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«Innen alles kaputt»
Schmerzensgeldprozess um Germanwings-Absturz

Schmerzensgeldprozess um Germanwings-Absturz
Der Angehörige Klaus Radner aus Düsseldorf (r) und die Angehörige Petra Hahn (l) im Landgericht. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
Beim Absturz einer Germanwings-Maschine starben vor rund fünf Jahren alle 150 Insassen. Jetzt wird am Essener Landgericht erstmals über Schmerzensgeldklagen von Hinterbliebenen verhandelt.

Essen (dpa) - Der Schmerz ist immer noch unfassbar groß. Als am Mittwoch am Essener Landgericht erstmals über die Schmerzensgeld-Forderungen von Hinterbliebenen des Germanwings-Absturzes von März 2015 verhandelt wird, sind viele der Angehörigen schon Stunden vor der Verhandlung erschienen.

Darunter auch eine Frau aus Haltern am See, die bei dem Absturz ihre einzige Tochter verloren hat. «Nach außen lebt man weiter, innen ist alles kaputt», sagt sie.

Es ist eine Mischung aus Ohnmacht, Wut und Traurigkeit, die bei den Angehörigen zu spüren ist. Vor Gericht geht es zwar ums Geld, doch das sei gar nicht der Hauptgrund, warum sie die Lufthansa verklagt haben. «Mir ist es wichtig, dass jemand sagt, dass ein Mensch mit Vorerkrankungen nie in einem Cockpit hätte sitzen dürfen», sagt Klaus Radner, der bei dem Unglück seine Tochter, deren Partner und seinen Enkelsohn verloren hat. «Mir würde es reichen, dass die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden.»

Die Schuldigen? Klägeranwalt Elmar Giemulla aus Berlin hat dabei unter anderem eine Lufthansa-Flugschule in den USA im Visier. Dort hatte der Copilot der Maschine seine Ausbildung beendet - wegen mutmaßlicher Depressionen allerdings nur mit einer Sondergenehmigung. Deshalb müsse auch die Verantwortung der Fliegerärzte geprüft werden.

Große Hoffnungen auf Antworten durch das Gericht können sich die Kläger aber wohl nicht machen: Die Richter haben bereits signalisiert, dass die Lufthansa möglicherweise der falsche Adressat der Klagen sein könnte. Die medizinische Überwachungspflicht könne auch Aufgabe des Staates sein, hieß es im Prozess. «Wir neigen nach derzeitigem Stand dazu, die Tauglichkeitszeugnisse dem Luftfahrtbundesamt zuzuschreiben», so Richter Lars Theissen. Ihre endgültige Entscheidung wollen die Richter der 16. Zivilkammer am 1. Juli verkünden.

Die Lufthansa hatte nach dem Unglück bereits Zahlungen geleistet. Nach früheren Angaben der Fluggesellschaft erhielten nächste Angehörige pro Person 10 000 Euro Schmerzensgeld, für jedes Todesopfer sollen außerdem 25 000 Euro als sogenanntes vererbbares Schmerzensgeld gezahlt worden sein. Laut Giemulla sind diese Summen jedoch zu gering. Geklagt wird auf Zahlung von weiteren 30 000 für die Angehörigen und auf eine Verdoppelung des vererbbaren Schmerzensgeldes auf insgesamt 50 000 Euro.

«Das Trauma der Angehörigen sitzt tief», so Giemulla am Rande des Prozesses. Die Menschen würden das ihr Leben lang nicht vergessen können. «Mit dieser Bürde zu leben, verlangt eine Entschädigung. Eine zu geringe Entschädigung ist aber keine Entschädigung - es ist eine Beleidigung.»

Aus Sicht der Lufthansa besteht kein weiterer Anspruch. «Der Inhalt medizinischer Probleme ist dem Unternehmen nicht bekannt - allein schon wegen der Schweigepflicht der Ärzte», so Anwalt Rainer Büsken. «Dass so ein Unglück passiert, war in keinster Weise vorhersehbar.»

Der den Ermittlungen zufolge psychisch kranke Copilot soll den Airbus am 24. März absichtlich gegen einen Berg in Frankreich gesteuert haben. Dabei kamen alle 150 Insassen ums Leben, darunter auch 16 Schüler und zwei Lehrer eines Gymnasiums aus Haltern am See im Kreis Recklinghausen. «Wütend bin ich gar nicht mehr», sagte eine der Klägerinnen. «Dazu fehlt mir die Kraft.»