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Kitas bis Ende Juni öffnen: Erste Studienergebnisse

Winfried Kretschmann
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) bei einer Pressekonferenz. Foto: Christoph Schmidt/dpa
Der Druck ist immens: Viele Eltern dringen darauf, ihre Kinder in die Kitas bringen zu dürfen - trotz Corona. Das Land strebt eine Öffnung bis Ende Juni an. Doch dazu müssen erst Probleme gelöst werden.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Trotz der anhaltenden Corona-Pandemie will Baden-Württemberg die Kitas bis Ende Juni wieder vollständig öffnen. Dazu sollen mit den Kommunen und Kita-Trägern genaue Konzepte erarbeitet werden. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) stützten sich am Dienstag auf die ersten Erkenntnisse aus einer Studie von Unikliniken in Baden-Württemberg. Es könne ausgeschlossen werden, dass Kinder besondere Treiber des aktuellen Infektionsgeschehens seien, sagte Kretschmann. Die Studie soll in ein bis zwei Wochen fertig sein.

Kretschmann sagte, nach den ersten Studienergebnissen zum Coronavirus würden Kinder anscheinend nicht nur seltener krank, sondern sie seien wohl auch seltener infiziert als Erwachsene. Daher habe die Landesregierung beschlossen, ein Konzept für die weitere Öffnung der Grundschulen zu entwickeln und Kitas bis Ende Juni vollständig zu öffnen. Die bisherigen Ergebnisse der Studie stünden einer weiteren Öffnung nicht entgegen. Eisenmann kündigte an, gemeinsam mit den Kommunen und den Trägern werde zügig ein Rechtsrahmen erarbeitet.

Laut Landesregierung wurden für die Studie etwa 5000 Menschen, die keine Symptome hatten, auf das Virus und auf Antikörper getestet, darunter 2500 Kinder unter zehn Jahren und je ein Elternteil. So fiel auf, dass das Ausbreitungsrisiko bei Kindern in Notbetreuung nicht erhöht zu sein schien im Vergleich zu den Jungen und Mädchen, die zu Hause betreut wurden. Außerdem hätten nur bis zu zwei Prozent der gesamten Testpersonen Antikörper gebildet. «Das sind viel geringere Zahlen als beispielsweise in der Heinsberg-Studie», sagte Kretschmann.

Ein Forscher-Team hatte in Gangelt im Kreis Heinsberg an der niederländischen Grenze 919 Einwohner in 405 Haushalten befragt und Corona-Tests vorgenommen. In dem Ort hatten sich nach einer Karnevalssitzung Mitte Februar viele Bürger mit dem neuartigen Virus infiziert. Die Gemeinde gilt daher als Epizentrum des Virus. Die Federführung für die Kinderstudie in Baden-Württemberg lag beim Zentrum für Infektionskrankheiten und beim Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg. Beteiligt waren außerdem die Unikliniken in Freiburg, Tübingen und Ulm.

Eisenmann erklärte, weil einige Lehrer und Erzieher zu Risikogruppen gehörten, müsse die vollständige Öffnung der Kitas und Grundschulen gründlich vorbereitet werden. «Der Gesundheitsschutz unserer pädagogischen Fachkräfte ist uns nach wie vor ein sehr wichtiges Anliegen», betonte die Ministerin. Ziel sei deshalb, den eingesetzten Lehrkräften und Erziehern regelmäßige Corona-Tests zu ermöglichen. Seit dem 18. Mai ist in den Kitas im Südwesten ein eingeschränkter Regelbetrieb möglich. Dabei dürfen maximal 50 Prozent der ursprünglich betreuten Kinder gleichzeitig die Kita besuchen.

Wegen der nicht vollständig geöffneten Kitas stand Eisenmann erheblich unter Druck - von der Opposition und von Eltern. Die jetzt angekündigte vollständige Öffnung stieß auf ein überwiegend positives Echo: Eine Sprecherin des Gemeindetags sprach von einem guten Signal. Die Chefin des Städtetags, Gudrun Heute-Bluhm, sagte, die Kita-Träger täten alles dafür, die schnelle Öffnung zu ermöglichen. Limitierende Faktoren seien aber der Raumbedarf, um für mehr Abstand in den Kitas zu sorgen, und das verfügbare Personal. Es müsse über die Gewinnung zusätzlicher Betreuungskräfte gesprochen werden.

Verdi-Landeschef Martin Gross meinte: «Die Belastung für Kinder und Eltern in der elften Woche der Schließungen ist kaum noch erträglich.» Dennoch dürfe der Gesundheitsschutz nicht wegen des großen Zeitdrucks vernachlässigt werden. Und die Gewerkschaft GEW schrieb auf Twitter: «Gelten dann die Abstandsregeln in Kitas nicht mehr? Kitas waren schon vor Corona unterbesetzt, jetzt fehlen zum Teil ein Drittel der Fachkräfte. Wie soll das gehen?»

Die Oppositionsfraktionen AfD, SPD und FDP begrüßten die angekündigte vollständige Öffnung der Kitas. Sie hatten Eisenmann noch in der vergangenen Woche im Landtag Versäumnisse und Chaos vorgeworfen. In Baden-Württemberg werden nach den letzten verfügbaren Zahlen vom vergangenen Jahr rund 444 000 Kinder in Kitas betreut.