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GEW: Schulschließungen durch schnelles Handeln verhindern

Impfung
Eine Spritze liegt auf einem Impfpass. Foto: Friso Gentsch/dpa/Illustration
Kultusministerin Schopper will wegen Corona eigentlich keine Schulen mehr schließen. Doch in der vierten Welle werden sich voraussichtlich viele Kinder und Jugendliche anstecken. Hat die Politik genügend Vorkehrungen getroffen, um Präsenzunterricht abzusichern?
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Lehrerverbände und SPD haben die grün-schwarze Landesregierung unmittelbar vor Schulstart aufgefordert, durch schnelles Handeln erneute Schließungen im Herbst noch zu verhindern. Es gebe angesichts der steigenden Infektionszahlen viel zu wenige Luftfilter, CO2-Ampeln und kaum mobile Impf- und Testteams, kritisierten die Gewerkschaft GEW, der Verband der Berufsschullehrer und die SPD-Fraktion am Mittwoch in Stuttgart. «Meine Befürchtung ist, dass wir im Herbst wieder über Fernunterricht reden werden», sagte GEW-Landeschefin Monika Stein. In welchem Ausmaß Schulen geschlossen werden müssten, hänge von der Entwicklung der Corona-Zahlen und der Impfbereitschaft ab.

Die Verantwortung für mögliche Lockdowns liege bei Bund, Land und Kommunen, die nicht genügend in Schutzmaßnahmen investiert hätten, sagte Stein. «Alle drei haben zu wenig dafür getan, Schulen so sicher wie möglich zu machen.» Auch der Chef des Berufsschullehrerverbands im Land, Thomas Speck, sagte: «Der Präsenzunterricht ist meiner Meinung nach sehr gefährdet.» In anderen Bundesländern, in denen die Schule schon länger wieder läuft, sehe man, dass die Zahl der Ansteckungen bei jungen Leuten stark steige, weil viele nicht geimpft seien. Am Montag beginnt in Baden-Württemberg wieder die Schule. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) setzt auf Präsenzunterricht im gesamten Schuljahr 2021/2022.

GEW-Landeschefin Stein forderte erneut, alle Klassenzimmer mit Luftreinigungsgeräten auszustatten. «Ein Lockdown würde sich dadurch vermeiden lassen.» Das Land und die Kommunen müssten hier viel schneller handeln. «Ich bin mehr als sauer an dieser Stelle.» Speck berichtete, eine Umfrage des Verbands habe ergeben, dass 53 von 180 Schulen keine CO2-Messgeräte hätten, obwohl diese preislich günstig seien. «Es ist peinlich und traurig zu gleich.» Die Lehrkräfte fühlten sich «im Stich gelassen». Zwei Drittel der befragten Berufsschulen hätten angegeben, keine Luftfilter zu haben. Hier habe man in der Corona-Krise zu viel Zeit verstreichen lassen.

Für die SPD unterstützte Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei die Forderungen der Lehrerverbände: «Deutlich mehr Geld für mobile Luftreinigungsgeräte in den Schulen, mehr Angebote zum Impfen mit mobilen Impfteams an den Schulen und flächendeckend Pool-Testungen an den Schulen und Kitas», forderte er.

Bei der Impfkampagne sehen beide Verbände noch großen Nachholbedarf. So müssten auch Impfungen an Schulen für Schülerinnen und Schüler über zwölf Jahren angeboten werden. Die Idee: Mobile Impfteams und Impfaktionen an Schulen. Um die Impfquote zu erhöhen, seien zudem kreative Ideen gefragt - auch im Gesundheitsministerium von Manne Lucha (Grüne). «Wie wäre es zum Beispiel mit einem Lucha-Schüler*innen-Döner-Gutschein für jede geimpfte Person ab zwölf Jahren?», schlug Stein vor. Der Grüne könne aber auch Geld für «vegetarische Döner» lockermachen. Zudem müsse mehr informiert werden - auch über die sozialen Medien.

Das Sozialministerium verwies darauf, dass am kommenden Wochenende die Impfzentren vor allem für 12- bis 17-Jährige geöffnet seien. «Fast ein Drittel der 12- bis 17-Jährigen in Baden-Württemberg hat bereits eine erste Corona-Schutzimpfung erhalten», sagte Ute Leidig, Staatssekretärin im Ministerium. Man dürfe jetzt nicht nachlassen.

Die GEW geht nach eigenen Umfragen davon aus, dass 80 bis 95 Prozent der Lehrkräfte vollständig geimpft seien. Die Auskunftspflicht über den Impfstatus der Lehrerinnen und Lehrer hält Stein für nicht sinnvoll. «Es erschließt sich uns nicht, was der Vorteil ist. Welche Konsequenz soll daraus folgen?», fragte Stein. Speck sagte: «Eine Auskunftspflicht bringt nichts, weil wir die Lehrkräfte nicht aus dem Unterricht nehmen können, weil wir sie brauchen.»

Beide Verbände dringen auf regelmäßige Lolli-PCR-Tests in den Schulen. Dieses seien sicherer als die zwei wöchentlich geplanten Antigen-Schnelltests. Wenn die grün-schwarze Regierung dies aus finanziellen Gründen verweigere, sei das «beschämend», sagte Stein. Speck bemängelte, dass durch die Testung am Morgen viel Unterrichtszeit verloren gehe. «Wo bleiben die mobilen Testteams?»

GEW und der Berufsschulverband blicken mit Sorge auch auf den Lehrermangel. Die Zahl der Berufsschullehrer sank nach Specks Angaben im Zeitraum von 2017 bis 2020 um rund 20 Prozent. Besonders in den sogenannten Mangelfächern, wie Elektrotechnik und Informatik fehle der Nachwuchs bei den Lehrkräften. Die GEW befürchtet, dass die Corona-Pandemie das Problem sogar noch verschlimmern könnte. Mehr ältere Lehrerinnen und Lehrer würden überlegen, früher in den Ruhestand zu gehen. «Die Aussage lautet oft: "Lieber gehe ich mit Verzicht auf Bezüge und gehe früher in Rente"», sagte Stein.

© dpa-infocom, dpa:210908-99-133413/4