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Prozess in Gera
Soldatin zu Sex gezwungen? - Hauptfeldwebel schweigt

Verdachtsfälle sexueller Übergriffe
Prozess in Gera: Hauptfeldwebel soll Soldatin zu Sex gezwungen haben. Foto: Jan Woitas/zb/dpa
Ein Hauptfeldwebel der Bundeswehr soll in Gera bei zwei Soldatinnen sexuell übergriffig geworden sein. Ihm wird auch Vergewaltigung vorgeworfen. Deswegen steht er nun vor Gericht. Sind solche Vorfälle bei der Bundeswehr häufiger als im Rest der Gesellschaft?

Gera (dpa) - Auf das Beziehungs-Aus folgten die Drohungen: Ein Hauptfeldwebel der Bundeswehr soll eine Kameradin mit der Weitergabe von Intimfotos an ihren Partner gedroht und Sex von ihr verlangt haben.

Dazu kam es dann laut Anklage im Keller des Stabsgebäudes der Geraer Pionierkaserne. Seit Donnerstag muss sich der 46-Jährige nun unter anderem wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung vor dem Amtsgericht Gera verantworten. Am ersten Verhandlungstag hüllte er sich allerdings zu den Vorwürfen in Schweigen.

Die Fotos waren laut Anklage während einer Beziehung der beiden entstanden und zeigen die Frau nicht nur in Unterwäsche, sondern auch nackt. Auch gegenüber einer anderen Soldatin soll er übergriffig geworden sein. So habe er sie festgehalten, gegen ihren Willen auf den Mund geküsst und gesagt «Du willst es doch auch», heißt es in der Anklageschrift. Ein anderes Mal soll er ihre Hand an sein bedecktes Genital geführt haben. Der 46-Jährige ist eigenen Angaben nach wegen der Vorfälle von 2017 vorläufig vom Dienst suspendiert.

In den vergangenen Jahren sind vermehrt Verdachtsfälle auf sexuelle Übergriffe innerhalb der Bundeswehr gemeldet worden. Wurden 2014 noch 64 bekannt, waren es im vergangenen Jahr 345, wie die Wehrbeauftragte des Bundestages Eva Högl auf dpa-Anfrage mitteilte. Dieses Jahr zeichne sich ein Rückgang ab - bisher seien es 131. Högl: «Dies könnte coronabedingt sein: vermehrtes Homeoffice, keine Feiern mit Alkohol.» Und nicht in jedem Fall bestätigt sich der Verdacht.

Einige Beispiele lassen sich im Bericht für 2019 nachlesen. So habe ein Feldwebelanwärter eine Kameradin vor Zeugen als Hure bezeichnet und behauptet, sie verbreite Geschlechtskrankheiten und feiere Gruppensex-Partys. Er wurde entlassen. In einem anderen Fall hat ein Soldat seiner Kollegin Videosequenzen seiner masturbierenden Ehefrau gezeigt sowie ein Foto seines erigierten Penis. Die Folge: Er musste ein Bußgeld von 1500 Euro zahlen.

Auch gegen den in Gera angeklagten Hauptfeldwebel hatte es zuvor schon ein Disziplinarverfahren wegen sexueller Belästigungen gegeben, wie im Prozess bekannt wurde. Daraufhin war er erst nach Ostthüringen versetzt worden. Fragen warfen vor Gericht allerdings auch Chat-Nachrichten der beiden Frauen auf, die durchaus «sexuell stimulierend» gedeutet werden könnten, wie Richter Siegfried Christ sagte. Die beiden Soldatinnen sollen am kommenden Donnerstag als Zeuginnen vor Gericht gehört werden.

Gibt es in der lange männlich dominierten Bundeswehr Strukturen, die solche Übergriffe begünstigen? Högl sieht das nicht. «Feststellen kann man lediglich, dass es bei erhöhtem Alkoholkonsum - wie auch im Rest der Gesellschaft - zu vermehrten sexuellen Belästigungen kommt», erklärte sie. «Außerdem werden viele Taten in oder nach einer Beziehung verübt.» Generell gebe es in der Bundeswehr inzwischen in vielen Bereichen einen sensibleren Umgang mit Vorwürfen der sexuellen Belästigung. Högl: «Heute werden solche Vorkommnisse grundsätzlich gemeldet, auch dürfte die Anzeigenbereitschaft der Betroffenen höher sein.»

© dpa-infocom, dpa:200820-99-233915/5

Jahresbericht des Wehrbeauftragten 2019