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Mit halber Kraft voraus: Lucha verteidigt Impfkurs

Manfred Lucha (Bündnis 90/Die Grünen) trägt eine Schutzmaske
Manfred Lucha (Bündnis 90/Die Grünen), Gesundheitsminister von Baden-Württemberg, trägt eine Schutzmaske. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild
Zu langsam, zu chaotisch - seit Wochen muss sich Gesundheitsminister Lucha heftige Kritik anhören für den verholperten Impfstart im Land. Der verteidigt sein Vorgehen: Die Impfmaschine arbeite «reibungslos».
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Trotz Lieferengpässen und Organisationspannen sollen alle Impftermine im Land eingehalten werden. «Bei uns gilt volle Maximale: Jeder, der einen Ersttermin hat, bekommt einen Zweittermin. Und jeder Termin, der mit uns vereinbart wird, wird gehalten», sicherte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) am Freitag in Stuttgart zu. Der Grünen-Politiker zog trotz des holprigen Startes der Impfkampagne knapp sechs Wochen nach der ersten Impfung im Land eine positive Bilanz der Impfkampagne. Die Infrastruktur arbeite «reibungslos und effektiv», teilte Luchas Ministerium mit - durch den Impfstoffmangel aber vorerst noch mit halber Kraft.

IMPFSTOFFMANGEL - Hauptproblem im Südwesten wie in anderen Ländern ist und bleibt, dass die Impfstoff-Hersteller nicht mit der Produktion hinterherkommen. «Entscheidende Stellschraube ist die Impfstoffmenge - da bitten wir einfach um Geduld», sagte Lucha. «Wir hadern mit ausbleibendem Impfstoff», betonte auch Joachim Walter, Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg und Landrat des Landkreises Tübingen. «Mangelverwaltung ist nicht schön.» Jeden Abend schaue er im Impfzentrum in Tübingen vorbei und erkundige sich nach dem aktuellen Stand. «Wir hungern regelrecht danach, dass wir mehr Impfstoff bekommen.»

DIE INFRASTRUKTUR - Vor knapp sechs Wochen wurde in Baden-Württemberg die erste Nadel mit Impfstoff gegen das Coronavirus aufgezogen. Mittlerweile sind Mitarbeiter in 60 Impfzentren und 145 mobile Impfteams damit beschäftigt, «buchstäblich jeden Tag Leben zu retten», wie das Ministerium berichtet. Die Infrastruktur stehe, das Land habe seine Hausaufgaben gemacht, so die Botschaft Luchas vom Freitag. Es seien genügend Kanülen, Lösungsmittel, Handschuhe und Desinfektionsmittel vorhanden. Allerdings könne nur ein Bruchteil geimpft werden.

ASTRAZENECA - Bereits drei Impfstoffe stehen bald gegen das Virus zur Verfügung, deren Liefermengen laut Ministerium in absehbarer Zeit enorm anwachsen sollen. Ab der kommenden Woche soll im Land auch der Impfstoff des Herstellers Astrazeneca geimpft werden - neben den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna der dritte in der EU zugelassene Impfstoff. Damit könne man nun endlich Krankenhäuser direkt mit Impfstoff beliefern, verkündete Lucha.

ZAHLENBILANZ - Bislang seien 350 000 Menschen in Baden-Württemberg geimpft worden - 261 000 hätten die erste Impfung erhalten, 90 000 bereits die zweite Spritze, sagte Lucha. Derzeit würden in Baden-Württemberg täglich rund 7000 Erstimpfungen und rund 5000 bis 6000 Zweitimpfungen durchgeführt. Wenn ausreichend Impfstoff vorhanden sei, können in Baden-Württemberg bis zu 60 000 Impfungen pro Tag stattfinden. Allein die Gruppe der über 80-Jährigen und des medizinischen Personals umfasst in Baden-Württemberg rund eine Million Menschen.

DIE RESERVE-STRATEGIE - Baden-Württemberg hat im Vergleich zu anderen Ländern in den ersten Impf-Wochen konsequent die Hälfte des Impfstoffs zurückgehalten. Damit wollte das Land sicherstellen, dass man niemandem die zweite Impfung verweigern müsse. Damit begründete die Landesregierung auch immer das verhältnismäßige langsame Impftempo. Nun rückt das Land allerdings von seiner Strategie ab, um alle vereinbarten Termine einhalten zu können. Aufgrund der nun in Aussicht gestellten Nachproduktion des Impfstoffs von Biontech/Pfizer habe man sich an die Reserve wagen können, sagte Lucha. Alles sei so kalkuliert, dass jede Impfung abgesichert sei. Allerdings rücken die verfügbaren Termine damit in die Ferne. «Wir machen nicht Fehler, zu viele Termine freizugeben», sagte Thorsten Hammer, der Ärztliche Leiter des Impfzentrums Freiburg. «Wir haben bislang noch nie einen Erst- oder Zweittermin absagen müssen.»

TELEFON-CHAOS - Nach der lautstarken Kritik an langen Wartezeiten am Servicetelefon und an erfolglosen Terminvereinbarungen kündigte Lucha zudem Verbesserungen bei der Terminvergabe an. Die Corona-Hotline 116 117 ist seit Wochen komplett überlastet. Am Montag um 10 Uhr werde eine Warteliste der Hotline in Betrieb genommen. Wer sich dort registrieren lasse, werde zurückgerufen oder bekomme einen Termin per Mail. Anrufer müssten sich also nicht wieder und wieder bemühen. Er dämpfte jedoch zugleich die Erwartungen: Einen Termin bekomme man erst, sobald einer frei sei. «Wir können leider noch keine Auskunft machen, wann das der Fall ist.»

IMPFEN VOR ORT - Wenn die Erst- und Zweitimpfungen in den Alten- und Pflegeheimen abgeschlossen sind, können die mobilen Impfteams nach einem neuen Konzept des Ministeriums in Tagespflegeeinrichtungen und zu Vor-Ort-Terminen in die Kommunen kommen. Dabei will das Land das Impfteam und den notwendigen Impfstoff zur Verfügung stellen. Die Kommune organisiert in Absprache mit dem zuständigen Impfzentrum vor Ort geeignete Räumlichkeiten für einen Vor-Ort-Impftermin.

© dpa-infocom, dpa:210205-99-317133/3