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Stromversorgung
Abkehr von russischem Gas: CDU dringt auf neue Gaskraftwerke

CDU
Das Logo der CDU. Foto: Michael Kappeler
Woher kommen Strom und Wärme, wenn Atom- und Kohlekraftwerke vom Netz sind? Bis die Erneuerbaren das leisten können, sollte mit Erdgas überbrückt werden. Doch die Abkehr vom russischen Gas macht das schwierig - vor allem für das Industrieland Baden-Württemberg.

Stuttgart. Die CDU dringt trotz der geplanten Abkehr von russischem Gas auf den schnellen Bau von modernen Gaskraftwerken im Südwesten, um nach dem Ausstieg aus der Atom- und Kohleenergie die Versorgung zu sichern. «Nur mit Windkraft, Solardachpflicht, klimaneutralen Wärmekonzepten und der Hoffnung, dass die Nachbarn etwas Energie für uns übrig haben, sind Atomausstieg und Kohleausstieg in Baden-Württemberg nicht zu verkraften», sagte Raimund Haser, Umweltexperte der CDU-Fraktion, der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart.

Wenn die regenerative Energiewelt der Zukunft Wirklichkeit werden solle, brauche man Gaskraftwerke als Brückentechnologie. Haser begrüßte den Vorstoß des Netzbetreibers Transnet, der für den Neubau von Gaskraftwerken Anreize schaffen will - auch wenn Deutschland derzeit versucht, seine Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren. Die modernen Gaskraftwerke sollen auch auf den Einsatz von Wasserstoff vorbereitet sein. Doch bisher sind nur wenige in Planung.

Die letzten AKW mit einer Kapazität von vier Gigawatt gehen schon Ende 2022 vom Netz. Bis 2030 fallen wegen des Kohleausstiegs noch einmal fast 30 Gigawatt Kapazität weg - davon betreffen über fünf Gigawatt direkt die Energieversorgung im Südwesten, wie es bei Transnet heißt. Darum müsse nun dringend Ersatz geplant werden. Haser sagte dazu: «Der Vorstoß kommt deshalb nicht zur Unzeit, sondern gerade noch rechtzeitig. Denn: Auf die Laufzeit dieser Verfahren dürfen wir heute schon gespannt sein.»

Für Transnet hatte Finanzvorstand Rainer Pflaume erklärt, man gehe mit einem Anreizkonzept für neue Gaskraftwerke an die Öffentlichkeit, «weil wir angesichts von Kernenergie- und Kohleausstieg jetzt mit den Planungen anfangen müssen. Schließlich sehen wir, dass Wirtschaft und Politik erfolgreich die Bezugsquellen für Gas diversifizieren, und setzen auf Wasserstoff als Energieträger der Zukunft.» Transnet, eine 100-prozentige Tochter des Versorgers EnBW, will Investoren bei der Entscheidung für den Neubau eine «feststehende Vergütung für die zu erwartende Netzdienlichkeit der Anlage» zusichern.

Haser sagte, diese Gaskraftwerke seien keine Option, «sie sind mit Blick auf Netzstabilität und Versorgungssicherheit ein Muss». Er ist sich sicher: «Jede Energiequelle muss im Südwesten ihren Beitrag leisten, damit Versorgungssicherheit zu bezahlbaren Preisen auch in Zukunft gewährleistet ist.»

Das Umweltministerium erklärte, für die Umrüstung der Kraftwerke seien die Betreiber verantwortlich. Grundsätzlich sei der Bund für die Rahmenbedingungen für Umrüstung oder Neubau von Gaskraftwerken zuständig. Das Land setze sich dafür ein, dass es auch kurzfristig ausreichend Anreize für den weiteren Zubau flexibler und gesicherter Leistung gebe. Das Aus für das AKW Neckarwestheim II Ende 2022 werde kurzfristig durch erhöhte Auslastung konventioneller Kraftwerke und höhere Stromimporte aus dem In- und Ausland ausgeglichen. «Auch die erneuerbaren Energien können ihren Beitrag leisten, deren Erzeugungskapazitäten kontinuierlich ansteigen», hieß es.

Der Transnet-Vorstand Pflaume sagte, moderne Gaskraftwerke seien der klimaverträglichste und effizienteste Weg, um den Übergang bis zum ausreichenden Ausbau der erneuerbaren Energien zu gestalten. Es bestehe dringender Handlungsbedarf, damit - trotz Genehmigungs- und Bauzeiten - die Anlagen rechtzeitig zur Verfügung stünden. «Doch angesichts der Veränderungen in der Erzeugungslandschaft herrscht auf Seiten der Investoren eine große Unsicherheit über der Rentabilität neuer Kraftwerke.» Hier wolle man gegensteuern.

Die EnBW setzt auch auf Gaskraftwerke. Aktuell gibt es drei Projekte, bei denen auf Gas zur Erzeugung umgestellt werden soll, wie eine Sprecherin mitteilte. In Heilbronn und Altbach/Deizisau (Kreis Esslingen) werde dadurch Steinkohle ersetzt und in Stuttgart-Münster wird Gas künftig zusätzlich für die Erzeugung neben der Verbrennung von Restmüll eingesetzt. Schon in der Vergangenheit wurde in Stuttgart-Gaisburg Steinkohle durch Gas ersetzt. Der Umstieg sei notwendig, um den Übergang sicherzustellen. Gaskraftwerke seien eine Übergangstechnologie. Die Hersteller der Anlagen garantierten, dass sie auch mit grünem Wasserstoff betrieben werden können.

Der Umweltverband BUND hält den Neubau von Gaskraftwerken nicht für den richtigen Weg. Der Ukrainekrieg mache deutlich, «dass wir unsere Abhängigkeiten von Erdgas reduzieren und nicht auch noch verstärken müssen», sagte Energieexperte Fritz Mielert. Gaskraftwerke seien nur eine Notlösung, die den erneuerbaren Energien einen Bärendienst erweise. «Für ihren schnellstmöglichen Ausbau braucht es Geld und politischen Druck. Beides ist stärker vorhanden, wenn nicht auf den vermeintlichen Ausweg Gas gesetzt wird.»

Transnet zu Gaskraftwerken

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