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In deutschen Städten
Tausende bei Demonstrationen gegen Corona-Politik

Protest in Hamburg
In Hamburg demonstrierten mehrere Tausend Menschen gegen die Corona-Maßnahmen. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
Konfrontation in Magdeburg
In Magdeburg war zu einer «Friedenswanderung» aufgerufen worden, es kam jedoch zu Auseinandersetungen mit der Polizei. Foto: Paul Zinken/dpa
Gegenprotest
Gegen «Querdenker» demonstrierten mehr als 2000 Menschen in Minden in Westfalen. Foto: Boris Roessler/dpa
Corona-Proteste
In Schwerin nehmen Menschen an einer Demonstration gegen Corona-Einschränkungen teil. Foto: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa
Demonstrationen gegen die Corona-Politik haben weiter Zulauf. Aber auch Gegner der «Querdenker» formieren sich. Gesundheitsminister Lauterbach hat eine klare Meinung zu Corona-Leugnern.

Berlin (dpa) - Mehrere Tausend Impfgegner und Zweifler von Corona-Maßnahmen sind wieder in Deutschland auf die Straßen gegangen. Eine der größten Veranstaltungen gab es am Samstagnachmittag in Hamburg, wo die Polizei am Abend von etwa 13.700 Teilnehmern sprach.

Zuvor hatte die Polizei von 16.000 Teilnehmern gesprochen. Zu der Demo unter dem Motto «Das Maß ist voll. Hände weg von unseren Kindern» waren ursprünglich rund 11.000 Teilnehmer erwartet worden. Auch in zahlreichen anderen Städten waren es jeweils mehrere Tausende Demonstranten.

In Hamburg forderte der Veranstalter die Teilnehmer über Lautsprecher auf, die Masken- und Abstandspflicht einzuhalten. Dennoch waren viele Menschen ohne Masken und Abstand unterwegs. Ein Demoteilnehmer habe einen Davidstern mit der Aufschrift «ungeimpft» an der Kleidung getragen, twitterte die Polizei. Es sei ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Volksverhetzung eingeleitet worden.

In Frankfurt am Main demonstrierten nach Polizeiangaben bis zu 8000 Menschen bei einer angemeldeten Veranstaltung gegen Corona-Maßnahmen. In Düsseldorf waren es laut Polizei mehrere Tausend, die Veranstalter sprachen von rund 4000. In Freiburg versammelten sich zu einem angemeldeten Protest nach Polizeiangaben bis zu 6000 Menschen, in Magdeburg rund 5000. Knapp 2000 waren es im hessischen Wetzlar und rund 1250 in Trier. In Schwerin versammelten sich nach Polizeiangaben rund 1600 Gegner von Corona-Maßnahmen, in Regensburg etwa 2700 und in Ansbach (beide Bayern) rund 2000 Demonstranten.

In Magdeburg zogen Tausende Menschen stundenlang durch die Stadt, um gegen Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Straßenbahnen standen still, zeitweise wurden Straßen gesperrt. In Berlin demonstrierten Menschen bei einem Auto- und Fahrradkorso, die Polizei zählte mehr als 70 Autos, 100 Räder und insgesamt etwa 200 Teilnehmer. In Schwerin versammelten sich nach Polizeiangaben rund 1600 Gegner von Corona-Maßnahmen, in Regensburg etwa 2700 und in Ansbach 2000 Demonstranten.

Auch Protest gegen Corona-Leugner und Impfgegner

In Minden (Nordrhein-Westfalen) gingen aber auch rund 2500 Menschen auf die Straße, um gegen «Querdenker» zu demonstrieren. Sie brachten ihren Unmut über Corona-Leugner, Impf-Skeptiker und Rechtsradikale zum Ausdruck. «Ja zu Meinungsfreiheit und Miteinander - entschieden nein zu Hass, Drohungen und Gewalt», hieß es etwa auf einem Plakat. In Erfurt versammelten sich nach Angaben von Veranstaltern und Polizei bis zu 1000 Menschen, um für Demokratie und Rücksichtnahme in der Pandemie zu demonstrieren.

In Dresden erinnern seit Samstag Kerzen vor der Frauenkirche an die Pandemie-Opfer der sächsischen Landeshauptstadt. Die Aktion der privaten Initiative «Haltung zeigen» für ein solidarisches Miteinander hatte schon im Vorfeld breite Unterstützung gefunden. Bis Samstag hatten mehr als 9500 Menschen den Aufruf «Haltung zeigen» unterzeichnet. Auch die Dresdner Stadtspitze rief zur Beteiligung auf. In einer Erklärung von Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) und seiner Beigeordneten hieß es, Verordnungen und Regeln zu hinterfragen und seine Meinung frei zu äußern, sei ein wichtiger Bestandteil der Demokratie. Hass, Hetze, Gewalt und Verschwörungstheorien seien aber als Mittel der gesellschaftlichen Auseinandersetzung nicht zu akzeptieren.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte der «Welt am Sonntag», die Debatte der Impfgegner und Corona-Leugner habe jedes Maß und Ziel verloren. «Eine kleine Gruppe ist bereit, alle wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Tisch zu wischen und sich freiwillig in einer Blase von Scheinwahrheiten zu begeben», sagte der SPD-Politiker. Das sei eine neue und beängstigende Entwicklung in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Der designierte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz schrieb in einem am Samstag veröffentlichten Beitrag für «Focus Online»: «Unter den Demonstranten sind nicht nur notorische Gewalttäter, sondern immer mehr Bürger, die bisher ein ganz normales Leben geführt haben, und die sich von Verschwörungstheorien, Angstszenarien und zweifelhaften «Experten» in Sachen Gesundheit und Corona zu Hass- und Gewaltexzessen hinreißen lassen.» Das sei noch keine gespaltene Gesellschaft, «mit diesem Attribut würde man diese radikale Minderheit, und es ist eine sehr kleine Minderheit, unnötig aufwerten». Aber der Grundkonsens der Gesellschaft werde schmaler, das Meinungsspektrum werde größer und die politische Mitte diffus.

Buschmann: konsequentes Vorgehen gegen Gewalt

Bundesjustizminister Marco Buschmann fordert ein konsequentes Vorgehen gegen Regelverstöße und Gewalt bei Demonstrationen gegen die Corona-Politik. «Wenn systematisch gegen Regeln verstoßen wird oder es sogar zu gewalttätigen Angriffen kommt, müssen Versammlungen als ultima ratio notfalls auch aufgelöst werden», sagte der FDP-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Gewalt gegen Polizisten oder Journalisten dürfen wir als Rechtsstaat unter keinen Umständen hinnehmen. Und wenn es rechtliche Vorgaben oder Auflagen gibt, wie beispielsweise Masken zu tragen oder Abstand zu halten, müssen diese selbstverständlich eingehalten werden», betonte der Minister.

Buschmann riet den Bürgern, Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen im Zweifel fernzubleiben. «Leider nehmen an solchen Demonstrationen immer wieder auch Extremisten teil, die nicht auf dem Boden der Verfassung stehen, und versuchen, die Kritik an den Corona-Maßnahmen für ihre eigenen Zwecke zu nutzen», sagte der FDP-Politiker. «Man sollte sich deshalb gut überlegen, ob man wirklich an der Seite von solchen Gruppen mitmarschieren möchte.»

© dpa-infocom, dpa:220108-99-636115/10