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Extremismus
Senator: Islamistischer Anschlag in Hamburg verhindert

Pressekonferenz
Claus Cortnumme, Leiter des polizeilichen Staatsschutzes, bei einer Pressekonferenz von Generalstaatsanwaltschaft und Polizei. Foto: Georg Wendt/dpa
20 Jahre nach den Anschlägen vom 11. September ist Hamburg offenbar einem Terrorakt entgangen. Ein junger Islamist war laut Polizei schon weit mit seinen Vorbereitungen, als die Handschellen klickten.

Hamburg (dpa) - Die Hamburger Sicherheitsbehörden haben nach eigenen Angaben einen islamistischen Terroranschlag in der Hansestadt verhindert. Am 26. August habe die Polizei einen 20 Jahre alten Deutsch-Marokkaner verhaftet, sagte Innensenator Andy Grote (SPD).

«Wir haben es hier mit einem sehr, sehr ernsthaften Vorgang zu tun.» Laut dem Hamburger Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich werden Erinnerungen an die Terroranschläge vom 11. September 2001 wach.

Der Mann hatte den Angaben zufolge versucht, im Darknet eine russische Makarow-Pistole mit 50 Schuss und eine Handgranate zu kaufen und war dabei an einen verdeckten Ermittler geraten. Der Übergabeort sollte der Parkplatz eines Schnellrestaurants an der Kieler Straße in Hamburg sein. Dort sei der Mann dann verhaftet worden.

Chemikalien für Bombenbau

Bei der Durchsuchung einer von ihm genutzten Wohnung in Hamburg-Rahlstedt seien Chemikalien für den Bau eines Sprengsatzes gefunden worden, sagte Grote - darunter ein Kilogramm Kaliumnitrat, ein Kilogramm Schwefel und ein halbes Kilo Holzkohlestaub sowie mehrere Hundert Schrauben und Muttern. Nach Polizeiangaben hätte eine solche Bombe «erhebliche oder sogar tödlicher Verletzungen» verursachen können.

Sohn eines bekannten Islamisten

Der 20-Jährige, der seit seiner Festnahme in Hamburg in Untersuchungshaft sitzt, sei der Sohn eines den Hamburger Behörden seit langem bekannten Islamisten, sagte der Leiter der Staatsschutzabteilung im Landeskriminalamt (LKA), Claus Cortnumme. Der marokkanische Vater sei ein Mitverantwortlicher der Al-Quds-Moschee gewesen, in der sich vor den Anschlägen vom 11. September 2001 die Angehörigen der Hamburger Terrorzelle um Mohammed Atta getroffen hatten.

Dem 20-Jährigen werden die versuchte Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und der versuchte Erwerb einer Kriegswaffe vorgeworfen. Bei einer Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht drohe dem Beschuldigten eine Haftstrafe bis zu zehn Jahren, sagte Fröhlich. Der Beschuldigte habe sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert.

2016 war die Familie den Angaben zufolge von Hamburg-Billstedt nach Marokko gezogen, wo der jetzt Festgenommene seinen Schulabschluss machte. Im Herbst vergangenen Jahres kehrte er nach Deutschland zurück und nahm an einem Studienkolleg in Wismar teil. Diesen auf ein Studium vorbereitenden Kurs habe der 20-Jährige nicht bestanden. Zeugen hätten ihn als introvertierten Einzelgänger beschrieben, der regelmäßig die Moschee besuchte und nicht mit Frauen sprach.

Der junge Mann habe sich nach Auswertung sichergestellter Datenträger ausgiebig mit Waffen, Sprengstoff und Giften beschäftigt, sagte Cortnumme. Auch habe er sich mit Anschlagsplanungen, dem islamistischen Dschihad und dem Märtyrertod auseinandergesetzt. Aufmerksam sei man auf ihn geworden, als er Anfang des Jahres zur islamistischen Szene in einer Harburger Moschee Kontakt aufnahm. Die Behörden hätten Tipps aus dem islamistischen Umfeld erhalten, berichtete Fröhlich. Die polizeilichen Staatsschützer hätten auch mit Kollegen vom Landesamt für Verfassungsschutz zusammengearbeitet.

Am vergangenen Mittwoch hätten Ermittler in mehreren Bundesländern 16 Wohnungen von Kontaktpersonen des Beschuldigten durchsucht, berichtete Fröhlich. Insgesamt 130 Ermittler seien im Einsatz gewesen. In den Wohnungen in Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg seien Handys, Tablets, Notebooks und Speichermedien sichergestellt worden. Die Auswertung laufe noch.

Bislang gebe es keine Hinweise darauf, wann und wo der Beschuldigte den Anschlag mutmaßlich verüben wollte, sagte LKA-Chef Mirko Streiber. Auch gebe es keine Hinweise auf mögliche Mittäter. Bislang habe der Generalbundesanwalt den Fall noch nicht an sich gezogen, sagte Fröhlich. Seine Behörde erwarte eine Entscheidung des Karlsruher Chefermittlers in der kommenden Woche.

© dpa-infocom, dpa:211210-99-334929/2