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Impfstoff-Verteilung des Bundes: Südwesten beschwert sich

Ein Fläschchen mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson
Ein Fläschchen mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson wird gezeigt. Foto: Federico Gambarini/dpa/Symbolbild
Das Sozialministerium beklagt eine ungerechte Verteilung der Corona-Impfdosen auf die Bundesländer. Weil Ärzte hierzulande weniger Dosen abrufen würden, lande nun weniger Impfstoff im Südwesten. Doch so einfach ist es nicht, heißt es von den Kassenärzten.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Die Corona-Impfkampagne im Südwesten läuft noch immer nicht so, wie sie soll. Erneut hat sich die Landesregierung beim Bund über Impfstofflieferungen beschwert. Diesmal geht es beim Zwist zwischen Stuttgart und Berlin um die Verteilung der Impfdosen auf die Bundesländer. Baden-Württemberg habe bis einschließlich Kalenderwoche 20 rund 95.000 Dosen Impfstoff weniger bekommen, als dem Land gemäß Bevölkerungsschlüssel zustünden, teilte eine Sprecherin des Sozialministeriums in Stuttgart am Donnerstag mit. Dies gehe aus einem Bericht des Paul-Ehrlich-Instituts hervor. Zuvor hatte die «Bild»-Zeitung berichtet.

Hintergrund sind demnach nicht abgerufene Impfdosen von niedergelassenen Ärzten in Baden-Württemberg. Sollten Ärzte Impfstoff nicht abrufen, müsse dieser an die Impfzentren des Landes gehen und nicht an Ärzte in anderen Bundesländern. Die Sprecherin nannte etwa Nordrhein-Westfalen. Dieses Bundesland liege rund 130.000 Dosen im Plus.

Zugleich seien die Impfzentren in Baden-Württemberg derzeit nur zu rund 60 Prozent ausgelastet. Es gebe also durchaus Kapazitäten, den Impfstoff schnell und effizient zu impfen, sagte die Sprecherin weiter. Sozialminister Manne Lucha (Grüne) habe sich in dieser Sache bereits an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gewandt.

Dass die Ärzte im Südwesten weniger Impfstoff abgerufen hätten, könne er so nicht bestätigen, sagte ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) am Donnerstag. Die Lage sei sehr unterschiedlich. Es gebe durchaus auch Ärzte, die weniger Impfstoff erhalten hätten als bestellt.

Doch in vielen Praxen im Land zeigten Patienten eine geringe Akzeptanz für den Impfstoff von Astrazeneca, was dazu führe, dass diese Praxen künftig weniger impften. Zudem sei der Aufwand für die Organisation der Impfungen mit Astrazeneca für manche Praxen mittlerweile zu groß. Als einen weiteren Grund für einen möglichen Rückgang der Bestellungen nannte der Sprecher die Pfingstferien. «Wenn Praxen geschlossen sind, wird auch kein Impfstoff abgerufen.»

Während es landesweit weiter an Impfstoff mangelt, werden in den Impfzentren und auch bei den Hausärzten im Südwesten regelmäßig Termine für Corona-Impfungen abgesagt. Nach Angaben des Sozialministeriums handelt es sich um Einzelfälle. Zahlen liegen dem Ministerium nicht vor, es spricht aber von einem «verschwindend geringen Anteil». Aus den Impfzentren sind aber auch andere Eindrücke zu hören.

So schätzen die Verantwortlichen im Ulmer Impfzentrum die Quote der nicht wahrgenommenen oder abgesagten Termine auf drei oder vier Prozent. Beim lange umstrittenen Astrazeneca-Impfstoff seien es mehr. Im Impfzentrum in Ulm werden 2700 Spritzen am Tag gesetzt, weitere 800 bis 900 Impfungen übernehmen die mobilen Teams.

Sicher sei aber, dass am Ende des Tages nichts übrig bleibe, heißt es dort einstimmig. «Wir bereiten den Impfstoff erst zu, wenn die Person auch erschienen ist. Das hat sich bewährt», sagt Hagen Feucht, der Organisatorische Leiter des Impfzentrums in Ulm. Auch im Klinikum Stuttgart würden Spritzen stets frisch aufgezogen, sagt Sprecherin Annette Seifert. Probleme mit nicht wahrgenommenen Impfterminen gebe es nicht. «Das Interesse an einer Impfung ist so gewaltig, dass alle abgesagten oder nicht wahrgenommenen Impftermine sofort durch andere Impfwillige aufgefüllt werden können.»

Seit der Freigabe der Impfpriorisierung bei Hausärzten organisieren sich Menschen allerdings bisweilen auch parallel zum Impfzentrum einen Termin beim Hausarzt. «Selbst Biontech-Termine werden bei uns nicht wahrgenommen, weil die Menschen vielleicht schon bei ihrem Hausarzt einen Termin bekommen haben», sagt Dieter Hassler, der Leiter der beiden Impfzentren im Landkreis Karlsruhe. An manchen Tagen kämen bis zu zehn Prozent der geplanten Patienten nicht. «Das ist erstmal keine große Menge, aber für unsere Planungen schon relevant», sagte der Allgemeinmediziner. «Wir haben aber niemals Impfstoff vernichtet», betont er.

© dpa-infocom, dpa:210527-99-761822/4