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Corona-Pandemie
Kritik an Vorschlag zur Besteuerung von Krisengewinnen

Soll der Staat mit einer sogenannten Übergewinnsteuer Unternehmen stärker belasten, die an Krieg und Krise besonders verdienen? Kritik an einem entsprechenden Vorschlag kommt vom Wirtschaftsministerium und der FDP.

Stuttgart. Das Wirtschaftsministerium in Baden-Württemberg lehnt ein stärkeres staatliches Vorgehen gegen Energiekonzerne ab, die infolge des Ukraine-Krieges hohe Gewinne erzielen. Ein Sprecherin von Ressortchefin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) sagte in Stuttgart der Deutschen Presse-Agentur: «Das Steuerrecht unterscheidet nicht zwischen "guten" und "schlechten" Gewinnen.» Ein höherer Gewinn der Energie- und Mineralölkonzerne führe bereits nach geltendem Recht zu einer höheren Steuerlast. Zudem würden sich für den Fall einer solchen Steuer eine Vielzahl von Fragen stellen: «Schon alleine die Frage einer klaren und rechtssicheren Definition von "Übergewinnen" ist nicht trivial.»

Eine Sprecherin von Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) sagte: «Wenn ein Vorschlag auf dem Tisch liegt, werden wir das in der Landesregierung bewerten. Grundsätzlich sind mit Blick auf die Mineralölkonzerne auch die Kartellbehörden in der Verantwortung.» Hier habe Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bereits Schritte angekündigt.

Die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang hatte sich in der Vergangenheit für die Steuer stark gemacht. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz hätten sich die Länder darauf verständigt, «die Bundesregierung zu bitten, regulatorische Maßnahmen zu ergreifen, um die weitere Spekulation mit Öl, mit Gas, mit Strom zu unterbinden», hatte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) erklärt. Zudem müssten entsprechende Preiserhöhungen der vergangenen Wochen und Monate kartellrechtlich überprüft werden.

Bremen hatte angekündigt, am 10. Juni einen Antrag in den Bundesrat mit dem Ziel einzubringen, sogenannte Übergewinne von Mineralkonzernen infolge von Preissprüngen wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine teilweise mit einer zeitlich befristeten Sondersteuer zu belegen. Die Bundesregierung werde darin aufgefordert, einen Vorschlag für eine rechtliche Grundlage zu erarbeiten, um eine Sonderabgabe für das Jahr 2022 zu erheben, hatte Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) gesagt.

FDP-Landeschef Michael Theurer sagte: «Der Vorschlag zur Einführung einer Übergewinnsteuer kommt zur Unzeit.» Deutschland sei im internationalen Vergleich Höchststeuerland. Eine Steuer auf Übergewinne im Energiesektor könnte den dringend notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien gefährlich bremsen. «Die Sanktionierung wettbewerbswidrigen Verhaltens und illegitimer Gewinne bleibt wichtig, ist aber Sache des Bundeskartellamts. Die Steuerpolitik ist hierfür schlicht das falsche Instrument.»

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch sagte: «Es zeigt sich, dass der Tankrabatt nicht nur in seiner Wirkung zu scheitern droht.» Denen, die von der aktuellen Lage profitierten, werde nun noch mehr Steuergeld geschenkt. Dieser Zustand sei schwer erträglich. «In anderen EU-Ländern haben Staaten bereits mit Übergewinnsteuern reagiert, und das in modernen, freien Marktwirtschaften. Diese Option kann bei uns nicht von vornherein ausgeschlossen sein.»

Der CDU-Sozialflügel kann sich eine Übergewinnsteuer durchaus vorstellen. CDA-Bundesvize Christian Bäumler sagte: «Es kann nicht sein, dass die Konzerne ihre Gewinne mit Steuergeldern maximieren und dabei auch noch von den Unionsparteien Rückendeckung erhalten. Wenn sich die Union hier hinter rechtlichen Bedenken versteckt, bekommt sie ein Gerechtigkeitsproblem.» Die EU habe diese Steuer ausdrücklich ermöglicht.

© dpa-infocom, dpa:220607-99-570254/3