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Schulen und Vereine im Südwesten können aufatmen
Baden-Württemberg regelt Problem: Keine Kuchensteuer bei Bazaren

Lecker Kuchen - doch das Thema hat in letzter Zeit nicht jedem geschmeckt...
Lecker Kuchen - doch das Thema hat in letzter Zeit nicht jedem geschmeckt...
Dürfen Kinder und Eltern auch künftig steuerfrei auf Basaren und Schulfesten Kuchen verkaufen? Diese Frage erhitzte zuletzt die Gemüter. Nun hat das Land die leidige EU-Vorschrift übersetzt.

Stuttgart. Wenn Kinder oder Eltern bei Schulfesten selbst organisiert Kuchen verkaufen, sind die Erträge auch künftig von der Umsatzsteuer befreit. Die Schule als Teil des Staats darf dabei nicht als Verkäufer auftauchen. Das ist die neue Richtschnur, auf die sich die Landesregierung verständigt hat, wie die «Südwest Presse» und die Deutsche Presse-Agentur am Freitag in Stuttgart erfuhren. Das Land setzt damit entsprechende europarechtliche Vorschriften um, die von Anfang 2023 an gelten sollen. Das bedeutet aber auch: Wenn Schüler zum Beispiel jeden Samstag auf dem Wochenmarkt Gebäck verkaufen, müssen sie - wie jetzt auch schon - bei einem Ertrag von mehr als 22.000 Euro im Jahr wie ein kleines Unternehmen auch Steuern zahlen.

Die Frage war: Verlieren Bäcker dadurch an Geschäft?

Die Frage, ob künftig Kinder und Jugendliche, die für ihre Klassenreise oder einen guten Zweck Kuchen verkaufen, Steuern zahlen müssen, hatte zuletzt für einige Aufregung vor allem an Schulen gesorgt. Im Kern ging es um die Frage, ob an öffentlichen Einrichtungen Leistungen erbracht werden, die auch ein privater Dritter erbringen könnte. Das heißt übersetzt: Wenn etwa Eltern für ein Schulfest Kuchen backen, der dann verkauft werden soll, hätte den auch ein Bäcker liefern und damit Geld verdienen können. Die EU will mit ihrer Mehrwertsteuerrichtlinie verhindern, dass private Unternehmer im Wettbewerb benachteiligt werden.

Gewerkschaft freut sich: Engagement darf nicht ausgebremst werden

Die Bildungsgewerkschaft GEW sieht die Regelung positiv. Es sei vorbildhaft, wie sich Schülerinnen und Schüler mit Eltern und Lehrkräften engagieren. «Das darf nicht ausgebremst werden», sagte Monika Stein, Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) der dpa. «Ob die Erlöse aus einem Sommerfest oder einem Kuchenverkauf auf dem örtlichen Marktplatz für die Ukraine gespendet oder für die Finanzierung der nächsten Klassenfahrt verwendet werden: Es muss klar sein, dass die neuen Regelungen das zulassen.» Schule sei nicht nur Lernen, sondern Feste, Konzerte und andere Aktionen gehörten zu einem guten Schulalltag dazu.

Wie ist es mit Fördervereinen an Schulen?

Viele der 4500 Schulen im Land haben einen Förderverein, über den viele Sammelaktionen laufen. Auch hier gilt: Es darf nicht im Namen der Schule laufen und nicht regelmäßig sein, sodass Erträge von mehr als 22.000 Euro im Jahr auflaufen. Denn dann würden Steuern fällig.

Land und Kommunen stehen noch vor einem Berg Arbeit

Mit der Regel für die Schulen hat das Land aber längst noch nicht alles geregelt, was sich durch die EU-Vorschriften ergibt. Denn alle staatlichen Stellen im Land, Ministerien, Kommunen und eben auch Schulen müssen theoretisch ab nächstem Jahr Mehrwertsteuer zahlen. Der Gemeindetag hatte zuletzt beklagt, man werde Monate brauchen, um die eigenen Abläufe auf steuerliche Relevanz zu überprüfen. So müssten Bauhöfe, Hallen- und Freibäder und vieles mehr intensiv geprüft werden.

Was sind hoheitliche Aufgaben und was können Private übernehmen?

Als Beispiel nennen die Kommunen die Feuerwehr. Deren Hauptaufgabe ist natürlich das Löschen. Nicht selten aber wird die kommunale Feuerwehr gerufen, um etwa bei einem Verkehrsunfall technische Hilfe zu leisten. Da muss weiträumig abgesperrt, ein Baum aus dem Weg geräumt oder eine Ölspur beseitigt werden. Diese Leistung könnte auch ein privater Unternehmer übernehmen. Ergo: Eigentlich müsste die Kommune dafür Umsatzsteuer bezahlen. Etwas anderes ist es, wenn die Kommunen hoheitliche Aufgaben übernehmen, etwa Personalausweise ausstellen oder ein Paar standesamtlich trauen.

Ein weiteres Beispiel zeigt, dass auch die Zusammenarbeit zwischen Kommunen betroffen sein könnte. Wenn eine Gemeinde dem Nachbarort anbietet, bei ihm im Winter mit dem Unimog den Schnee zu schieben, könnte das eigentlich auch ein Bauer mit seinem Traktor tun und der Gemeinde das in Rechnung stellen. Auch hier tritt gewissermaßen die Kommune mit einem Privatunternehmer in Konkurrenz.

© dpa-infocom, dpa:220603-99-535278/3