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Debatte um Steuersenkungen
Solidarität statt Streit: Union bemüht um Geschlossenheit

Markus Söder
Bayerns Ministerpräsident Söder zeigte sich «verwundert» über Laschets Aussagen zu Steuersenkungen. Foto: Sven Hoppe/dpa
Nach der Flutkatastrophe hat der Kanzlerkandidat Laschet offiziell erstmal Pause. Jetzt ist Krisenmanagent als Ministerpräsident gefordert. Von der CSU erhält er dafür etwas, was es lange nicht gab.

Seeon (dpa) - Am Ende hat Armin Laschet keine Wahl. Angesichts der dramatischen Hochwasserlage in Nordrhein-Westfalen muss der CDU-Chef seinen mit Spannung erwarteten Besuch bei der CSU-Klausur im idyllischen Kloster Seeon kurzfristig absagen.

Stattdessen zieht es ihn in die von den Fluten besonders betroffenen Regionen. Wie sehr der Unionskanzlerkandidat auch in dieser Krise unter Beobachtung steht, zeigt sich in der Stadt Hagen, wo Laschet betonen muss, dass er seinen Besuch in den Hochwasser-Katastrophengebieten nicht für wahlkampfträchtige Bilder nutzen wolle.

In der Folge geschieht etwas, was es in der CSU so schon lange nicht gegeben hat: Offiziell wie unter der Hand wird Laschet gelobt. «Deswegen war für uns auch klar, dass Armin Laschet heute bei seinen Menschen in seinem Land sein muss. Das wäre jetzt ehrlich gesagt auch unangemessen gewesen, jetzt hier bei uns zu diskutieren», sagt etwa CSU-Chef Markus Söder. Auf den Fluren im Kloster klingt es noch deutlicher: «Alles andere als eine Absage wäre einem politischen Selbstmord gleichgekommen.» Bei Hochwasser müsse ein Ministerpräsident in die Gummistiefel steigen.

Auch wenn es die von den Wahlstrategen von langer Hand geplanten schönen Bilder aus dem oberbayerischen Kloster samt Zwiebeltürmchen damit an diesem Tag nicht gibt, kommt die Absage des Kanzlerkandidaten auch unionsintern gar nicht so ungelegen. So können CDU und CSU ihre seit Tagen öffentlich ausgetragene Debatte um Steuerentlastungen nach der Bundestagswahl unauffällig beenden.

Debatte um Steuerentlastungen

Denn die von Medien wie auch der CSU mit Spannung erwartete Aussprache mit Laschet samt anschließender Pressekonferenz fällt aus. Stattdessen verkündet Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nach einem kurzen Telefonat mit Laschet: «Wir sind uns einig darüber, dass Entlastungen Schritt für Schritt, wie sie im Wahlprogramm auch vorgesehen werden, umgesetzt werden können in einer nächsten Wahlperiode.» Das betreffe die Entlastung von Familien, von Alleinerziehenden, und das betreffe auch Unternehmensentlastungen.

Im August soll es einen Nachholtermin für das Treffen von Laschet und der Landesgruppe geben. Dann wird auch das CSU-eigene Wahlprogramm beschlossene Sache sein - mitsamt aller Forderungen nach Steuerentlastungen und Mütterrente.

Angesichts der plötzlich schnellen Einigung auf eine gemeinsame Sprachregelung am Telefon stellt sich aber auch die Frage, warum die CSU das Gespräch nicht bereits Tage vorher gesucht hatte. CDU und CSU bezeichnen sich ja gerne als Familie. Doch was sagt es über eine Familie aus, wenn Meinungsverschiedenheiten zunächst öffentlich beklagt und nicht intern gelöst werden? Zur Erinnerung: Bereits am vergangenen Sonntag hatte Laschet im ARD-Sommerinterview erklärt, dass «im Moment» keine Spielräume für Steuersenkungen da seien.

Wie viel Einigkeit herrscht wirklich?

Die CSU wittert in der Debatte sofort auch eine Chance zur Profilierung und sucht die Flucht nach vorne. Immer mehr Forderungen zu konkreten Entlastungen für Familien und Alleinerziehende mit kleinen und mittleren Einkommen finden kurzerhand den Weg an die Öffentlichkeit. Dobrindt gibt gar ein «Entlastungsversprechen» ab: dass die CSU im Falle einer erfolgreichen Wahl in der Koalition für Steuersenkungen für Familien wie Alleinerziehende mit kleinen und mittleren Einkommen kämpfen werde.

Zugleich zeigt die Debatte einmal mehr, dass es in der Union weiter kein blindes Vertrauen und Geschlossenheit gibt. Genau das braucht die Union aber und genau das muss sie für die Wähler ausstrahlen, will sie nach dem Ende der Ära von Angela Merkel (CDU) am 26. September das Kanzleramt gegen Grüne wie SPD verteidigen.

Auch wenn die Union in Umfragen mit Werten zwischen 28 und 30 Prozent klar vor der Konkurrenz liegt, kann die Wahl am Ende dennoch schief gehen: Sollten etwa Grüne, SPD und FDP eine Ampelkoalition bilden können, könnten sich CDU und CSU nach 16 Jahren wieder auf den unbequemen Oppositionsbänken wiederfinden - stärkste Kraft hin oder her. Gleiches wäre auch denkbar, wenn ein Bündnis von Grünen, SPD und Linken eine Chance auf eine stabile Regierungsbildung hätte.

Weitere Regierungsbeteiligung noch nicht in trockenen Tüchern

Knapp zweieinhalb Monate vor der Wahl zeigen die Umfragen, wie offen das Rennen ist. Union und Grüne kommen als Zweierbündnis auf 45 bis 49 Prozent. Eine sichere Mehrheit hätte diese Regierung aber erst mit der FDP - doch ob sich Grüne und Liberale auf eine Jamaika-Koalition einlassen würden, wenn auch andere Bündnisse ohne die Union möglich wären, ist offen. Genau aus diesem Grund hat die Union wiederholt viele Sympathien für eine «Deutschland-Koalition», also ein Bündnis von Union, SPD und FDP, verkündet. «Es muss eine Regierungsoption ohne die Grünen geben», betonte Dobrindt auf der Klausur.

Für Laschet, Söder und die beiden Schwesterparteien gibt es also noch viel Arbeit und eine gehörige Portion Ungewissheit. Nicht nur, weil sie kaum darauf setzen können, dass gerade die Grünen als größte Konkurrenz auch in den kommenden knapp zehn Wochen durch eigene strategische Fehler oder gezielte Kampagnen ins Straucheln geraten.

«Das läuft jetzt nicht von selbst bis zum Wahltag», sagt Söder in Seeon. Der Aufwärtstrend müsse weitergehen, und zwar mit eigener Leistung, mit eigenen Ideen, mit eigenem Antrieb, mit eigenem Schwung. Aber selbst wenn es Söder und Laschet gelingen sollte, den Nachholtermin im August ohne Streit zu beenden, wissen auch die größten Optimisten in der Union: Das alleine wird nicht ausreichen.

© dpa-infocom, dpa:210715-99-397728/3