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Personalie
Bisschen wie im Bundestag: Neue Kirchenspitze wird gewählt

Kirchenkreuz
Ein Kruez ist vor bewölktem Himmel zu sehen. Foto: Nicolas Armer
Eine neue Landesspitze in Baden - und auch die württembergischen Protestanten müssen ihren langjährigen Bischof verabschieden. Es sind zwei Personalwechsel in kritischen Zeit.

Stuttgart. Nach der Bischofswahl in der badischen Landeskirche brechen auch für die Protestanten in Württemberg neue Zeiten an. Landesbischof Frank Otfried July, seit 2005 Bischof in Württemberg und damit dienstältester Geistlicher auf einem solchen Posten in Deutschland, geht im Juli in den Ruhestand. Seine Nachfolge soll am heutigen Donnerstag (ab 11.00 Uhr) in einem komplizierten Verfahren von der württembergischen Landessynode gewählt werden.

Eine Bewerberin und zwei Kandidaten machen sich Hoffnungen auf den Platz an der Spitze der Evangelischen Landeskirche. Neben der Pfarrerin Viola Schrenk treten auch der Ulmer Dekan Ernst-Wilhelm Gohl und Gottfried Heinzmann, der Chef eines diakonischen Unternehmens, zur Wahl an. Geplant ist, dass sich die Synode bis Donnerstagabend mehrheitlich auf einen Kandidierenden einigt. Ein Muss ist das aber nicht: Die Abstimmung könne auch am Freitagmorgen oder sogar zu einem noch späteren Zeitpunkt abgeschlossen werden, einigten sich die Lager in der Synode nicht, teilte ein Kirchensprecher mit.

Denn die Landeskirche ist gespalten. Die einzelnen Gruppen, darunter meist strikt konservative Pietisten ebenso wie die linksliberale Gruppe «Offene Kirche», vertreten weit auseinander liegende Positionen. Keine der vier Fraktionen verfügt über die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit - und bei der Wahl gilt trotz des Corona-Risikos Präsenzpflicht.

Die Gesprächskreise: Bei der Bischofswahl benötigen Kandidierende eine Zweidrittelmehrheit der 91 Synodalen, um ins Amt gewählt zu werden. Den Ausschlag geben die sogenannten Gesprächskreise, die mit den Fraktionen in Parlamenten verglichen werden können. Größter Kreis ist mit 31 Sitzen die theologisch liberale «Offene Kirche», sie unterstützt Schrenk. Die theologisch konservativ-pietistische «Lebendige Gemeinde» (30 Sitze) setzt sich ebenso wie die Reforminitiative «Kirche für morgen» (12 Sitze) für Gottfried Heinzmann ein. Somit können die beiden großen Gesprächskreise praktisch jeden Kandidaten verhindern. «Evangelium und Kirche» bildet eher die kirchenpolitische Mitte ab, dieser Kreis will den Dekan Gohl wählen.

Die Wahl: Erreicht keiner der Kandidierenden in den ersten drei Wahlgängen die nötige Mehrheit, scheidet die Bewerbung mit den wenigsten Stimmen aus. Das ist auch nach fünf Wahlgängen der Fall. Erreicht die verbliebende Kandidatur dann Zweidrittel der Stimmen, ist die Wahl erfolgreich. Ist das nicht der Fall, muss der Wahlvorstand einen neuen Vorschlag aufstellen - und das Ganze beginnt von vorne. Die Amtszeit des Landesbischofs dauert zehn Jahre. Eine Wiederwahl ist möglich.

Die Kandidierenden: Schrenk (51) ist promovierte Theologin und Studieninspektorin am Evangelischen Stift der Landeskirche in Tübingen. Der 58 Jahre alte Gohl ist seit 2006 Dekan in Ulm und gehört seit 2007 dem württembergischen Kirchenparlament an. Heinzmann (56) leitet seit 2017 als Vorstandsvorsitzender «die Zieglerschen», ein diakonisches Unternehmen, das an 56 Standorten im Südwesten aktiv ist.

Der Landesbischof: Niemand ist so lang in Amt und Würden unter seinen Kirchenkollegen wie July. Bei seiner Wahl vor 15 Jahren war er mit 51 Jahren auch der jüngste Bischof in der Geschichte der Landeskirche. Der vierfache Vater schaut auf bewegte Zeiten an der Spitze der Landeskirche zurück: Der massive Mitgliederschwund belastet weiter den Haushalt. Und der Kompromiss über die Segnungsgottesdienste für homosexuelle Paare sorgte für Wogen, die July in Schwerstarbeit glätten musste.

Die wichtigsten Themen: Die neue Kirchenspitze wird vor allem Vertrauen gewinnen müssen. Denn im vergangenen Jahr haben ihr 25 529 evangelische Christen den Rücken gekehrt. Bei Julys Amtsantritt im Sommer 2005 zählte die Landeskirche in Württemberg als eine der größten protestantischen Kirchen in Deutschland noch 2,4 Millionen Mitglieder. Heute gibt es nur noch knapp 1,9 Millionen evangelische Christen im Südwesten. Weniger Mitglieder bedeuten aber auch weniger Einnahmen aus der Kirchensteuer.

Badische Landeskirche: Auch sie bekommt eine neue Spitze. Die Pforzheimer Pfarrerin Heike Springhart wurde im vergangenen Dezember von der Synode zur Nachfolgerin von Jochen Cornelius-Bundschuh gewählt, der zum April 2022 in den Ruhestand geht. Er ist seit 2014 im Amt.

Evangelische Landeskirche

Video zum Wahlablauf in der Synode

© dpa-infocom, dpa:220316-99-547889/3