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Pandemie
Viele Corona-Regeln laufen aus - Mahnungen zur Vorsicht

Coronavirus
Die neuen Corona-Regeln in Hessen sehen eine Masken- und Testpflicht nur noch in besonders sensiblen Lebensbereichen wie Krankenhäusern und Altenheimen vor. Foto: Frank Rumpenhorst
Die meisten Corona-Regeln sind ab Sonntag in weiten Teilen Deutschlands passé. Doch das Coronavirus ist noch da. Einige Maßnahmen zum Infektionsschutz bleiben auf der Tagesordnung.

Berlin. Trotz hoher Ansteckungsraten entfallen am Sonntag in Deutschland die meisten Corona-Beschränkungen. Der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki sieht darin einen «wichtigen und erfreulichen Schritt in Richtung Normalität».

«Wir vollziehen das nach, was auch in den europäischen Nachbarländern zum Teil schon seit längerem umsetzt wird», sagte der Bundestagsvizepräsident der Deutschen Presse-Agentur. Debattiert wird aber weiter über eine allgemeine Impfpflicht, das Tragen von Schutzmasken und gelockerte Quarantäneregeln.

Buschmann: Kein «schlampiges Gesetz»

Bundesjustizminister Marco Buschmann verteidigte das geänderte Infektionsschutzgesetz mit dem Verweis auf die Verteidigung der Grundrechte. Das Gesetz sei streng, räumte er auf einem Landesparteitag der NRW-FDP am Samstag in Duisburg ein. «Wenn es um den Schutz der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger geht, ist ein strenges Gesetz ein gutes Gesetz und das Gegenteil von einem schlampigen Gesetz», unterstrich der FDP-Politiker.

Nach dem geänderten Infektionsschutzgesetz fallen am Sonntag in weiten Teilen Deutschlands die meisten staatlichen Auflagen weg. Angeordnet werden können in fast allen Bundesländern nur noch wenige allgemeine Vorgaben zu Masken etwa in Praxen, Pflegeheimen, Kliniken, Bussen und Bahnen sowie zu Tests etwa in Schulen. Weitergehende Auflagen gelten nur noch in Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg. Beide Länder nutzen als vorerst einzige die sogenannte Hotspot-Regel. Sie erlaubt zusätzliche Vorgaben, wenn das Landesparlament eine regional drohende kritische Lage für die Kliniken feststellt. Unabhängig von staatlichen Regeln können Firmen, Geschäfte und andere Einrichtungen nach Hausrecht weiterhin Vorgaben wie Maskenpflichten beibehalten.

Bundesweit bleiben die Infektionszahlen hoch, auch wenn sie seit einigen Tagen sinken. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab den Wert der Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Samstag mit 1531,5 an. Am Vortag hatte der Wert bei 1586,4 und eine Woche zuvor bei 1758,4 gelegen.

Schutzmasken gehören noch nicht auf den Müll

Kubicki betonte, die Maskenpflicht werde auch in Bussen und Bahnen irgendwann fallen müssen, das stehe aber noch nicht zur Debatte. Die Chefin der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna rief dazu auf, in Innenräumen weiter Maske zu tragen. «Gerade in Supermärkten und Restaurants sind Masken weiterhin von großer Bedeutung, um Infektionen einzudämmen», sagte Johna dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) riet dies ebenfalls. «Das Risiko, sich zu infizieren, ist selten höher gewesen als jetzt», machte der Minister im Deutschlandfunk. Lauterbach verwies zudem auf die weiterhin 200 bis 300 Menschen, die täglich im Zusammenhang mit Corona sterben. «Das ist nicht akzeptabel. Das ist ein Flugzeugabsturz jeden Tag», sagte der Minister.

Ein Sprecher der Deutschen Bahn machte deutlich, dass die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen auch weiterhin kontrolliert wird. Ob im Nahverkehr neben FFP2- auch medizinische Masken erlaubt sind und wie Maskenpflicht auf Bahnsteigen geregelt wird, ist in Länderverordnungen festgelegt. Die 3G-Regel (geimpft, genesen, getestet) war schon zum 20. März aufgehoben worden. Ab Sonntag entfällt sie dem Bahnsprecher zufolge auch für die Nutzung der Bordgastronomie in den Fernzügen.

Ringen um allgemeine Impfpflicht

Gestritten wird noch über eine allgemeine Impfpflicht. Der Bundestag stimmt am Donnerstag darüber ab. Auf dem Tisch liegen mehrere Anträge, unter anderem über eine Impfpflicht ab 18 und ab 50 Jahren. Lauterbach bezeichnete beide Anträge als gut und verwies auf weiter laufende Verhandlungen. Sollte es einen Antrag geben, der das Beste aus beiden vereint, wäre das ein Erfolg. «Ich glaube, wir werden am Donnerstag einen Antrag zur allgemeinen Impfpflicht durchbringen», sagte der Minister im Deutschlandfunk. Er werde «bis zur letzten Stunde darum gerungen».

Die Union lehnt beide Anträge ab und schlägt stattdessen ein Impfvorsorgegesetz vor. Demnach soll ein Impfregister aufgebaut und ein «gestufter Impfmechanismus» eingeführt werden, der von Bundestag und Bundesrat je nach Pandemielage aktiviert werden kann. CDU-Chef Friedrich Merz schrieb auf Twitter: «Falls vorläufig keine Impfpflicht in Deutschland kommt, befänden wir uns in guter Gesellschaft auf der Welt.»

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, warnte dagegen vor einer nächsten Welle, sollte es keine allgemeine Impfpflicht geben. Nur eine möglichst hohe Impfquote werde die Gefahr einer Kliniküberlastung bannen, sagte Gaß den Zeitungen der Funke Mediengruppe. In der «Welt am Sonntag» betonte Gaß, ein Scheitern einer allgemeinen Impfpflicht würde auch die schon geltende einrichtungsbezogene Impfpflicht infrage stellen. «Diese ist dann den betroffenen Krankenhaus-Beschäftigten nicht mehr erklärbar», sagte Gaß.

Gewerkschaften warnen vor gelockerten Quarantäne-Regeln

Auf der Tagesordnung bleiben auch Regeln zur Absonderung von Corona-Infizierten und Kontaktpersonen. Gesundheitsministerium und RKI wollen die Frist auf fünf Tage verkürzen und weniger streng handhaben. Die Länder können bis Montag dazu Stellung nehmen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte, mit diesem Vorschlag gäbe der Bund die Bekämpfung des Infektionsgeschehens faktisch aus der Hand. «Zusammen mit dem Ende der Maskenpflicht wäre das Ergebnis verheerend: Personen mit besonderem Risiko einer schweren Erkrankung könnten sich beim Einkauf im Supermarkt dann nicht einmal darauf verlassen, dass sich keine nachweislich Corona-Infizierten im Laden befinden», sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel der dpa. Piel warnte auch, dass Betriebe dann selbst zu «Infektionsbeschleunigern» werden.

© dpa-infocom, dpa:220402-99-770859/2