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FDP stellt Strafanzeige gegen Strobl: Rückendeckung aus CDU

Hans-Ulrich Rülke (FDP)
Hans-Ulrich Rülke, Fraktionsvorsitzender der FDP im baden-württembergischen Landtag, spricht. Foto: Uli Deck
Die Opposition will den Innenminister nicht vom Haken lassen. Die FDP dringt auf eine Ausweitung der Ermittlungen gegen Strobl in der Affäre um die Weitergabe eines Anwaltsschreibens an die Presse. Die CDU schließt die Reihen um ihren Landeschef.

Stuttgart/Waiblingen. Die FDP-Fraktion hat Strafanzeige gegen Innenminister Thomas Strobl wegen Geheimnisverrats in der Affäre um sexuelle Belästigung durch einen ranghohen Polizisten gestellt. Der CDU-Politiker stehe im Verdacht, mit der Weitergabe eines Schreibens des Anwalts des Beamten an die Presse Dienstgeheimnisse verraten zu haben, heißt es in der Anzeige, die FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke auch im Namen seiner Fraktion bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingereicht hat. Die Anzeige liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Zudem halten die Liberalen dem Minister vor, frühere Vorermittlungen in der Sache unterbunden zu haben. Damit stehe der Verdacht der Strafvereitelung im Amt im Raum. Darüber hinaus habe Strobl gegen den Datenschutz verstoßen.

Strobl zeigt sich gelassen: «Ermittlungen völlig in Ordnung»

Der Innenminister steht wegen der Affäre massiv unter Druck, die Opposition fordert am Wochenende erneut lautstark seinen Rücktritt. Am Samstag sagte der 62-jährige CDU-Landeschef, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn seien «völlig in Ordnung». Das sei der Rechtsstaat, für den er lebe und arbeite, erklärte Strobl in einer Videobotschaft für den Bezirksparteitag der CDU Nordwürttemberg in Waiblingen. Seit Mittwoch ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Minister wegen der Weitergabe des Schreibens. Der Reporter wird verdächtigt, aus amtlichen Dokumenten des laufenden Verfahrens gegen den Polizisten zitiert zu haben. Strobl wiederum soll ihn dazu angestiftet haben.

Am Freitagabend durchsuchte die Anklagebehörde das Ministerium und stellte Unterlagen sicher. Das Ministerium erklärte, man habe der Anklagebehörde «vollumfänglich und unverzüglich alle Informationen gegeben». SPD und FDP forderten am Wochenende Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) erneut auf, den Minister und Vize-Regierungschef der grün-schwarzen Koalition zu schassen. SPD-Landeschef Andreas Stoch sagte bei einem Parteitag in Stuttgart: «Handeln Sie endlich, Herr Kretschmann, entlassen sie diesen Minister.»

CDU schließt die Reihen um Strobl: «Sehr guter Innenminister»

Aus der CDU gab es dagegen Rückendeckung für den Landesparteichef. Der Vize-Chef der Unions-Fraktion im Bundestag, Steffen Bilger, sagte am Randes des Bezirksparteitags der CDU Nordwürttemberg am Samstag in Waiblingen: «Er ist unsere Nummer Eins in der Landesregierung. Er ist ein sehr guter Innenminister.» Bilger kritisierte die Rücktrittsforderung der Opposition im Landtag. «Das nutzt sich irgendwann einmal ab.» Aus Sicht von CDU-Generalsekretärin Isabell Huber ist Strobl ein «klasse Innenminister, der in den vergangenen sechs Jahren sehr viel für die Sicherheit im Land erreicht hat».

Worum sich die Affäre eigentlich dreht

Im Zentrum der Affäre stehen eigentlich Ermittlungen gegen einen führenden Polizisten wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung. Der Mann soll eine Hauptkommissarin in einem Videochat mit seinen Vorstellungen sexueller Praktiken belästigt haben. Strobl hatte am Mittwoch eingeräumt, im Dezember einem Journalisten ein Schreiben des Anwalts des Beschuldigten weitergegeben zu haben. Er habe damit für «maximale Transparenz» sorgen wollen. In dem Schreiben hatte der Anwalt des suspendierten Beamten dem Ministerium ein persönliches Gespräch angeboten, das für beide Seiten besser sei als ein juristisches Verfahren. Strobl erklärte nun, dies sei ein «vergiftetes Angebot» gewesen.

FDP vermutet weitere «strafbare Handlungen»

Die FDP-Innenexpertin Julia Goll erklärte zu der Strafanzeige gegen Strobl, es gebe «weitere Anhaltspunkte für strafbare Handlungen», die die Staatsanwaltschaft in den Blick nehmen sollte. Vor allem müsse beleuchtet werden, ob das Innenministerium auf die damalige Anfrage der Staatsanwaltschaft, gegen Unbekannt ermitteln zu dürfen, nicht hätte zustimmen müssen. «Stattdessen hat man verschleiert, dass man genau wusste, dass der Minister selbst das Schreiben weitergegeben hat.» Die FDP halte deswegen «die Entlassung des Verfassungsministers durch den Ministerpräsidenten für unausweichlich».

CDU versucht Ruhe zu bewahren

Ex-Ministerpräsident Günther Oettinger empfahl der eigenen Partei Geduld. Der 68-jährige CDU-Mann sagte am Rande des Bezirksparteitags in Waiblingen: «Es ist kein komplexer Wirtschaftsfall.» Er erwarte - ohne Drängeln zu wollen - in vier bis sechs Wochen ein Ergebnis der Ermittlungen. Er verwies zugleich darauf, dass Kretschmann sowie die Fraktionschefs Andreas Schwarz (Grüne) und Manuel Hagel (CDU) dem Minister den Rücken gestärkt hätten.

Auf das Thema Strobl wollten die Delegierten des Bezirksparteitags am liebsten nicht angesprochen werden. «Kein Kommentar», sagte Nicole Razavi, Wohnungsbauministerin. Der für Migration zuständige Staatssekretär im Justizministerium, Siegfried Lorek, gab sich ebenfalls wortkarg. Er habe mit dem Thema Migration genügend zu tun, sagte er. Mehrere einfache Delegierte forderten eine rasche Aufklärung der Vorwürfe. Es müsse schnell Klarheit herrschen, was Sache sei, sagte ein Delegierter, der seinen Namen nicht nennen wollte. Die Rücktrittsforderung sei er überzogen.

© dpa-infocom, dpa:220507-99-192355/3