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Maximal bis Ende 2021
Weiter erleichterte Kurzarbeit - Kabinett beschließt Gesetz

Hubertus Heil
Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, spricht in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Millionenfach landeten Beschäftigte in Deutschland wegen der Corona-Krise in Kurzarbeit. Dieses Rezept gegen die Krise sei teuer, aber immer noch günstiger als Massenarbeitslosigkeit, meint Bundesarbeitsminister Heil - und reagiert auf Kritik.

Berlin (dpa) - Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat das verlängerte Kurzarbeitergeld als wichtiges Mittel zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise verteidigt.

Kurzarbeit sichere nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, sagte Heil nach dem Beschluss eines entsprechenden Gesetzentwurfs im Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin. «Diese Sicherheit haben wir verlängert - nicht für immer. Wir rechnen auch damit, dass es eine wirtschaftliche Erholung im Laufe des nächsten Jahres geben kann», sagte Heil. Die Krise sei jedoch nicht am 1. Januar vorbei.

Laut dem Gesetzesentwurf des Kabinetts soll die Bezugszeit für das Kurzarbeitergeld auf bis zu 24 Monate verlängert werden, maximal bis Ende 2021. Die Verlängerung soll für alle Betriebe mit einem Beginn der Kurzarbeit bis Ende 2020 gelten. Das Kurzarbeitergeld wird weiter von sonst 67 Prozent auf 70 Prozent des Lohns erhöht - und für Berufstätige mit Kindern auf 77 Prozent. Diese Erhöhung greift ab dem vierten Monat. Ab dem siebten Monat gibt es 80 beziehungsweise 87 Prozent. Von der Erhöhung profitieren alle Beschäftigten mit Eintritt in Kurzarbeit bis zum 31. März 2021. Minijobs bis 450 Euro bleiben bis Ende 2021 generell anrechnungsfrei.

Wirtschaftsforscher hatten gemahnt, dass Unternehmen mit veralteten Geschäftsmodellen nicht durch Kurzarbeit künstlich am Leben erhalten werden sollten. Das sei bei der Mehrzahl der Unternehmen mit Kurzarbeit auch nicht der Fall, sagte Heil bei einem Besuch beim mittelständischen Messebauunternehmens Minga Network in Berlin.

Das Unternehmen mit 30 Mitarbeitern ist laut eigenen Angaben stark betroffen von den coronabedingten Veranstaltungsabsagen. Allein durch die Absage der im Frühjahr geplanten Mobile World Congress, Europas größter Mobilfunk-Messe, sei ein hoher sechsstelliger Betrag verloren gegangen, sagte Geschäftsführer Ingo Zippel. «Im Gesamten kann man davon ausgehen, dass wir einen Umsatzrückgang von über 80 Prozent haben.»

Da die lukrative Organisation von Veranstaltungen inklusive des Messebaus auf absehbare Zeit nicht möglich sei, konzentriere man sich jetzt stärker auf die Produktion und Herstellung hochwertiger Holzmöbel, sagte Zippel beim Rundgang mit Heil und zeigte leere Büros, in denen normalerweise Projektmanager für die Veranstaltungsorganisation arbeiteten. In den Produktionshallen herrschte dagegen reger Betrieb, Mitarbeiter verarbeiteten Holz und setzten lautstark Maschinen ein.

Die im Gesetzesentwurf erhaltene Regelung zu den Sozialversicherungsbeiträgen soll laut Heil dafür sorgen, dass auch andere Unternehmen die Krise für einen Strukturwandel nutzen. Bis zum 30. Juni sollen die Sozialversicherungsbeiträge vollständig erstattet werden, bis Ende 2021 zur Hälfte - außer dann, wenn während der Kurzarbeit der Betroffene weiterqualifiziert wird. Dann kann die Erstattung auf 100 Prozent erhöht werden. Das gilt für Betriebe, die vor dem 1. Juli 2021 mit Kurzarbeit starten.

Seit Jahresbeginn drückte die Krise die Einnahmen der Bundesagentur für Arbeit (BA) bis August um mehr als 1,2 Milliarden Euro im Vorjahresvergleich - die Ausgaben stiegen um knapp 17,4 Milliarden Euro. Die Ausgaben für konjunkturelle Kurzarbeit betrugen bis August 8,1 Milliarden Euro, die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge beim Kurzarbeitergeld schlug mit 6,2 Milliarden Euro zu Buche.

«Kurzarbeit ist sehr, sehr teuer, aber Massenarbeitslosigkeit wäre sehr viel teurer für unser Land», sagte Heil. Für 2021 nennt der Gesetzentwurf Mehrausgaben im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit für das konjunkturelle Kurzarbeitergeld und die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen von gut sechs Milliarden Euro.

Seit März 2020 wurden bundesweit rund 620 000 Personen arbeitslos. Damit stieg die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland auf rund 2,95 Millionen. Im April waren rund 6 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit - ein Rekord. Über den Jahresschnitt rechne man etwa mit 2,5 Millionen Menschen in Kurzarbeit, sagte Heil.

Die Metall- und Elektroindustrie begrüßte die Regelungen. «Insbesondere im Automobilbau, beim Luftfahrtbau und im Schiffbau, im Maschinenbau und bei vielen Zulieferern ist eine schnelle Erholung nicht zu erwarten», sagte Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall. Lob kam auch von der IG Metall, deren Chef Jörg Hofmann bereits forderte: «Die Bundesregierung sollte spätestens im Juni 2021 über eine weitere Fortführung der Kurzarbeitsregelungen entscheiden.»

Auch Messebauer Zippel lobte das Kurzarbeitergeld, das die Umstrukturierung seines Unternehmens ermögliche. Sein Mit-Gründer Max Schmid-Lindner kritisierte hingegen, dass sich die Mitarbeiter Sorgen machen würden, dass sie durch die Kurzarbeit in eine andere Steuerklasse rutschen und im kommenden Jahr eine Steuerrückforderung erhalten würden. «Das ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt, für den einzelnen Betroffenen aber eine totale Belastung.»

© dpa-infocom, dpa:200916-99-581380/8

Ergebnis Koalitionsausschuss 25.8.2020

Überbrückungshilfen

Mitteilung Destatis Erwerbstätigkeit Q2 2020

Ministerium zum Kurzarbeitergeld

Bundesagentur für Arbeit zu Kurzarbeit

IAB zu Kurzarbeit und Weiterbildung

Mitteilung BMAS 16.9.2020