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Konservative Gruppe
Spaltungstendenzen in der Werte-Union

Max Otte
Innerhalb der Werte-Union hat die knappe Wahl Max Ottes großen Streit ausgelöst. Foto: Karlheinz Schindler/dpa-Zentralbild/dpa
Werte-Union
Jahrestagung der Werte-Union in Filderstadt. Die WerteUnion ist eine konservative Gruppierung innerhalb von CDU und CSU. (Archivbild). Foto: Christoph Schmidt/dpa
Mit schriller Dauerkritik an Merkel hat die Werte-Union immer wieder für Aufmerksamkeit gesorgt. Mit dem neuen Bundeschef Max Otte drifte die Gruppe nach rechts, finden seine Gegner und wenden sich ab. Ihn selbst schreckt das nicht.

Berlin/Stuttgart (dpa) - Die ultrakonservative Werte-Union zeigt nach der umstrittenen Wahl des Ökonomen Max Otte zum neuen Bundeschef immer stärkere Auflösungserscheinungen.

Nach den Landesvorständen in Hessen und Rheinland-Pfalz trat auch in Baden-Württemberg fast die gesamte Führung aus Protest gegen Ottes Kurs zurück. Die bayerische Werte-Union verließ nach Angaben ihrer Vorsitzenden den Bundesverband und gründete eine neue Plattform unter dem Namen «Konservativer Aufbruch für Werte und Freiheit». Auch der bisherige Landesvorstand im Südwesten plant, ein neues Netzwerk zu gründen.

Die Verbände werfen Otte vor, die Werte-Union nach rechts rücken und zur AfD hin öffnen zu wollen. Der 56-jährige Otte reagierte gelassen und geht davon aus, dass die Werte-Union gestärkt aus diesem Prozess hervorgehen wird.

Der Ökonom sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Ich möchte das richtigstellen: Weder der Landesverband in Bayern noch der in Baden-Württemberg ist ausgetreten. Es sind Vorstände und Funktionäre ausgetreten.» Es handele sich um «Hinterzimmerpolitiker, die meine Wahl nicht anerkennen wollen. Das sind verletzte Eitelkeiten.» Rechtlich gesehen gehörten die Mitglieder zum Bundesverband und nicht zu den Landesverbänden. Otte sagte, Ein- und Austritte hielten sich die Waage, die Mitgliederzahl liege bei über 4000. Die Werte-Union sieht sich als Vertretung der konservativen Strömung in der Union, ist aber keine offizielle Parteigliederung. Die CDU hat insgesamt rund 400.000 Mitglieder, rund 140.000 sind es bei der CSU.

Otte war Ende Mai im Amt des Vorsitzenden der Werte-Union auf den Heidelberger Alexander Mitsch gefolgt, der vorher seinen Rückzug angekündigt hatte. Innerhalb der Werte-Union löste die knappe Wahl Ottes zum neuen Vorsitzenden großen Streit aus, die bayerische Landesvorsitzende Juliane Ried war seine Gegenkandidatin gewesen. Ried hielt Otte vor: «Er will nicht einsehen, dass er die Werte-Union gespalten hat.» Nach den Worten des baden-württembergischen Vize-Chefs Oliver Kämpf löst sich die Werte-Union langsam auf. «Die Werte-Union ist wie ein totes Pferd, von dem man absteigen muss.»

In Baden-Württemberg kündigten elf von zwölf Vorstandsmitgliedern dem Bundesvorstand ihren Rückzug zum kommenden Freitag an. In dem Schreiben heißt es, es gebe eine «Annäherung an völkische und nationalistische Themen». Otte widersprach: «Das ist unterste Schublade. Ich weise das entschieden zurück und lasse rechtliche Schritte dagegen prüfen.» Er betonte: «Ich stehe loyal zur CDU, ich habe nie an einen Austritt gedacht.» Der Ökonom lobte den Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet, dieser stehe «für einen rheinischen Kapitalismus, die soziale Marktwirtschaft».

Otte hatte 2017 in einem Interview angekündigt, er wolle bei der Bundestagswahl die AfD wählen - auch wegen des Kurses von Kanzlerin Angela Merkel. Der Fondsmanager war bis Januar 2021 Kuratoriumsvorsitzender der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung gewesen. Nun sagte er mit Blick auf die Bundestagswahl: «Es ist nicht Aufgabe der Werte-Union, Wahlkampf für die CDU zu machen.» Otte erklärte, er sehe «das Ausmaß der Corona-Auflagen sehr, sehr kritisch.» Er habe früher auf Querdenker-Demos gesprochen. «Jetzt als Vorsitzender würde ich das nicht mehr tun.»

Der frühere Vize-Chef der Werte-Union und Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Ingo Gondro, sagte der dpa: «Der derzeitige Zustand der Werte-Union beschämt mich sehr.» Ihn störe vor allem die Nähe zu den sogenannten Querdenkern und Corona-Leugnern. «Wenn ich feststelle, dass sich das weiter in die Richtung entwickelt, werde ich auch austreten.»

© dpa-infocom, dpa:210704-99-252796/5