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Landtagswahl am 6. Juni
Wahl in Sachsen-Anhalt: Wie bunt wird die neue Regierung?

Sachsen-Anhalt vor der Landtagswahl
Wahlplakate für die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt stehen in Magdeburg am Straßenrand. Am 6. Juni wird gewählt. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/dpa
Schwarz-Rot-Grün - oder doch was mit Gelb? Eine mögliche Rückkehr der FDP in den Magdeburger Landtag könnte Ministerpräsident Haseloff die Chance geben, einen der in der CDU ungeliebten Koalitionspartner loszuwerden.

Magdeburg (dpa) - Nach fünf Jahren Ach und Krach geht Deutschlands erste Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt ihrem Ende zu. Die Koalition war aus den Trümmern des politischen Erdbebens hervorgegangen, das die AfD mit ihrem Einzug in den Magdeburger Landtag 2016 ausgelöst hatte.

Aus dem Stand hatten die Rechtspopulisten fast jede vierte Stimme bekommen. Die Kenia-Koalition stellte sich dem als «Bollwerk gegen Rechts» und «Koalition der Anständigen» entgegen.

Viel mehr als die Ablehnung der AfD verband die drei Koalitionäre damals nicht und auch nach fünf Jahren Koalition ist keine Liebesbeziehung aus dem Bündnis geworden. Eine Neuauflage von Kenia nach der Landtagswahl am 6. Juni ist dennoch nicht unwahrscheinlich. Denn die Arbeit mit SPD und Grünen hat sich für CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff trotz aller Unwägbarkeiten bewährt: Die Koalition brachte zahlreiche Gesetze auf den Weg und hielt trotz aller Streitigkeiten die volle Legislaturperiode durch.

Haseloff selbst macht keinen Hehl daraus, dass die Regierungsgewalt für ihn auch Selbstzweck ist. In der K-Frage der Union sprach er sich für Markus Söder (CSU) aus statt für seinen Parteichef Armin Laschet - nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern wegen der Umfragewerte; Machterhalt als Leitprinzip. Vor allem in der Krise sei die Stabilität einer Regierung «ein Wert an sich», sagt der 67-Jährige. Die CDU müsse daher anschlussfähig bleiben für andere Parteien.

Im Wahlkampf hält sich die Partei zurück: Es finden kaum große Veranstaltungen statt, Unionsgrößen wie Friedrich Merz oder Markus Söder kommen als Gäste der Staatskanzlei - nicht der Landes-CDU. Die gibt sich kompatibel, trägt keinerlei kontroverse Projekte vor sich her, wirbt vor allem mit dem Gesicht des Ministerpräsidenten. Das milde, großväterliche Lächeln des Landesvaters ist die Wittenberger Variante der Merkel-Raute. Wie Adenauers «Keine Experimente» und Kretschmanns «Sie kennen mich» triggert Haseloffs Wahlkampagne das konservative Grundbedürfnis nach Stabilität und Bekanntem.

Die Kenia-Koalition jedoch war ein Experiment, wenn auch ein unausweichliches, da keine anderen Mehrheiten ohne AfD oder Linke möglich waren. Und das Experiment drohte mehrmals zu scheitern - etwa am Streit um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Haseloff betonte zwar zuletzt oft die gute Zusammenarbeit im Kabinett - die Stimmung unter den Koalitionsfraktionen ist aber weiter angespannt. Die Landesverbände von CDU, SPD und Grünen haben sich bisher nicht so sehr der Mitte angenähert wie die Bundesparteien. In der Koalition sitzen Konservative, Sozial- und Gewerkschaftspolitiker und Umweltschützer traditioneller Prägung nebeneinander.

Eingerahmt wird das ungleiche Bündnis im Landtag von einer starken Linken, die so viele Sitze hat wie SPD und Grüne zusammen, auf der einen Seite und seit 2016 von der zweitstärksten und vielleicht rechtesten AfD-Fraktion Deutschlands auf der anderen. Die Mitte zwischen diesen Polen verläuft irgendwo in der CDU-Fraktion zwischen den Abgeordneten, die Haseloffs Koalition der Mitte stützen und denen, die, anders als Haseloff, die rechten Sitznachbarn eigentlich für das geringere Übel halten als die linken.

Im neuen Landtag könnte die Rückkehr der FDP die Verhältnisse nun erneut verschieben: Umfragen trauen den Liberalen den Einzug ins Parlament zu. In denselben Umfragen kommt die Kenia-Koalition dennoch auf eine Mehrheit von fünf bis zehn Prozentpunkten. Einer Rückkehr der FDP kann Haseloff ohnehin gelassen entgegensehen. Sie käme als alternativer Koalitionspartner, der seine Position gegen SPD und Grünen stärken würde, oder ein zusätzlicher, falls nach der Regierung Haseloff I auch die Regierung Haseloff II ihre Mehrheit verliert, in Betracht. Sollte neben der FDP auch den in Umfragen nicht gesondert erhobenen Freien Wählern der Einzug in den Landtag gelingen, wäre Haseloff möglicherweise zu einer Viererkoalition gezwungen.

Ansonsten gibt es für den Regierungschef kaum Gründe für einen Farbwechsel am Kabinettstisch. Die in Teilen seiner Fraktion noch immer sehr ungeliebten Grünen haben sich als verlässlicher Koalitionspartner erwiesen. Auch mit den Sozialdemokraten hatte Haseloff keine Probleme: Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne überzeugte in der Pandemie als oberste Krisenmanagerin und auch auf Wirtschaftsminister Armin Willingmann konnte der Ministerpräsident sich vor und während der Krise verlassen.

Dass die Regierungsbildung bei all den Parteien nicht ganz einfach werden könnte, ahnte aber schon der derzeitige Landtag und strich im vorigen Jahr ersatzlos eine Frist zur Wahl des Ministerpräsidenten aus der Landesverfassung. Kurz vor der allerdings lang vorbereiteten Reform hatte die Regierungsbildung im Nachbarland Thüringen sich über Monate hingezogen, weil sich nach der Landtagswahl keine Regierungsmehrheit ergeben hatte. In Thüringen hatten AfD und Linke zusammen mehr als die Hälfte der Stimmen bekommen, eine Mehrheit war daher nur mit einer der beiden Parteien möglich.

Die CDU schließt eine Zusammenarbeit jedoch mit beiden aus und stand daher ihrerseits für keine Regierung zur Verfügung. Selbst wenn die AfD ihr starkes Ergebnis von 2016 wiederholt, fehlen zu einer derartigen Patt-Situation in Sachsen-Anhalt zumindest in Umfragen noch 13 bis 18 Prozentpunkte für AfD oder Linke. Das scheint gut zwei Wochen vor der Wahl sehr unwahrscheinlich - zumal ein Teil des Corona-Frustes, von dem die Oppositionsparteien profitieren wollten, in Lockerungen der kommenden Wochen verpuffen dürfte. Stattdessen deutet deutlich mehr darauf hin, dass Haseloff mit der Kenia-Koalition weiterregieren kann - und auch gern würde.

© dpa-infocom, dpa:210521-99-690105/2