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Biontech-Impfstoff: Lucha und Ärzte kritisieren Rationierung

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne)
Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) spricht bei einer Pressekonferenz. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild
Bestellobergrenzen für den Biontech-Impfstoff gegen Covid-19? Die Kritik an der Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Spahn wächst auch in Baden-Württemberg.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) und die Ärzteschaft haben die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die Auslieferung des Corona-Impfstoffes von Biontech zu rationieren, scharf kritisiert. «In dieser Phase der Pandemie ist es ein fatales Signal, genau den Impfstoff, dem die Menschen derzeit am meisten vertrauen, mit Höchstbestellmengen zu versehen», sagte Lucha am Samstag in Stuttgart. Der Hausärzteverband von Baden-Württemberg forderte weiterhin die unbeschränkte Bestellmöglichkeit aller Impfstoffe.

Das Bundesgesundheitsministerium hatte in einem Schreiben an die Länder für die nächsten Wochen Begrenzungen bei Bestellmengen für den Impfstoff von Biontech/Pfizer angekündigt, damit das Präparat von Moderna bei den Auffrischungsimpfungen vermehrt zum Einsatz kommt. Andernfalls drohten eingelagerte Moderna-Dosen ab Mitte des ersten Quartals 2022 zu verfallen, was vermieden werden müsse. Praxen sollen demnach vorerst maximal 30 Dosen Biontech pro Woche bestellen können, Impfzentren und mobile Impfteams 1020 Dosen. Für Bestellungen von Moderna soll es keine Höchstgrenzen geben.

Baden-Württemberg fahre gerade die Impfkapazitäten an allen Fronten hoch, bei den mobilen Impfteams, an lokalen, festen Impfstützpunkten, bei der Ärzte- und Betriebsärzteschaft, sagte Lucha. Die Nachfrage nach Impfungen, vor allem nach Auffrischimpfungen, steige enorm. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz seien die Länder aufgefordert worden, bis Ende Dezember Millionen Menschen zu impfen, um die vierte Welle abzuflachen. «Und nun hören wir, dass Biontech zunächst nur noch begrenzt zur Verfügung stehen soll. Absolut nicht nachvollziehbar», betonte Lucha. Dies schwäche nicht nur die Impfkampagne, sondern lasse die Kraftanstrengungen ins Leere laufen.

Nach Angaben des Karlsruher Oberbürgermeisters Frank Mentrup (SPD) hat die angekündigte Begrenzung zu erheblichen Irritationen und Verunsicherung geführt. Dies laufe den momentanen Aktivitäten, möglichst viele Menschen zu impfen, zuwider, sagte Mentrup bei einem Online-Meeting am Sonntag. Wenn man es ernst meine, nun die Gruppe der 12- bis 17-Jährigen zu impfen, gehe das nur mit Biontech. «Die Limitierung ist eine Gefahr für Impfaktionen und letzten Endes für Menschenleben.» Die Vertreterin der niedergelassenen Ärzte in Karlsruhe, Marianne Difflipp-Eppele, meinte, für die kommende Woche gebe es noch genügend Biontech-Dosen. Für die übernächste Woche sei das unklar. «Ich fühle mich boykottiert», sagte die Ärztin.

Spahn sei der größte Impfbremser, sagte Werner Baumgärtner, Vorstandsvorsitzender von Medi Baden-Württemberg. Die rund 50.000 impfenden Ärzte bekämen so nur rund 1,5 Millionen Impfdosen pro Woche, die Praxen hätten aber zuletzt rund fünf Millionen Dosen bestellt, in erster Linie Impfstoff von Biontech/Pfizer. Baumgärtner forderte die Bundesregierung auf, die Impfbürokratie zu reduzieren und die Haftung für kürzere Beobachtungszeiten nach der Drittimpfung zu übernehmen, damit Ärzte schneller und mehr impfen können und somit die vierte Corona-Welle gebrochen werden könne.

Der erste Landesvorsitzende des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg, Berthold Dietsche, sagte: «Dies ist ein Schlag ins Gesicht für unsere Praxen. Die damit verbundenen Umstellungen auf einen anderen Impfstoff führen zu einem erheblichen Mehraufwand in den Praxen. Die Praxen haben ihre Impfquoten wieder deutlich hochgefahren und werden nun erneut durch die Politik ausgebremst.»

© dpa-infocom, dpa:211120-99-76557/4