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Mehr Ausbildungsstellen als Bewerber im Südwesten

Eine Person justiert einen Diodenlaser
Eine Person justiert einen Diodenlaser. Foto: Jan-Peter Kasper/zb/dpa/Archivbild
Auf 100 Ausbildungsstellen kommen in Baden-Württemberg rechnerisch nur 79 Bewerber. Im abgelaufenen Ausbildungsjahr suchten besonders viele Arbeitgeber vergeblich nach Nachwuchskräften als Einzelhandelskaufmänner und als Verkäufer.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Trotz des wirtschaftlichen Abschwungs gibt es in Baden-Württemberg weiter mehr Ausbildungsstellen als junge Menschen, die eine Lehrstelle suchen. Im abgelaufenen Ausbildungsjahr - also zwischen Oktober 2018 und September 2019 - hätten sich nur 63 815 Menschen auf eine Lehrstelle beworben, teilten das Wirtschaftsministerium und die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit am Montag mit. Dies entspreche einem Rückgang von 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und sei auch mit einer rückläufigen Zahl von Schulabgängern zu begründen.

Dagegen sei die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen leicht auf 82 823 gestiegen. «Auf 100 Ausbildungsstellen kommen rechnerisch nur 79 Bewerber», rechnete Arbeitsagentur-Chef Christian Rauch vor. Der Vizepräsident der Südwest-Arbeitgeber, Karl Schäuble, sprach von einer «grotesken» Lage und beklagte, dass selbst in der Metall- und Elektroindustrie die Zahl der unbesetzten Lehrstellen steige. Man brauche gut ausgebildete Fachkräfte, «wenn wir als führende Wirtschaftsnation in der Welt bestehen und unsere sozialen Errungenschaften und unseren Wohlstand erhalten wollen», betonte er.

Die Bezirks-Vizechefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Gabriele Frenzer-Wolf, attestierte einigen Ausbildungsbetrieben eine mangelnde Attraktivität. Fast 47 Prozent der Auszubildenden im Südwesten müssten regelmäßig Überstunden machen, sagte sie mit Verweis auf eine Gewerkschaftsstudie. Zehn Prozent der Lehrlinge unter 18 Jahren müssten gar mehr als 40 Stunden in der Woche arbeiten, was gesetzeswidrig sei und in Baden-Württemberg «trotzdem üblich». Das alles trage nicht zur Zufriedenheit junger Menschen bei.

1047 Bewerber fanden nach Kenntnis der Behörden zwischen Oktober 2018 und September 2019 weder einen Ausbildungsplatz noch ein alternatives Angebot, das sie wahrnehmen konnten. Frenzer-Wolf sagte dazu, es sei bekannt, dass Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung weit überdurchschnittlich von Armut bedroht seien.

Die Liste der unbesetzten Ausbildungsstellen im Südwesten wird klar angeführt vom Einzelhandelskaufmann mit 772 freien Stellen. Dahinter folgen der Verkäufer (491), der zahnmedizinische Fachangestellte (388) und der Koch (330). Arbeitsagentur-Chef Rauch betonte, neben der Tätigkeit an sich und den Verdienstmöglichkeiten spiele immer auch das Image des Berufs eine entscheidende Rolle bei der Wahl eines Ausbildungsplatzes.

Der Beruf des Kochs habe bei Jugendlichen beispielsweise vor sieben, acht Jahren auf dem Höhepunkt der Koch-Fernsehshows zwischenzeitlich massiv an Anerkennung gewonnen, weil TV-Köche das öffentliche Bild des Berufs geprägt hätten. «Da gab es einen richtigen Run, bis man festgestellt hat: Ein bisschen anders funktioniert der Beruf doch.»

In anderen Bereichen macht sich bereits die zunehmende Suche der Unternehmen nach Digitalexperten bemerkbar: So geht die Zahl der Ausbildungsstellen in Metall-Berufen nach Arbeitsagentur-Angaben deutlich zurück, zugleich werden demnach immer mehr Fachinformatiker ausgebildet. Rauch sagte, es sei eine Umschichtung zu erkennen in jene Berufe, «in denen aus Sicht der Wirtschaft mittel- und langfristig der Fachkräftebedarf gesehen wird».

Bei den Flüchtlingen ging die Zahl der Bewerber um zehn Prozent auf 4490 Menschen zurück, davon ergatterten allerdings nur 1797 Migranten auch eine Ausbildungsstelle. Flüchtlinge kämen vor allem in jenen Ausbildungsberufen unter, die schwer zu besetzen seien, sagte Rauch.