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Krieg in der Ukraine
Zwei Milliarden Euro vom Bund für Versorgung der Flüchtlinge

Olaf Scholz
Der Bund hat Unterstützung für die Länder bei der Finanzierung von Kriegsflüchtlingen zugesagt. Foto: Bernd von Jutrczenka
Flüchtlingsunterkunft
Bund und Länder haben bei der Frage der Finanzierung von Kriegsflüchtlingen endlich einen Kompromiss gefunden.. Foto: Moritz Frankenberg
Olaf Scholz
Die Ministerpräsidenten beraten mit dem Bundeskanzler, wie die Kosten für die Versorgung ukrainischer Kriegsflüchtlinge aufgeteilt werden sollen. Foto: Hannibal Hanschke
Deutschland will ukrainischen Flüchtlinge helfen. So viel war schnell klar. Weniger klar und heftig umstritten: Wer dabei was bezahlen soll. Am späten Donnerstagabend gab es eine Verständigung zwischen Bund und Ländern.

Berlin. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollen ab dem 1. Juni staatliche Grundsicherung erhalten, also die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfänger. Darauf haben sich Bund und Länder nach zähen Verhandlungsstunden geeinigt. Sie werden damit anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt, ohne eine Asylverfahren durchlaufen zu müssen. «Das ist auch folgerichtig», sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Für die Kriegsflüchtlinge hat das Vorteile: Sie erhalten höhere Leistungen und eine bessere Gesundheitsversorgung. Außerdem bekommen sie früher Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsmarkt und haben mit den Jobcentern eine zentrale Anlaufstelle für ihre Belange. Für diese Lösung hatten sich unter anderem die Kommunen auch stark gemacht, weil der Bund die Ausgaben für die Grundsicherung trägt. Der Bund wird sich auch maßgeblich an den Kosten für die Unterkunft beteiligen. Bislang und bis Juni erhalten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die sich an die Behörden wenden, auch schon Unterstützung - nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

500 Millionen Euro für bereits entstandene Ausgaben der Länder

Mit der Entscheidung für die Grundsicherung seien nicht alle finanziellen Belastungen für Länder und Kommunen abgegolten, sagte Scholz. «Deshalb werden wir den Ländern pauschal zwei Milliarden Euro für dieses Jahr zur Verfügung stellen, wovon 500 Millionen gedacht sind für die Kommunen, um ihre zusätzlichen Kosten für die Unterkunftsfinanzierung abzusichern, die nicht bereits abgedeckt sind durch die Grundsicherung für Arbeitssuchende.»

Der Bund fühle sich auch verantwortlich für bereits angefallene Kosten bei Ländern und Gemeinden, so Scholz. Mit 500 Millionen will der Bund sich an bereits entstandenen Ausgaben für die Lebenshaltung der Geflüchteten beteiligen. Eine Milliarde Euro des Bundes ist vorgesehen als Beteiligung an den übrigen Kosten der Länder, etwa für Kinderbetreuung und Schule sowie Gesundheits- und Pflegekosten.

Ukrainer müssen keinen Asylantrag stellen

Die Europäische Union hat entschieden, für die Aufnahme der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine erstmals die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie zu aktivieren. Diese sieht vor, dass die Schutzsuchenden keinen Asylantrag stellen müssen, sondern erst einmal einen Aufenthaltstitel für ein Jahr erhalten und arbeiten dürfen. Eine Verlängerung auf bis zu drei Jahre ist möglich.

Bei reglementierten Berufen, für deren Ausübung also eine bestimmte in Deutschland anerkannte Qualifikation nötig ist, wollen sich Bund und Länder für eine schnelle und einheitliche Anerkennung ukrainischer Abschlüsse einsetzen. Bei anderen Tätigkeiten soll eine Selbsteinschätzung der Geflüchteten zu ihren Qualifikationen ausreichen.

Mehr als 300.000 Flüchtlinge in Deutschland

Die Zahl der Ukraine-Flüchtlinge in Deutschland liegt deutlich über 300.000. Allein die Bundespolizei hat nach Angaben des Bundesinnenministeriums bisher 316.453 erfasst. Allerdings können Ukrainer visumsfrei einreisen, so dass die tatsächliche Zahl der Schutzsuchenden höher liegen dürfte. Derzeit stellt die Bundespolizei täglich die Einreise von rund 3000 Menschen aus der Ukraine fest. Im März hatte die Zahl der Neuankömmlinge bei über 15.000 pro Tag gelegen.

Eine Prognose, wie viele Flüchtlinge aus der Ukraine letztlich nach Deutschland kommen werden, sei nach wie vor schwierig, sagte der Kanzler. Es könne sein, dass der «heiße Krieg» nicht lange weitergehe und viele Menschen zurückkehrten. «Es kann aber auch ganz anders kommen. Und niemand von uns, überhaupt niemand, ist gegenwärtig in der Lage, darüber eine realistische Vorhersage zu machen. Deshalb müssen wir uns für alle Fälle wappnen. Und das haben wir heute gemacht.»

Technische Probleme bei Registrierung beheben

In dem Beschluss hieß es, Bund und Länder wollten die Registrierung derjenigen, die in Deutschland blieben, beschleunigen und «optimieren». Dazu gehöre auch, technische Probleme der IT schnellstmöglich zu beheben. Der Bund will die Länder bei der Registrierung mit Personal und Ausstattung unterstützen. Bei der Erfassung gehe es neben Ukrainern auch um Angehörige anderer Staaten, heißt es in dem Papier. «Eine Registrierung ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Gewährleistung nationaler Sicherheitsinteressen geboten.»

Bund und Länder halten laut Beschluss eine zügige Verteilung der Geflüchteten innerhalb Deutschlands für nötig. «Das gilt auch für die Verteilung von den Städten in ländliche Regionen.» Der Bund soll die Verteilung koordinieren und die Zielländer informieren.

Auf die Frage, ob diese Versorgung der Flüchtlinge eine Verteilung in Europa erschweren werde, sagte der Kanzler: «Natürlich bemühen wir uns um eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge in Europa.» Er sehe auch Bereitschaft der Staaten dazu.

© dpa-infocom, dpa:220407-99-830865/9