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Steuern
SPD-Fraktionschef kündigt weitere Entlastungen an

Rolf Mützenich
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Foto: Kay Nietfeld
Lars Klingbeil
Lars Klingbeil, SPD-Bundesvorsitzender, will vor allem die Mineralölkonzerne als Krisen- und Kriegsgewinner besteuern. Foto: Carsten Koall
Die Energie- und Nahrungsmittelpreise steigen weiter, ein Ende der Fahnenstange ist nicht in Sicht. Aus der Koalition werden Forderungen nach einem weiteren Hilfspaket lauter.

Berlin. Die Ampel-Koalition will angesichts steigender Preise nach Angaben von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich noch vor der parlamentarischen Sommerpause über weitere Entlastungen entscheiden.

Trotz der beiden schon verabschiedeten Entlastungspakete wisse man, dass wegen steigender Energie- und Nahrungsmittelpreise insbesondere die Mitte der Gesellschaft noch weitere Entlastungen brauche, sagte Mützenich dem Nachrichtenportal t-online. Auf die Frage, ob er für den Vorschlag sei, die Energiepauschale von 300 Euro auch Rentnern zu zahlen, sagte er: «Das kann ich mir vorstellen. Aber das werden wir gemeinsam besprechen und entscheiden.»

Auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hält weitere Hilfen für nötig. Der «Welt am Sonntag» sagte der Grünen-Politiker: «Mir macht die aktuelle Preisentwicklung bei Lebensmitteln aufgrund des Ukraine-Kriegs Sorgen.» Die Bundesregierung habe sofort Entlastungspakete geschnürt, um auf die Folgen des Krieges zu reagieren. «Und wenn es so weitergeht, dann kann ich Ihnen sagen: Nach dem Entlastungspaket ist vor dem Entlastungspaket.»

Inflation «größte Gefahr für sozialen Frieden»

Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner nannte die Inflation «die größte Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung und den sozialen Frieden» im Land: «Deshalb muss bei allen wichtigen Aufgaben ihre Bekämpfung Priorität haben», sagte Lindner der «Passauer Neuen Presse». Um den Verlust an Kaufkraft bei den Menschen zu begrenzen, habe die Bundesregierung durch gezielte Entlastung bereits gehandelt. Lindner könnte sich eine Steuerentlastung vorstellen. «Wir machen eine Lohn- und Einkommensteuerreform im nächsten Jahr, passen den steuerlichen Grundfreibetrag und den Steuertarif der Inflation an. Und wenn es nach mir geht, gibt es noch eine zusätzliche Entlastung für Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen obendrauf.»

Verdi-Chef Frank Werneke hält angesichts steigender Verbraucherpreise einen Ausgleich durch höhere Löhne für unausweichlich. «Unser Kurs ist ganz klar: Dauerhaft steigende Preise müssen durch dauerhaft wirkende Tariflohnsteigerungen vollumfänglich ausgeglichen werden», sagte Werneke der Deutschen Presse-Agentur. Von der Bundesregierung erwarte er weitere Entlastungen für die Bevölkerung - insbesondere mit Blick auf die deutlich gestiegenen Lebensmittelpreise.

Übergewinnsteuer? Mineralölkonzerne im Visier

SPD-Chef Lars Klingbeil will «Krisen- und Kriegsgewinner» stärker besteuern und hat dabei besonders die Mineralölkonzerne im Visier. Es könne nicht sein, dass sich «die Mineralölkonzerne in der Krise die Taschen noch voller machen», sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er beschäftige sich intensiv mit der Frage, wie mit Krisen- und Kriegsgewinnern umgegangen werde, die von der derzeitigen Lage stark profitierten. Der SPD-Vorsitzende zeigte sich offen für eine Übergewinnsteuer, um extreme Krisengewinne abzuschöpfen: «Eine Steuer auf Kriegs- und Krisengewinne ist ein Instrument, das auf dem Tisch liegt und das ich sehr überlegenswert finde.»

Grünen-Chefin Ricarda Lang schloss sich dem Vorschlag an. «Wir beobachten seit Monaten eine Entkopplung vom Rohölpreis und Tankstellenpreisen. Einige wenige profitieren, während ganz viele mittelständische Unternehmen unter den hohen Energiepreisen leiden und sich fragen, wie sie durch das nächste Jahr kommen sollen. Die
Übergewinnsteuer wäre da ein logischer Schritt», sagte
Lang dem «Tagesspiegel».

Die Mineralölkonzerne stehen wegen der hohen Spritpreise in der Kritik. Auch eine Senkung der Energiesteuern am Mittwoch hatte die Preise nur vorübergehend sinken lassen. Zuletzt waren sie vielerorts wieder gestiegen. Am Samstagvormittag stieg der Preis für Super E10 laut dem ADAC erneut. Diesel lag in etwa auf dem Niveau des Vortages. Beide Kraftstoffe sind dem Verkehrsclub zufolge zu teuer. «Da kommt deutlich zu wenig beim Verbraucher an», sagte ein ADAC-Sprecher. «Die Entwicklung geht in die komplett falsche Richtung.»

Auch Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge möchte über eine Übergewinnsteuer diskutieren. «Es ist ein Problem, wenn in einer Situation, in der die Menschen sowieso schon unter extrem hohen Preisen leiden, Konzerne ihre Marktmacht nutzen, um Gewinne noch weiter zu steigern», sagte Dröge der Deutschen Presse-Agentur. Zu einer Übergewinnsteuer erklärte sie: «Das wäre ein solidarischer Beitrag, um für Menschen mit geringem Einkommen, die unter den hohen Energiekosten leiden, Entlastungen zu finanzieren.»

Ifo-Chef Clemens Fuest warnte vor einem solchen Schritt. Von Sondersteuern für Übergewinne halte er in der aktuellen Lage nichts. «Die Gewinne werden ja besteuert. Je nach Wirtschaftslage Sondersteuern für einzelne Branchen einzuführen, öffnet der Willkür und dem Populismus Tür und Tor», sagte er der «Rheinischen Post».

Merz: Staat kann nicht alles kompensieren

CDU-Chef Friedrich Merz warnte vor der Erwartung, dass der Staat alle Mehrkosten durch die Inflation kompensiert. «Nicht jede Kostenentwicklung kann durch die öffentlichen Kassen ausgeglichen werden», sagte Merz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Entlastungsvorschläge der Unionsfraktion lägen auf dem Tisch. Dazu zählten die Abschaffung der Kalten Progression, eine Energiepreispauschale auch für Rentner und Studierende und die Absenkung der Stromsteuer auf den EU-Mindeststeuersatz.

Die Landwirte gehen von weiter steigenden Lebensmittelpreisen aus. Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte der «Neuen Osnabrücker Zeitung», das Ende der Fahnenstange sei noch nicht erreicht: «Wir Bauern brauchen zwangsläufig höhere Preise, um überhaupt noch wirtschaften zu können. Ich gehe davon aus, dass die Preise im Supermarkt in nächster Zeit weiter steigen werden.»

© dpa-infocom, dpa:220604-99-545581/10