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Naturschützer wollen Daten zum Pestizid-Einsatz

Pestizide
Pestizide und Dünger werden auf einem Feld verteilt. Foto: Patrick Pleul/Archiv
Pestizide in Naturschutzgebieten sind für den Nabu ein Unding. Er will die Mengen wissen, aber das Land will die Daten nicht rausrücken. Aber es gibt auch noch Zoff wegen eines anderen Themas.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Naturschützer wollen das Land zur Herausgabe von Daten über Pflanzenschutzmittel in Naturschutzgebieten zwingen. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) reichte am Donnerstag nach eigenen Angaben entsprechende Klagen bei den Verwaltungsgerichten Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg und Sigmaringen ein. Rechtsanwalt Dirk Teßmer erklärte, der Nabu habe nach dem nationalen und europäischen Recht einen Anspruch auf die Informationen. «Die Daten werden ohnehin für die Behörden bereitgehalten, und es gibt keinen Grund, sie nicht zumindest in anonymisierter Form an den Nabu weiterzugeben.»

Der Nabu will die Daten haben, weil er sich davon Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen Pestiziden und dem Artensterben erhofft. Eine Sprecherin von Agrarminister Peter Hauk (CDU) hatte erklärt: «Das Pflanzenschutzrecht bietet keine Rechtsgrundlage zur Veröffentlichung der vom Nabu gewünschten Daten.» Im Südwesten gibt es laut Nabu rund 1000 Naturschutzgebiete mit einer Gesamtfläche von rund 86 000 Hektar. Das entspreche 2,4 Prozent der Landesfläche. Rund 14 Prozent der Flächen in den Gebieten werde landwirtschaftlich genutzt.

Nabu-Landeschef Johannes Enssle kündigte an, gerichtlich notfalls bis in die letzte Instanz gehen zu wollen, um die Daten zu bekommen. Dem Agrarministerium hielt er vor, die «Bauernlobby» schützen zu wollen. Zwar würden auch viele Pestizide von Privaten, den Kommunen und der Bahn ausgebracht. Aber bei den Landwirten sehe er keine Bereitschaft, etwas am Pestizid-Gebrauch zu ändern und sich einer ökologischeren Bewirtschaftung zu öffnen. Enssle mahnte zudem, dass die von der grün-schwarzen Landesregierung seit langem angekündigte Strategie zur Verminderung von Pestiziden endlich kommen müsse.

Doch darüber gibt es noch Uneinigkeit innerhalb der Regierung: Das Agrarministerium hat eine Vorlage erarbeitet mit Vorschlägen, um die Menge an Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Darunter sind zum Beispiel Verfahren, die dafür sorgen sollen, dass die Mittel zielgenauer als bisher ausgebracht werden können. Das Haus von Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) hat die Vorlage dem Vernehmen nach aber noch nicht mitgezeichnet. So lange das nicht passiert ist, kann sie nicht im Kabinett beschlossen werden.

Umweltminister Untersteller erklärte: «Eine Strategie zur Reduzierung von Pestiziden ist nur dann sinnvoll, wenn sie in der Umsetzung auch tatsächlich zu einer Reduzierung von Pestiziden führt.» Das aber sei mit der Vorlage des Agrarministeriums nicht gegeben. «Wir müssen Pflanzenschutzmittel defensiver und insgesamt weniger anwenden, um die biologische Vielfalt nachhaltig zu schützen - darum geht es.» Dazu müsse man sich auf messbare Reduktionsziele festlegen.

Grünen-Landeschefin Sandra Detzer forderte, bis 2025 müsse die Menge der Pestizide halbiert werden. In Naturschutz- und Wasserschutzgebieten hätten sie gar nichts zu suchen. Und das Land solle auf seinen landwirtschaftlichen Flächen grundsätzlich auf Pestizide verzichten. «Hier muss Verbraucherschutzminister Hauk nun liefern und ein deutliches Zeichen setzen: Weniger Gift ist besser.»

Die Umweltexpertin der SPD im Landtag, Gabi Rolland, befürwortete die Klage der Naturschützer. Pestizide hätten negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit und müssten auf ein Minimum reduziert werden. Zugleich kritisierte sie Hauk, der auch für Verbraucherschutz zuständig ist. «Ein Verbraucherschutzminister, der auf Herausgabe solcher Daten verklagt werden muss, ist völlig fehl am Platze.»