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Die Rechten links liegen lassen: Debatte um Umgang mit AfD

Andreas Stoch
Andreas Stoch, Landesvorsitzender der SPD Baden-Württemberg. Foto: Christoph Schmidt/Archivbild
Die AfD poltert und provoziert gern im Parlament. Die anderen Abgeordneten ringen um den richtigen Umgang mit den Rechtspopulisten. Zurückhaltung? Protest? SPD-Chef Stoch findet: Schweigen ist Gold.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Stummer Protest im Landtag? SPD-Landeschef Andreas Stoch schlägt vor, AfD-Debatten im Landtag häufiger zu ignorieren und zu schweigen. «Wenn wir glauben, auf alle Behauptungen eingehen zu müssen, geben wir ihnen erst die Bühne, um ihren Unfug ausbreiten zu können», sagte Stoch am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. «Wir werten die AfD auch ein Stück auf, indem wir auf ihre Provokationen einsteigen.» Die Würde des Landtags stehe auf dem Spiel. Stoch fordert ein gemeinsames Vorgehen der anderen Fraktionen - die reagieren allerdings eher verhalten auf den Vorstoß.

Stoch rief die Fraktionschefs von Grünen, CDU und FDP am Freitag in einem Schreiben auf, sich nach der Sommerpause zu treffen, um den Umgang mit der AfD und seinen Vorschlag zu beraten. «Wir haben uns viel zu lange viel zu viel bieten lassen», heißt es in dem Brief.

Anlass seiner Überlegungen seien die Geschehnisse im Landtag der letzte Monate, sagte Stoch. Der AfD fehle jeder Respekt vor dem politischen Gegner. Die Hardliner in der AfD würden immer dominanter in der Partei auftreten. Er nannte etwa den Abgeordneten Stefan Räpple als Beispiel, der immer wieder mit Provokationen für Schlagzeilen sorgt - und sich im Dezember nach einem Sitzungsausschluss von Polizisten aus dem Saal hatte bringen lassen.

«Es stellt sich mir die Frage, ob wir wirklich auf jede Provokation eingehen und über jedes Stöckchen springen müssen, das sie uns hinhalten», sagte Stoch. «Ich hätte kein Problem damit, die AfD mit ihren Thesen schlicht ins Leere laufen zu lassen.» Je unsinniger und provokanter die Thesen seien, desto eher führe das zu offenem Streit im Plenum. Damit erlange die AfD öffentliche Aufmerksamkeit.

Man wolle sich aber gleichzeitig nicht dem demokratischen Diskurs entziehen, sagte Stoch - es gebe Themen, bei denen man die AfD widerlegen müsse. Aber manchmal könne Schweigen sinnvoller sein als Redebeiträge. «Ein dröhnendes Schweigen kann wirksamer sein als tausend Worte.» Das müsse man gut abwägen im Einzelfall. Stoch sieht auch keine Gefahr, sich dadurch angreifbar zu machen. «Die Opferrolle wird die AfD immer in Anspruch nehmen - ob wir reden oder schweigen.»

Die AfD nutze Debatten, um zu provozieren und Verschwörungsmythen zu transportieren, sagte Stoch. Man müsse darüber sprechen, ob man im Plenum dann sitzen bleibe oder zumindest das Thema nur in ein paar Sätzen abhandele. Darüber müssten sich die Fraktionschefs austauschen. Es brauche einen Konsens im Umgang mit der AfD.

Stochs Vorstoß stieß bei den anderen Fraktionschefs allerdings auf eher zurückhaltendes Echo. Für den Umgang mit der AfD gebe es kein Patentrezept, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Reinhart. «Wir müssen jeden Einzelfall gesondert betrachten und dann angemessen reagieren.» Am Wichtigsten bleibe die inhaltliche Entlarvung der AfD. «Wir sollten daher auch eine gewisse Souveränität an den Tag legen, trotz der Provokationen der AfD.» Wenn man sie ständig thematisiere und Strategiedebatten darüber führe, mache man auch ein Stück weit deren Öffentlichkeitsarbeit.

«Seit die AfD im Landesparlament sitzt, tritt sie die Würde des Hauses mit Füßen», betonte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Uli Sckerl. «Es geht ihr um Provokation und das Unterhöhlen des freiheitlich-demokratischen Systems. Schweigen ist manchmal Gold, aber nicht immer.» Es sei wichtiger denn je, im Plenum die demokratischen Werte zu verteidigen. «Darin sind sich alle demokratischen Kräfte einig.»

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke hält nach eigenen Worten wenig von den Plänen. Stoch solle eine Gesprächsankündigung zu diesem Thema «nicht mit einem derartigen Brimborium öffentlich ankündigen». «Wenn die SPD beklagt, dass die AfD zu viel Aufmerksamkeit bekommt, dann sollte sie gerade nicht so vorgehen», kritisierte Rülke. «In der Art und Weise ,wie Andreas Stoch agiert, ist das Einzige, was er erreicht, dass die AfD wieder einmal im Fokus des öffentlichen Interesses steht und sich als Opfer von konspirativen Beratungen der sogenannten «Altparteien» inszenieren kann.»

Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) sagte, Streit zwischen Parteien um inhaltliche Fragen sei ein wesentliches Merkmal der Demokratie. «Man muss auch mit der AfD streiten über so manchen Unsinn, den die Partei und deren Abgeordnete verzapfen.» Es könne durchaus Situationen geben, wo es angeraten sei, sitzen zu bleiben im Plenum. Bei manchen Themen müsse man die AfD aber stellen, etwa bei deren Anfrage zur Nationalität von Künstlern. «Da bin ich absolut dagegen, dass man das dann laufen lässt.» Untersteller sagte, dass er die AfD-Abgeordneten in seinem Bereich in der Regel ignoriere. «Die leugnen ja gegen jede wissenschaftliche Erkenntnis sogar den Klimawandel. Ich lasse sie da einfach links liegen.»

Der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Emil Sänze wies den Vorstoß scharf zurück und kritisierte Grüne, SPD, FDP und CDU als «Blockparteien nach dem Muster der alten SED». Parlamentarismus sei der Austausch von Meinungen, wie provokativ und kontrovers sie auch sein mögen. Wer dies unterbinden wolle, erweise sich als «intellektueller Zwerg auf dem demokratischen Niveau der DDR».

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte der AfD vor wenigen Tagen eine Mitschuld an einer Verrohung der Gesellschaft zugewiesen. «Schon ihre Reden im Landtag sind durchzogen von dumpfem Nationalismus und plumpen Ressentiments», hatte der Grünen-Politiker der dpa gesagt. AfD-Landeschef Bernd Gögel nannte die Vorwürfe haltlos. Kretschmann greife «zum Züchtigungselement der Nazi-Keule, um deutsche Patrioten und national denkende Mitbürger zu stigmatisieren und kriminalisieren».