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Nachhilfeschulen leiden unter Corona

Anja Karliczek (CDU), Bundesforschungsministerin
Anja Karliczek (CDU), Bundesforschungsministerin. Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Viele Schüler drohen wegen Corona den Anschluss zu verlieren. Eine Menge Geld wollen Bund und Länder für deren Förderung ausgeben. Eine Gruppe von Profis bietet sich an, diese zu übernehmen - stößt damit aber auf taube Ohren.
Berlin.

Berlin/Neckarbischofsheim (dpa/lsw) - Einkommenseinbußen bei den Eltern, null Bock auf weiteren Online-Unterricht bei den Kindern - die Nachhilfeschulen haben in der Corona-Krise einen schweren Stand. Bereits jetzt haben drei Prozent der vor der Corona-Krise noch 4000 Nachhilfeschulen aufgegeben, sagt Cornelia Sussieck, Vorsitzende des Bundesverbandes Nachhilfe- und Nachmittagsschulen (VNN/Solingen). Die Nachhilfeschulen würden von der Politik übergangen. «Der Schulunterricht auf Sparflamme in der Pandemie hinterlässt bei vielen Schülern Wissenslücken - doch wir als Profis im Umgang mit Defiziten werden von der Politik nicht einbezogen», klagt die Verbandschefin aus Neckarbischofsheim (Rhein-Neckar-Kreis). Allerdings besteht die Möglichkeit, dass sie vom geplanten Programm «Rückenwind» der Bundesregierung profitieren können.

Nach Sussiecks Einschätzung braucht etwa die Hälfte der Schüler aller Klassenstufen Hilfe, um den während der Schulschließungen entgangenen Unterrichtsstoff aufzuholen. «Die Kinder und Jugendlichen befinden sich gerade in einer Blase - bei der Rückkehr in den Regelbetrieb wird es für viele ein böses Erwachen geben.»

Statt Zusatzunterricht über die Nachhilfeschulen zu organisieren, so Sussieck, richte sich der Blick der Politiker auf Lehramtsstudenten, Pensionäre und Volkshochschulen. «Wir brauchen ein solches Parallelsystem nicht - unsere Schulen werden von Schulämtern und Regierungspräsidien bereits überwacht.» Der VNN geht von einer Milliarde Euro Umsatz im Jahr aus, wobei 360 Millionen Euro auf reguläre Nachhilfe und der Rest auf den Schwarzmarkt entfielen.

Der VNN habe seit Beginn der Corona-Krise 120 Briefe an Bildungspolitiker geschrieben, um über Fördermaßnahmen mitdiskutieren zu können - mit schwacher Resonanz, wie Sussieck berichtet. Klar ist nur, dass eine Milliarde Euro für Nachhilfe fließen wird. Nach jüngsten Angaben des Bundesfamilienministeriums soll die «Nachhilfe-Milliarde» verdoppelt werden.

Das Bundesbildungsministerium betont, man sei sich mit den Ländern einig, dass sie als Verantwortliche für schulische Bildung die Hilfe in den bestehenden Strukturen verwirklichen. «Von daher ist es begrüßenswert, wenn die professionellen Nachhilfeeinrichtungen in erster Linie mit den Ländern über Konzepte der Soforthilfe sprechen», so das Ressort von Anja Karliczek (CDU).

Bei dem «Rückenwind»-Programm für das Schuljahr 2021/22 könnten auch private Institute Teil der Lösung sein, hieß es im Stuttgarter Kultusministerium. Es werde über Hilfen im und zusätzlich zum Unterricht nachgedacht. Möglich sei, dass Zusatzkräfte die Lehrer unterstützten.

Die FDP im Landtag zeigte Verständnis für den VNN. «Man muss ja das Rad nicht neu erfinden, wo bereits funktionierende und flächendeckende Angebote zum Aufholen von Wissenslücken existieren», sagte Bildungsexperte Timm Kern. Mit Gutscheinen, die bei privaten Anbietern eingelöst werden können, könnte schnell ein passgenaues Angebot geschaffen werden.

© dpa-infocom, dpa:210421-99-287241/3

VNN