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Suche nach neuer Spitze
SPD vor dem Finale - Erneut haben die Mitglieder das Sagen

Bewerber-Duos für SPD-Vorsitz
Olaf Scholz (l) tritt mit Klara Geywitz gegen Saskia Esken (r) und Norbert Walter-Borjans (2.v.r) an. Foto: Michael Kappeler/dpa
Wieder hat die SPD-Basis das Wort - ein halbes Jahr nach dem Abgang von Andrea Nahles soll dann endlich Klarheit herrschen. Doch kann die neue SPD-Spitze den Aufruhr in der Partei beruhigen?

Berlin (dpa) - Seit Wochen ringen sie um den Vorsitz und den Kurs Deutschlands ältester Partei - und müssen dabei aufpassen, dass sie die SPD nicht spalten. Als wäre das nicht schon Drahtseilakt genug, kommt kurz vor Schluss auch noch ein frischer Wind auf, in der Chefsuche der Sozialdemokraten.

Egal wer beim Mitgliederentscheid ab Dienstag gewinnt - Olaf Scholz und Klara Geywitz oder Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken - sie könnten auf dem Parteitag Anfang Dezember einen Revoluzzer an ihre Seite bekommen. Denn Juso-Chef Kevin Kühnert will für den Parteivorstand kandidieren, wie er ankündigte.

Jahrelang nur zu kritisieren, die Verantwortung dann aber anderen zu überlassen, das finde er nicht richtig, sagte der 30-Jährige der «Süddeutschen Zeitung». Auch den Posten des stellvertretenden Parteivorsitzenden würde Kühnert nicht ausschlagen. Im Rennen um die Chefsuche unterstützt der Juso-Chef offen Walter-Borjans und Esken - doch auch mit Scholz und Geywitz würde er sich arrangieren wollen. Denn: «Stärke kommt daraus, Unterschiedlichkeiten zuzulassen», sagt Kühnert.

Beim Parteitag Anfang Dezember in Berlin wird es so auf jeden Fall zum Show-down kommen zwischen Groko-Gegnern wie Kühnert und Groko-Befürwortern. Vorher aber haben erst einmal die 425.630 Parteimitglieder das Wort. «Deine Stimme hat Gewicht», ist der Brief zu den Wahlunterlagen überschrieben, die die Partei in den vergangenen Tagen verschickt hat. Bis zum 29. November läuft die Stichwahl zwischen den zwei übrig gebliebenen Duos. Welche Perspektiven ergeben sich für die SPD?

DIE VORGESCHICHTE:

Anfang Juni flüchtete die damalige SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles nach heftigen internen Kämpfen in den Vorruhestand. Die SPD leistete sich ein beispiellos aufwendiges Verfahren zur Neuwahl - nur wollte anfangs kaum jemand an die Spitze streben. Auch Vizekanzler Scholz nicht. Dann fanden sich doch genügend Aspiranten, unter anderem dann doch mit Scholz sowie mit dem früheren NRW-Finanzminister Walter-Borjans zwei Gegenpole: Hier der Verteidiger der schwarzen Null, ur-sozialdemokratischer Werte, aber mit konservativem Touch - dort der Verfechter höherer Staatsinvestitionen mit Hang zu linken Positionen. Über den Sinn einer schwarzen Null in Zeiten niedriger Zinsen können die beiden engagiert streiten.

DIE ABSTIMMUNG:

Der Mitgliederentscheid geht bereits in die zweite Runde, denn in der ersten gab es keine klaren Gewinner. Einigen der acht unterlegenen Kandidaten war die Enttäuschung anzusehen - bei Scholz hingegen herrschte gute Stimmung: «Das ist schon ein Moment, wo man sich auch richtig freuen kann.» Vor allem für den Vizekanzler hätte eine Niederlage wohl die völlige Untergrabung seiner Autorität bedeutet. Allerdings: Die knapp 22,7 Prozent für Scholz/Geywitz und gut 21 Prozent für Walter-Borjans/Esken waren - bei einer Wahlbeteiligung von 53,3 Prozent - auch nicht berauschend.

DIE DUOS UND DIE GROKO:

Scholz und die Brandenburger Landespolitikerin Geywitz stehen für einen Verbleib in der großen Koalition. Dass sich Schwarz-Rot mittlerweile zu einem Kompromiss zur Grundrente durchrang und die SPD dabei viel von ihren Vorstellungen durchsetzte, dürfte auf ihr Konto einzahlen. Als die Bundestagsabgeordnete Esken bei einem Kandidatenduell im Willy-Brandt-Haus monierte, die Grundrente repariere nur, was vorher falsch gemacht wurde, entgegnete Scholz: «Wenn die SPD was erreicht, muss sie auch stolz sein auf das, was sie macht.» Walter-Borjans und Esken wollen in der Partnerschaft mit der Union mehr SPD pur durchsetzen, mehr soziale Projekte, mehr Umverteilung. Wenn CDU und CSU den Koalitionsvertrag nicht neu verhandeln, werde sie dem Parteitag den Ausstieg aus der Groko empfehlen, sagt Esken klar.

DIE DUOS UND DIE KANZLERSCHAFT:

Scholz macht seit Monaten keinen Hehl daraus, dass er sich als sehr gut möglichen nächsten SPD-Kanzlerkandidaten ansieht. Das Kalkül dahinter: Die Union nominiert Annegret Kramp-Karrenbauer, die bis dahin immer noch keinen richtigen Tritt gefasst hat - die SPD dagegen einen grundsoliden, quasi fettnäpfchenfreien Bewerber. Walter-Borjans hatte dagegen in einem Interview gesagt, er glaube nicht, «dass wir im Augenblick an dieser Stelle wären, einen Kanzlerkandidaten aufzustellen». Bei den aktuellen Zustimmungswerten mache sich die SPD mit einem Kanzlerkandidaten lächerlich, meint Esken. Scholz kontert: «Wer das tut, macht die SPD klein.»

MÖGLICHE SZENARIEN:

Die neue Spitze muss nach dem Mitgliedervotum auf dem Parteitag vom 6. bis 8. Dezember formal noch bestätigt werden. Dann soll auch die Halbzeitbilanz der Koalition bewertet werden - die Delegierten dürften damit über die Zukunft der Groko entscheiden. Es stehen also zwei Richtungsentscheidungen an. Wenn beide in die gleiche Richtung ausfallen, dürfte die Sache klar sein: Bei einem Sieg von Scholz/Geywitz und einem positives Votum zum Weiterregieren, stehen alle Zeichen auf Fortsetzung von Schwarz-Rot. Bei einem Sieg von Walter-Borjans/Esken und Votum gegen die Koalition, sind die Tage des Bündnisses wohl gezählt.

Schwierig wird es für die SPD, wenn die Entscheidungen unterschiedlich fallen - wenn sich die neue SPD-Spitze also nach dem Parteitag gegen die eigene Überzeugung pro oder contra Groko stellen muss. Und selbst wenn die Koalition gestärkt aus dem Parteitag hervorgeht: In der Union hat die Neigung, der SPD bei ihren Wunschprojekten entgegenzukommen, stark abgenommen. Eine zweite Hälfte der Legislatur wird deshalb kaum reibungsfreier laufen als die erste.

SPD zur Wahl der neuen Parteispitze