1. Startseite
  2. Überregionales
  3. Stuttgart & Südwest
Logo

Wetterdienst
Heiß und zu trocken: Bilanz nach möglichem Rekordsommer

Sonne in Baden-Württemberg
Hinter einer Wiese mit blühendem Klee in Riedlingen geht die Sonne auf. Foto: Thomas Warnack
Die Sommerferien sind noch nicht zu Ende, da ziehen Umwelt- und Klimaexperten schon Bilanz: Der Sommer 2022 war in Baden-Württemberg rekordverdächtig. Doch das ist nicht unbedingt ein Grund zur Freude.

Karlsruhe. Ausgedorrte Äcker, eingeschränkte Schifffahrt und Herbstlaub mitten im August: Der Sommer hat in diesem Jahr zwar gehalten, was er verspricht - «fulminante 900 Stunden» Sonne zählte der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Baden-Württemberg. «Der Südwesten konnte damit auch zur zweitsonnigsten Region in Deutschland gekürt werden», teilte der DWD am Dienstag in Offenbach mit. Das Saarland kam demnach auf 910 Sonnenstunden. Viele Menschen und nicht zuletzt die Natur haben aber auch die Schattenseiten zu spüren bekommen.

Als heiß und deutlich zu trocken stufte die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) den Sommer 2022 ein. Er habe das Potenzial, zum bislang heißesten im Südwesten zu werden, sagte LUBW-Präsident Ulrich Maurer. Die Karlsruher Behörde zählte schon 23 Hitzetage, an denen die Höchsttemperatur im landesweiten Mittel bei 30 Grad oder mehr lag. «Und wir sind ja noch nicht am Ende des Sommers», sagte Maurer. Im Rekordjahr 2003 habe es 27 Hitzetage gegeben.

Nicht nur heiß, sondern auch trocken

«Zur Hitze gesellte sich zusätzlich eine Niedrigwassersituation mit Pegelständen, wie wir sie in der Vergangenheit erst im Herbst nach lang anhaltenden Trockenperioden verzeichnet haben», sagte Maurer. Mit knapp 170 Millimetern Niederschlag im Schnitt in den Monaten Juni, Juli und August (Stand 24. August) dürfte der Sommer zu den zehn trockensten in Baden-Württemberg gehören. Im Dürrejahr 2018 lag der Wert bei 164 Millimetern und im Jahr 2003 bei 174 Millimetern.

Der DWD ist mit der Datenauswertung schon ein paar Tage weiter und gibt seine Daten etwas anders an, kommt auf 190 Liter pro Quadratmeter. Im Vergleich mit den anderen Bundesländern sei Baden-Württemberg damit nach Bayern (205 Liter) auf dem zweiten Platz der nassesten Regionen gewesen, teilten die Meteorologen in Offenbach mit. Das waren aber mehr als hundert Liter weniger als im Mittel der Referenzperiode von 1961 bis 1990.

Vorgeschmack auf künftige Sommer

«Um das ganz deutlich zu sagen: Es ist keine Ausnahmesituation», betonte Maurer. Der Klimawandel sei da und nicht zu leugnen. Deutschlandweit war der Sommer 2022 laut DWD der sonnigste und sechsttrockenste und gehört zu den vier wärmsten seit Beginn der Aufzeichnung. DWD-Sprecher Uwe Kirsche sagte: «Wir dürften damit in Zeiten des Klimawandels einen bald typischen Sommer erlebt haben.»

Niedrigwasser an Flüssen und Seen

Mit 304 Zentimetern lag der Spiegel des Bodensees am Pegel Konstanz Mitte August auf einem so niedrigen Niveau, wie es üblicherweise erst Anfang November erreicht wird. Das wirke sich auf den Oberrhein aus, erläuterte der LUBW-Präsident. Am Pegel Maxau in Karlsruhe lag der Wasserstand demzufolge in der ersten Augustwoche bis zu 20 Zentimeter niedriger als in den vergangenen 40 Jahren Anfang August.

Auch andere Flüsse sind betroffen: Am Montag wiesen laut der LUBW-Hochwasservorhersagezentrale rund 60 Prozent der Pegel einen Wasserstand auf, der unter dem niedrigsten Wasserstand eines durchschnittlichen Jahres liegt. Das wird mittleres Niedrigwasser genannt. Anfang August waren es sogar rund 80 Prozent.

Hinzu kommen steigende Wassertemperaturen. Mit jeweils etwas mehr als 23 Grad verzeichnete die Landesanstalt für den Neckar bei Besigheim (Landkreis Ludwigsburg) die zweithöchste bisher gemessene mittlere Wassertemperatur und für den Rhein bei Karlsruhe die dritthöchste. In der Donau bei Ulm wurde den Angaben zufolge mit rund 20,8 Grad sogar die höchste mittlere Wassertemperatur gemessen.

Grundwasservorräte füllen sich nur langsam

Bei den Grundwasserständen werden sich die Auswirkungen der Trockenperiode erst zeitlich verzögert zeigen, wie Thomas Gudera von der LUBW sagte. «Das Grundwasser hat ein langes Gedächtnis.» So seien die Trockenjahre 2018 bis 2020 bis heute noch nicht ganz vergessen.

Zum Auffüllen der Grundwasservorräte ist demnach das hydrologische Winterhalbjahr (November bis April) wichtig. Dies trage drei Viertel zur Grundwasserneubildung bei, sagte Gudera. Rund 55 Prozent der Niederschläge fielen aber im Sommer. Und auch wenn künftig trockenere Sommer und feuchtere Winter erwartet werden, lassen Prognosen nicht viel Gutes erwarten: Schon die Niederschlagsmengen in den Wintern der vergangenen Jahre seien oft unterdurchschnittlich gewesen.

Bürger sollten neben Gas auch Wasser sparen

«Alle Wassersparmaßnahmen helfen», sagte LUBW-Präsident Maurer. So sollten Verbraucherinnen und Verbraucher neben Gas auch auf das Wasser achten. Viele verzichteten beispielsweise schon darauf, ihren Garten zu wässern. Die Landesregierung wiederum stelle sich mit einem Masterplan Wasserversorgung auf diese Situation ein.

Die Folgen des Hitzesommers sehen nicht nur Bauern auf ihren Feldern anhand vertrockneter Pflanzen, spüren nicht nur Kapitäne, die weniger Fracht laden können. Im Bodensee vermehrten sich Algen dank der massiven Sonneneinstrahlung. Fischen werde es mitunter zu warm, sagte der Leiter des Instituts für Seenforschung der LUBW, Harald Hetzenauer. Der Bodenseestrandrasen mit teils stark gefährdeten Arten sei zwar wechselnde Wasserstände gewöhnt, brauche sie sogar - dürfe aber auch nicht zu lange trocken stehen. Schilf hingegen zählte Hetzenauer zu den Gewinnern: «Es kann weiter voranwachsen.»

LUBW-Infos über Grundwasserstände

LUBW-Lagebericht zur Niedrigwassersituation

Augustbilanz DWD

Sommerbilanz DWD (Juni bis August)

© dpa-infocom, dpa:220830-99-566449/3