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Finanzen
Reicht das Geld für die Ampel-Pläne?

Christian Lindner
Christian Lindner bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages. Die FDP hat den Poker um das Finanzministerium gewonnen. Foto: Michael Kappeler/dpa
Das Finanz-Kapitel soll bis zuletzt eines der umstrittensten gewesen sein. Am Ende beschließt die Ampel dann doch viel Erwartbares. Die Zweifel bleiben: Geht die Rechnung wirklich auf?

Berlin (dpa) - Es scheint wie die Quadratur des Kreises: Milliarden Euro mehr ausgeben für Klimaschutz, quasi eine Revolution der Wirtschaft. Gleichzeitig keine Schulden machen - und weder von Bürgern noch von Unternehmen mehr Steuern verlangen.

Doch SPD, Grüne und FDP glauben, dass diese Rechnung aufgehen kann. Sie seien sich sicher, alle geplanten Investitionen stemmen zu können, sagt der voraussichtlich künftige Kanzler Olaf Scholz (SPD). Noch ist er Finanzminister und man sollte meinen, er müsse es wissen. Doch wie wollen die Ampel-Parteien ihr Finanzproblem lösen - und was kommt dabei vielleicht doch auf die Bürger zu?

Im Koalitionsvertrag (Überschrift «Mehr Fortschritt wagen») ist das Finanzkapitel das letzte große - wie meist, denn am Ende sind alle Pläne nichtig, wenn kein Geld da ist. Da machen die Koalitionäre in spe als erstes klar: Nicht nur der Staat muss kräftig investieren, sondern auch die Privatwirtschaft. Der Bund soll diese Investitionen zwar fördern, aber letztlich nur einen Teil der Last tragen.

2023 soll die Schuldenbremse wieder greifen

Doch das allein dürfte schwierig genug werden. Denn vor allem die FDP hat darauf gedrungen, dass der Bund bald keine Schulden mehr aufnimmt. Im kommenden Jahr, das räumen sie ein, werde das wegen der Corona-Krise noch nichts, aber 2023 soll die Schuldenbremse wieder greifen.

Eine schwarze Null, also einen ausgeglichenen Haushalt, nimmt man sich erstmal aber nicht vor. Die Schuldenregel erlaubt Kredite über 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung. Im Vor-Corona-Jahr 2019 wären das rund 12 Milliarden Euro gewesen.

Außerdem wenden die Finanzpolitiker der Ampel Tricks an: Staatliche Unternehmen wie die Bahn oder die Infrastrukturgesellschaft Bima sollen mehr investieren. Ihre Kredite zählen bei der Schuldenbremse nicht. Dazu kommen neue Berechnungsmethoden im Bundeshaushalt, die dafür sorgen, dass unter dem Strich weniger Schulden stehen.

Für die großen Finanzierungsvorhaben der Ampel wird das alles wohl aber genauso wenig reichen wie das erwartete Milliardenplus bei den Steuereinnahmen. Wo soll das Geld also herkommen?

Keine Steuererhöhnungen für die Bürger geplant

Nicht jedenfalls pauschal von den Bürgern. Steuererhöhungen sind nicht geplant. Es wird aber absehbar wohl auch keine größeren Entlastungen geben. Von der von SPD und Grünen versprochenen steuerlichen Umverteilung weg von den Reichen hin zu den Geringverdienern ist längst keine Rede mehr. Die FDP hatte eine stärkere Belastung vor allem für kleine Unternehmen ausgeschlossen und damit unter anderem eine Vermögensteuer blockiert.

Da bleibt es auch kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, dass Arbeitnehmer auch 2022 noch die Homeoffice-Pauschale bei der Steuererklärung angeben dürfen. 600 Euro im Jahr kann das ausmachen - allerdings profitiert nur, wer bei den Werbungskosten über der ohnehin geltenden Pauschale von 1000 Euro liegt.

Einige Subventionen sollen gestrichen werden

Mancher Autofahrer dagegen könnte schmerzlich zu spüren bekommen, wenn die Förderung für Elektroautos Stück für Stück abgeschmolzen wird. Ab 2025 soll es beim Kauf eines solchen Wagens nichts mehr extra geben. Denn, so das Argument, dann sollen Elektroautos eigentlich fast Standard sein.

Die Ampel hat sich vorgenommen, einige solcher Subventionen zu streichen, damit der Bund weniger Ausgaben hat. Das Motto: Wenn schon nicht mehr reinkommt, muss man halt sparen. Für die gesamte Legislaturperiode sollen alle Ausgaben auf den Prüfstand kommen. Ein wenig wird man außerdem auf das Prinzip Hoffnung setzen: Dass sich die Wirtschaft schnell erholt, die Steuereinnahmen steigen, wie das nach der Finanzkrise 2009/2010 schon einmal funktionierte.

«Wir haben uns das genau angeguckt. Wir wissen genau, was wir wollen. Wir wissen genau, wie wir das bezahlen», sagt Grünen-Chef Robert Habeck. Eigentlich, so hörte man zwischendurch immer wieder, wollte er gern Finanzminister werden. Doch auch FDP-Chef Christian Lindner drängte darauf. Schon lange bevor es am Mittwoch im Koalitionsvertrag stand, war klar: Die FDP gewinnt diesen Poker um Posten - genau wie man in vielen der Finanz-Kompromisse ihre Handschrift erkennt.

Warum Lindner dieses Ministerium unbedingt wollte, ist leicht zu erahnen. Der Finanzminister hat so viel Macht wie kaum ein anderes Mitglied der Bundesregierung. Alle Vorhaben aller Ministerien gehen über seinen Tisch. Er kann alles stoppen, was finanzielle Konsequenzen hat. Ein ähnliches Widerspruchsrecht haben sonst nur Innen- und Justizminister. Mit der Aufstellung des Bundeshaushalts gibt das Finanzministerium die Grundlinie für alle Investitionen vor.

Außerdem ist es der Weg der FDP auf die internationale Bühne. Mit den Ministern für Justiz, Verkehr und Bildung ist die Partei sonst eher innenpolitisch unterwegs, der Finanzminister jedoch ist eingebunden in die großen G7- und G20-Treffen, in die europäische Wirtschafts- und Währungspolitik. Lindner schielt auf die Weltbühne.

© dpa-infocom, dpa:211124-99-129386/3

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