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Verkehr
CDU «irritiert» über Kretschmanns Zweifel an Klimazielen

Winfried Kretschmann
Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann nimmt an einer Landespressekonferenz teil. Foto: Marijan Murat
Sind die hochgesteckten Klimaziele realistisch oder nicht? Selbst der grüne Regierungschef hat da so seine Zweifel. Die CDU ist irritiert, Umweltverbände sind entsetzt. Der grüne Fraktionschef versteht die Aufregung nicht.

Stuttgart. Die CDU hat den grünen Koalitionspartner aufgefordert, für Klarheit bei den Klimazielen zu sorgen. Nachdem Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) Zweifel an den Zielen im Verkehrssektor geäußert hatte, verwies die CDU nun auf den Koalitionsvertrag. Darin und im Klimaschutzgesetz habe man «ganz konkrete Ziele» vereinbart, sagte ein Fraktionssprecher am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart.

«Die Vielstimmigkeit nehmen wir irritiert zur Kenntnis, da nun offenbar von konkreten Zielen abgerückt werden soll.» Er fügte hinzu: «Bis zur Einbringung des Klimaschutzgesetzes in den Landtag sollte diese Findung abgeschlossen sein, damit wir unseren ambitionierten Zeitplan einhalten können.» Klimaschutz sei für die CDU ein zentrales Anliegen. «Da sollten wir jetzt nichts verstolpern.»

Kretschmann hatte am Dienstag erklärt, das Klimaziel beim Verkehr zu erreichen, werde wegen Geldmangels zum Problem. «Darum bin ich nicht am Wettlauf, immer schärfere Ziele zu formulieren, beteiligt», sagte der Regierungschef. Das Land müsste die Treibhausgase im Verkehr innerhalb von sieben Jahren um 55 Prozent verringern, um seine Klimaziele zu erreichen.

Der Ministerpräsident hatte aber schon bei der Vorstellung des Klimaschutzgesetzes Mitte September erklärt, es werde erst hinterher klar sein, ob das Land die Ziele letztlich schaffen könne. Mit der Novelle will Baden-Württemberg das erste Bundesland sein, das konkrete Ziele für die Reduzierung von CO2 für Verkehr, Gebäude und Wirtschaft gesetzlich verankert.

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz ließ klarstellen, dass das im September beschlossene Klimaschutzgesetz weiter gelte. «Der Fahrplan steht. Es gibt lediglich wenige redaktionelle Details zu klären», sagte eine Sprecherin. «Wir gehen fest davon aus, dass der Ministerrat den Entwurf Anfang Dezember beschließt. Noch vor Weihnachten soll die erste Lesung im Parlament stattfinden.» Das Gesetz soll ein wichtiger Baustein sein, um Baden-Württemberg bis spätestens 2040 klimaneutral zu machen. Dazu müsse jeder Bereich der Landespolitik seinen Beitrag leisten.

Allerdings gibt es auch in der CDU-Fraktion Zweifel an der Erreichbarkeit des Klimaziels beim Verkehr. «Ich bin kein Freund davon, nur Ziele ins Schaufenster zu stellen», hatte der Experte der Fraktion, Thomas Dörflinger, am Dienstag gesagt. Klar ist: Mit dem Gesetz müssten Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ihre Anstrengungen vervielfachen, um die Ziele zu erreichen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz und der ökologische Verkehrsclub übten heftige Kritik an Kretschmanns Äußerungen. «Das Signal, das der Ministerpräsident setzt, ist verheerend. Genau in dem Sektor, in dem wir am weitesten von den Zielen entfernt sind, werden die Ziele nun relativiert», sagte Martin Bachhofer, Landesgeschäftsführer beim BUND, am Mittwoch in Stuttgart. Er forderte, dass die grün-schwarze Landesregierung den Neu- und Ausbau von Landes- und Kreisstraßen auf den Prüfstand stellen müsse. «Hier lässt sich Geld einsparen und auf den ÖPNV umschichten.»

Der Vorsitzende des ökologischen Verkehrsclubs, Matthias Lieb, zeigte kein Verständnis für Kretschmanns Äußerung. «Dass Klimaschutz nicht zum Nulltarif zu haben ist, war schon bei der Verabschiedung der Klimaziele bekannt. Jetzt so zu tun, als ob man völlig überraschend bemerkt habe, dass für den Klimaschutz im Verkehr kein Geld da sei, ist völlig unglaubwürdig.»

Der Verkehrssektor habe seit 30 Jahren keinen Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Auch Lieb ist der Meinung: «Nach wie vor wird viel zu viel Geld in immer neue Straßen gesteckt - hier könnten Finanz- und Planungskapazitäten für den Ausbau von Bus und Bahn umgeschichtet werden.»

© dpa-infocom, dpa:221123-99-634745/3