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Migration
Land sieht Gefahr von Aufnahmestopp für Geflüchtete

Sie kommen in Bussen, in Zügen, in Autos: Mit jedem Tag, an dem sich die Ukraine gegen den russischen Angriff verteidigen muss, steigt die Zahl der Flüchtlinge auch in Baden-Württemberg. Die Lager und Hallen sind bereits voll. Das Land appelliert an andere - und es warnt.

Stuttgart. Nach Nordrhein-Westfalen hält auch Baden-Württemberg angesichts der stark steigenden Flüchtlingszahlen aus der Ukraine einen Aufnahmestopp für möglich. Das Land wolle dies zwar vermeiden, sagte Justizministerin Marion Gentges (CDU) auf Anfrage. «Bei den derzeit hohen Zugangszahlen nach Baden-Württemberg und gleichzeitigen Sperrungen von anderen Bundesländern im Verteilsystem können wir einen solchen jedoch nicht kategorisch ausschließen», fügte sie allerdings hinzu.

Zuvor hatte bereits NRW den Bund aufgefordert, seiner Steuerungsfunktion gerecht zu werden. Derzeit stemmten außer NRW nur noch Baden-Württemberg und das Saarland den Großteil der Aufnahme ukrainischer Geflüchteter, heißt es unter anderem in einem Brief des NRW-Flüchtlingsministeriums an das Bundesinnenministerium. «Setzt sich dieser Trend unverändert fort, wird Nordrhein-Westfalen unserer Einschätzung nach noch im Laufe dieser Woche in den Bereich der Überquote gelangen und für eine Aufnahme nicht mehr zur Verfügung stehen», hieß es in dem Brief weiter.

Der Warnruf aus Nordrhein-Westfalen zeige nochmals deutlich, wie ernst die Lage sei, sagte Gentges dazu. Die vorhandenen Kapazitäten im Südwesten seien bereits jetzt bis an ihre Belastungsgrenzen belegt.

«Wir haben keine Aufnahmekapazitäten mehr», sagte auch der Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, Steffen Jäger, der «Südwest Presse» (Freitag). «Alles, was wir jetzt tun können, wirkt sich unmittelbar auf das Lebensumfeld der örtlichen Bevölkerung aus.» Unter anderem müsse auf Infrastrukturen wie Sporthallen zurückgegriffen werden. 

Jäger forderte einen bundespolitischen Flüchtlingsgipfel mit den Kommunen, bei dem auch alle Entscheidungen der vergangenen Monate diskutiert werden müssten. Als Beispiel nannte der Verbandspräsident die höheren Sozialleistungen für Geflüchtete aus der Ukraine gegenüber den Leistungen für alle anderen Asylsuchenden. «Wir spüren jedenfalls eine gewisse Sogwirkung.»

Bislang haben mehr als 125.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Baden-Württemberg Zuflucht gefunden. Damit seien bereits mehr Flüchtlinge im Südwesten aufgenommen worden als im gesamten Jahr 2015, teilte Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek (CDU) in Stuttgart mit. Zu den Menschen aus der Ukraine kämen im laufenden Jahr noch bislang rund weitere 13.500 Asylsuchende, die nach Registrierung im Land verblieben seien.

In Baden-Württemberg wird es immer schwieriger, die Geflüchteten unterzubringen. Um die Arbeit in der Verwaltung besser koordinieren zu können, wurde die Tätigkeit des bisherigen Stabs «Flüchtende aus der Ukraine» ausgeweitet und das Gremium nun zugleich zum Stab «Flüchtlingsaufnahme» umbenannt, sagte Lorek.

Der Stab wurde im Februar dieses Jahres aufgrund des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine und der hierdurch hervorgerufenen Flüchtlingsbewegung einberufen. Die 30 Fachleute aus Regierung, Regierungspräsidien und kommunalen Landesverbänden kommen wöchentlich zusammen, um das Vorgehen zu koordinieren und abzustimmen.

© dpa-infocom, dpa:220908-99-675573/5