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EU-Kommissionspräsidentschaft
Schily kritisiert SPD-Vorbehalte gegen von der Leyen

Otto Schily
Otto Schily war von 1998 bis 2005 Bundesinnenminister. Foto: Jörg Carstensen/Archiv
Ursula von der Leyen will sich am Dienstag zur EU-Kommissionspräsidentin wählen lassen. Doch das wird kein Selbstläufer, auch wegen SPD-Widerstand. Der frühere Innenminister Schily teilt gegen die Genossen aus.

Berlin (dpa) – Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily hat den Widerstand aus seiner SPD gegen die Wahl Ursula von der Leyens (CDU) zur EU-Kommissionspräsidentin scharf kritisiert.

Die Verteidigungsministerin sei «eine hochkompetente, intelligente, welterfahrene Politikerin, die wirklich alle Qualitäten mitbringt, die für eine Kommissionspräsidentin entscheidend sind», sagte Schily der «Welt am Sonntag». Die SPD solle an die Stabilität Europas denken und sich «nicht an engstirnigen parteipolitischen Interessen orientieren».

Die Abstimmung über ihre Kandidatur als EU-Kommissionspräsidentin wird für von der Leyen zur Zitterpartie. Die Fraktionen der Sozialdemokraten und Liberalen im EU-Parlament wollen sich erst kurz vor der Wahl am Dienstag festlegen, ob sie der CDU-Politikerin zur Mehrheit verhelfen.

Die deutsche Verteidigungsministerin war Anfang Juli von den EU-Staats- und Regierungschefs nominiert worden. Sie braucht zur Bestätigung im Europäischen Parlament nach jetzigem Stand Stimmen von 374 der derzeit 747 Abgeordneten. Unterstützung hat ihre eigene Parteienfamilie zugesagt, die Europäische Volkspartei. Die Grünen und die Linken haben bereits abgesagt, die 16 SPD-Abgeordneten ebenfalls. Sozialdemokraten aus anderen EU-Staaten sowie die Liberalen machen ihre Entscheidung von der Reaktion auf Forderungskataloge an von der Leyen abhängig.

Die SPD ist wegen von der Leyens überraschender Nominierung aufgebracht. Sie sieht damit das Spitzenkandidatensystem und die Demokratie beschädigt. Die Sozialdemokraten bemängelten aber auch, dass von der Leyen bei ihrer Vorstellung in der Fraktion inhaltlich vage geblieben sei.

Auf die Frage, ob er glaube, dass den den SPD-Politikern mit Blick auf mögliche schwerwiegende Folgen für Europa klar sei, dass sie mit dem Feuer spielten, sagte Schily: «Ich weiß nicht, was in diesen Köpfen derzeit vorgeht und ob sie, bevor sie öffentlich sprechen, gründlich genug nachgedacht haben.» Die SPD sei in einem schwierigen Zustand. «Ich will das jetzt nicht psychologisch deuten, aber sie hat gegenwärtig nicht die innere Festigkeit, solche Fragen kühl zu diskutieren. Selbst in ihrem eigenen parteipolitischen Interesse müsste sie für Frau von der Leyen stimmen, weil sie damit sichtbar einen Beitrag zur Stabilisierung Europas leisten und damit auch der EU-Kommission den notwendigen politischen Rückhalt verschaffen würde.

Der 86-jährige Schily war von 1998 bis 2005 Bundesinnenminister. Nach dem Ende seiner Ministerzeit saß der Rechtsanwalt noch bis 2009 im Bundestag.

Auch Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) prangerte die Blockadehaltung der SPD gegen die Wahl von der Leyens an. «Wir haben eine Kandidatin mit großer außenpolitischer Erfahrung, die auf dem Zettel vieler Staats- und Regierungschefs stand, auch von Sozialisten», sagte sie dem «Tagesspiegel am Sonntag». «Nur die drei SPD-Vorsitzenden in Deutschland sagen trotzig Nein. Damit erweist man weder Deutschland noch Europa einen Dienst.»

Der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) warnte davor, dass Europa seine Arbeitsfähigkeit auf Spiel setze, wenn es sich «im Klein-Klein der Kritik an den eigenen Prozeduren verliert. Die USA und China warten nicht auf uns.»

Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel kritisierte dagegen den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban für ihre Rolle bei der Nominierung von der Leyens. Ihr «Hinterzimmer-Deal» habe Europa der Lächerlichkeit preisgegeben, sagte Gabriel der «Bild am Sonntag». «Ich fand das wirklich ein Bubenstück, das da aufgeführt wurde. Ausländische Staats- und Regierungschefs wie Macron und Viktor Orbán haben de facto darüber entschieden, wer aus Deutschland in die EU-Kommission kommt.»

Positive Signale für von der Leyen kamen derweil von rechten EU-Kritikern. So hatte sich zuletzt die rechtsnationale Fraktion EKR mit 62 Sitzen offen gezeigt, wenn auch noch nicht festgelegt. Stärkste Kraft in der EKR ist die polnische Regierungspartei PiS, die seit Jahren mit der EU-Kommission über Rechtsstaatlichkeit streitet. Man werde zwar nicht in allen Punkten mit von der Leyen übereinstimmen, hatte ein Fraktionssprecher am Freitag gesagt. Aber: «Wir müssen pragmatisch sein.» Bis Dienstag werde man sich das überlegen. Mit ähnlichen Ansagen halten sich bisher auch die rechte Lega und die populistische Fünf-Sterne-Bewegung aus Italien ihr Votum offen.

Der Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei in Europa (SPE), Achim Post, forderte von der Leyen auf, unmissverständlich zu erklären, dass sie keinesfalls mit den Stimmen von Rechten und Rechtsnationalen aus Ungarn, Polen oder Italien gewählt werden wolle. Eine Mehrheit ohne Stimmen aus dem Rechten Lager sieht Post aber auch nicht, wie er im «Tagesspiegel» (Samstag) schrieb.