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Rohstoffe
Lithium-Förderung in Deutschland kann Bedarf nicht decken

Lithium-Pilotanlage
Rohre mit Thermalwasser führen zu Behältern eines Wärmetauschers an einer Lithium-Pilotanlage. Foto: Uwe Anspach
Wasser aus 3800 Metern Tiefe soll den für Batterien benötigten Stoff liefern. Eine Studie am KIT hat Chancen und Herausforderungen auf den Prüfstand gestellt.

Karlsruhe. Heißes Wasser aus einem Erdwärmekraftwerk wie vom Karlsruher Unternehmen Vulcan Energie kann nach einer Studie von Geowissenschaftlern den Lithium-Bedarf für die Herstellung von Batterien in Deutschland mittelfristig nicht decken. «Grundsätzlich ist das Potenzial da», sagte Valentin Goldberg zu den Ergebnissen einer Studie in der Fachzeitschrift «Grundwasser». «Das geothermische Lithium kann allerdings nur eine Ergänzung zu den Importen sein.»

Die Autoren der Studie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) halten eine jährliche Produktion von 2600 bis 4700 Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent in Deutschland für möglich, wenn alle aktuell betriebenen Geothermiestandorte mit hohen Lithium-Konzentrationen mit entsprechenden Anlagen ausgerüstet werden. Allein im Vulcan-Werk in Insheim in der Südpfalz sei die Förderung von 1000 bis 1800 Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalenten möglich, sagte Mitautor Fabian Nitschke. Für Landau schätzt die Studie das Potenzial auf 950 bis 1720 Tonnen.

Die Berechnung für Insheim, wo das Wasser aus 3800 Metern Tiefe kommt, beruht auf einem Lithiumgehalt von 168 Milligramm je Liter und einer Fließrate von 80 Litern pro Sekunde. «Diese beiden Parameter bestimmen die Ressourcenverfügbarkeit», erklärte Goldberg. «Betrachtet man nur sie, ergibt sich ein maximales Potenzial von 2260 Tonnen - mehr ist rein mathematisch auch bei modernsten Technologien nicht möglich.» Auch das KIT forscht zur Lithium-Gewinnung.

Allerdings müsse man für den kommerziellen Betrieb mit gehörigen Abschlägen rechnen, erklärte der Wissenschaftler am Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT. Eine Anlage könne maximal 90 Prozent des Jahres laufen. Und wegen Ausfällungen unterschiedlicher chemischer Verbindungen könne das Lithium nicht zu 100 Prozent extrahiert werden. «Realistischer sind 50 Prozent.»

Nach Einschätzung der Geowissenschaftler seien somit etwa 1000 Tonnen pro Jahr an diesem Standort realistisch. «Damit bräuchten wir mindestens 37 Geothermieanlagen mit diesen idealen Bedingungen, um den Bedarf der geplanten deutschen Batteriezellfertigung zu decken», sagte Goldberg im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Das Geothermiekraftwerk in Insheim wurde 2012 in Betrieb genommen. Vulcan Energie will dort Lithium aus Thermalwasser gewinnen. Die Aktivitäten beschränkten sich zurzeit auf die Extraktion im Labormaßstab und die Entwicklung der Technik, erklärte das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium. «Für die gewerbsmäßige Gewinnung von Lithium im Bereich des Oberrheingrabens in Rheinland-Pfalz liegen derzeit keine Anträge zur Zulassung von Betriebsplänen vor.»

Vulcan hatte jüngst mitgeteilt, in der Pilotanlage in Insheim Lithiumhydroxid hoher Wertigkeit und mit der geringsten Verunreinigung auf dem Markt produziert zu haben. Das Unternehmen hat schon Abnahmeverträge mit Automobilherstellern geschlossen.

Bislang gebe es in Deutschland vor allem zwei Regionen mit dem Potenzial zur Lithium-Förderung, sagte Goldberg. Neben dem Oberrheingraben mit Standorten in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zählt dazu eine Region im norddeutschen Becken. Rund 60 Prozent der globalen Lithium-Förderung wird im klassischen Bergbaubetrieb in Australien gewonnen, 22 Prozent aus Salzseen in Chile und Argentinien. «Nachfrage und Produktion entwickeln sich stark auseinander», sagte Goldberg. «Wir rechnen mit einem großen Defizit, das nicht gedeckt sein wird.» Für den geplanten Ausbau der Batteriezellfertigung in Deutschland könne dies schwerwiegende Folgen haben.

Die nüchterne Darstellung von Chancen und Herausforderungen sei bei diesem emotional aufgeladenen Thema besonders wichtig, sagte Goldberg. «Es wird nicht funktionieren ohne Akzeptanz.»

Studie in der Fachzeitschrift "Grundwasser"

© dpa-infocom, dpa:221031-99-329396/2