nachfolge ist offen.

Berlin/Rom (dpa) - Mitten in den Koalitionsverhandlungen hat SPD-Chef Norbert Walter-Borjans seinen Rückzug von der Parteispitze angekündigt. Der 69-Jährige will sich beim Parteitag im Dezember nicht erneut um den Parteivorsitz bewerben.

«Jetzt sollen mal Jüngere ran», sagte Walter-Borjans der «Rheinischen Post». Die Nachfolge blieb am Freitag unklar. Kanzlerkandidat Olaf Scholz will nicht an die SPD-Spitze rücken, wie er am Rande von Beratungen der G20-Staaten in Rom deutlich machte. Die SPD werde darüber gemeinsam entscheiden. «Das ist keine schwierige Aufgabe», sagte Scholz. «Klar ist aber auch, dass ich mich auf das konzentriere, wofür ich von den Bürgerinnen und Bürgern einen Auftrag bekommen habe, nämlich eine Regierung zu bilden. Und der nächste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden.»

Walter-Borjans sagte: «Für mich war mit dem Vorsitz von vornherein keine weitere Karriereplanung verbunden, sondern das Ziel, die Partei auf Kurs zu bringen.» In einem Rundschreiben an die Vorstandsmitglieder drückte der frühere NRW-Finanzminister Genugtuung aus. Er habe das Gefühl, «mit dazu beigetragen zu haben, dass es gut läuft», so Walter-Borjans. «Neudeutsch ausgedrückt: Mission accomplished.» Planmäßig neu gewählt wird die SPD-Spitze bei einem Parteitag vom 10. bis 12. Dezember.

Die Co-Parteichefin Saskia Esken hatte angekündigt, dass sie eine weitere Amtszeit anstrebe. «Für mich kann ich sagen, ich habe noch eine Agenda vor mir», hatte Esken im August in einem Interview gesagt. Nun dankte die Baden-Württembergerin dem Rheinländer: «Lieber Norbert, ich bin Dir unendlich dankbar für die gemeinsame Zeit!» Die SPD werde ihren Weg in den Koalitionsverhandlungen zu einem guten Erfolg führen.

Als ein möglicher Anwärter für den Vorsitz gilt Generalsekretär Lars Klingbeil, unter dessen Leitung die SPD-Wahlkampagne die Partei zum Sieg führte. Der Niedersachse gilt aber auch als möglicher Kandidat für einen Ministerposten. Auch der frühere Juso-Chef und SPD-Vize Kevin Kühnert wird immer wieder genannt, gilt aber manchen in der Partei noch mangels weiterer früherer Ämter als zu unerfahren.

Laut Satzung könnte die SPD nach zwei Jahren aber auch wieder von der Doppel- zu einer einfachen Spitze zurückkehren. Doch wird dies in der Partei für weniger wahrscheinlich gehalten. So oder so: Scholz gilt bei den Sozialdemokraten ohnehin als heimlicher Chef, seit der 63-Jährige im Wahlkampf in der Beliebtheit an den Mitbewerbern vorbeigezogen war. Erst infolge dessen überwand die Partei ihr jahrelanges Tief, in dessen Verlauf die frühere Parteichefin Andrea Nahles im Juni 2019 zurückgetreten war.

Eine Voraussetzung für den SPD-Erfolg war, dass sich die Partei geschlossen hinter Scholz versammelte. Dies gilt auch als Erfolg von Walter-Borjans und Esken. «Wir haben in dieser Zeit gezeigt, dass wir zusammenhalten und mit sozialdemokratischer Politik erfolgreich sein können», sagte Walter-Borjans. «Wir sind nach vielen Jahren wieder die führende Größe in der deutschen Politik.»

Scholz bezeichnete Walter-Borjans in Rom als guten Freund und dankte ihm und Esken. «Wir haben alle eng zusammengearbeitet, um hier möglich zu machen, dass die SPD einen Wahlerfolg erreicht.» Er wolle nicht verhehlen: «Wir freuen uns immer noch, dass das Wahlergebnis so ausgefallen ist.»

Vor der Wahl hatte Scholz in Interviews deutlich gemacht, dass er keine Änderung an der SPD-Spitze anstrebe. Nun deutete er an, dass ihn der Schritt von Walter-Borjans nicht überrascht habe. Gleichwohl müsse die Entscheidung nun erst einmal zur Kenntnis genommen werden.

Walter-Borjans selbst sagte über die Nachfolge nur, dass die Parteiführung nicht ins neue Kabinett gehen solle. «Ein Regierungsmitglied als Parteichefin oder Parteichef ist notwendigerweise immer ein Stück Regierungssprecher.» Die Arbeitsteilung zwischen Parteivorsitz und Regierungsamt habe sich bewährt.

Walter-Borjans war 2019 gemeinsam mit Saskia Esken bei den SPD-Mitgliedern als Sieger einer aufwendigen Kandidatenkür hervorgegangen. Der frühere NRW-Finanzminister und die bis dahin einer breiteren Öffentlichkeit unbekannte Abgeordnete hatten in einer Stichwahl im November 2019 die Mitbewerber Olaf Scholz und die Brandenburger Politikerin Klara Geywitz aus dem Feld geschlagen. Auf einem Parteitag wurden Esken und Walter-Borjans eine Woche drauf bestätigt - mit 75,9 beziehungsweise 89,2 Prozent.

Auch weitere SPD-Politiker bedankten sich bei Walter-Borjans. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte: «Mit seiner Ruhe, seiner Erfahrung und seiner Zugewandtheit konnte die Partei zu einer sehr geschlossenen Formation werden. Er hat der SPD sehr gut getan.» Ähnlich äußerte sich Klingbeil. «Wir haben mit dir und @EskenSaskia aus der SPD ein Team geformt und unsere Partei wieder erfolgreich gemacht», twitterte er.

Der SPD-Politiker Ralf Stegner forderte eine weitere Trennung von Partei- und Regierungsämtern: «Es stärkt die dauerhaft notwendige Orientierungsfunktion der sozialdemokratischen Parteiführung», sagte er dem «Handelsblatt».

© dpa-infocom, dpa:211029-99-783948/8

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