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Opposition zerpflückt Regierungspläne

Andreas Stoch
Andreas Stoch, Landesvorsitzender der SPD Baden-Württemberg. Foto: Christoph Schmidt/dpa/Archiv
Klimaschutz, Wirtschaftsförderung, Zusammenhalt - für die Ziele des grün-schwarzen Koalitionsvertrags können sich auch SPD und FDP erwärmen. Aber es handle sich um nicht mehr als ein «Poesiealbum».
Stuttgart.

Stuttgart (dpa) - Sozialdemokraten und Liberale im Landtag zeigen zwar Sympathie für die Inhalte des grün-schwarzen Koalitionsvertrags. Sie werfen der neuen Landesregierung allerdings auch einen mangelnden Gestaltungswillen, Widersprüchlichkeiten und eine reine Ankündigungspolitik vor. «Viele dieser Wünsche teilen wir», sagte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch am Donnerstag im Stuttgarter Landtag. Aber: «Wer regiert, darf nicht nur wollen.» Der politische Fahrplan sei ein «politisches Poesiealbum, bei dem es bei schönen Worten bleibt». Die Regierung bleibe im Ungefähren, kritisierte auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, der von einer «Mogelpackung» und einer «Koalition der ungedeckten Schecks» spricht. Für die AfD ist Grün-Schwarz gar eine «Arbeitsplatz-Vernichtungs-Regierung».

Kretschmann hatte am Mittwoch die Inhalte des Koalitionsvertrags von Grünen und CDU vorgestellt: die Vorhaben im Kampf gegen die Klimakrise, für den Umbau der Wirtschaft, für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Allerdings stehen alle Projekte unter Finanzierungsvorbehalt, weil die Corona-Krise riesige Lücken in den Haushalt gerissen hat. Am Donnerstag durften die Fraktionen auf die Regierungserklärung reagieren - die erste richtige inhaltliche Debatte in dieser Legislaturperiode. Auch wenn es am Donnerstag nicht ganz so ruppig ablief wie manche Sitzung in den vergangenen Jahren: Mit Kritik, Gelächter und Zwischenrufen redeten sich die Abgeordneten wieder in Fahrt.

SPD-Chef Stoch monierte, dass der Klimaschutz und der Erhalt des Wirtschaftsstandorts nicht unter Finanzierungsvorbehalt gestellt werden dürfen. «Verschuldung darf kein Tabu sein, wenn es darum geht, das Land in die Zukunft zu führen.» Es brauche einen starken Staat und massive Investitionen etwa in die Automobilindustrie. «Wer das nicht während der Corona-Krise gelernt hat, dem ist nicht mehr zu helfen.» Trotz voller Kassen habe Grün-Schwarz in den letzten fünf Jahren nichts bewegt und sich im Klein-Klein verheddert. Nun verschiebe Grün-Schwarz Projekte mit Verweis auf leere Kassen.

Die Regierung wolle stärken, ausbauen, fördern und prüfen, scheue sich aber, ihre Vorhaben mit konkreten Zahlen zu unterlegen, sagte Stoch. Dabei gebe es einen Überschuss von zwei Milliarden Euro im Haushalt, zudem könnten Mittel aus der Landesstiftung genutzt werden. Man dürfe den Nachkommen mit Verweis auf die schwarze Null kein ruiniertes Klima hinterlassen.

Kretschmann verkaufe die Bürger für dumm, sagte Rülke. «Sie haben 50 Milliarden Euro zur Verfügung, sagen aber an keiner Stelle, wie die zu verteilen sind», sagte der FDP-Fraktionschef mit Blick auf die Größe des jährlichen Etats.

Rülke sieht viele Widersprüche im Koalitionsvertrag. So lobe sich die alte und neue Landesregierung dort für Fortschritte bei der Digitalisierung, gleichzeitig stehe da geschrieben, dass Corona die Lücken in der Digitalisierung aufgedeckt habe. Mehr Bürgerbeteiligung werde versprochen - allerdings dürften die Bürger nur die Meinung sagen, am Ende entscheide die Politik. Die geplante Solarpflicht für Neubauten koste den Bürgern Geld, auch mache eine Solaranlage nicht auf jedem Dach Sinn, kritisierte Rülke. Und der Ausbau der Windkraft in windstillen Regionen löse auch nicht das Energieproblem.

Stoch wie Rülke warfen Kretschmann auch eine Aufblähung des Regierungsapparats vor - es gibt nun ein Ministerium (Bauen, Landesentwicklung) und mehrere Staatssekretäre mehr als in der vergangenen Legislaturperiode.

Auch AfD-Fraktionschef Bernd Gögel ging mit dem Koalitionsvertrag und der neuen Regierung hart ins Gericht. Der CDU warf er vor, bei den grün-schwarzen Koalitionsgesprächen einzig an der Macht festgehalten zu haben. «Und das um den Preis der beinahe vollständigen programmatischen Selbstaufgabe», sagte der Politiker. Die alte und neue Koalition habe das Bewusstsein für die Sorgen und Nöte der Bevölkerung vollkommen verloren, während sie versuche, eine «Ökodiktatur» und einen «Ökosozialismus» durchzusetzen. «Wir brauchen keinen Haushaltsvorbehalt, sondern einen Mehrkostenvorbehalt für die Bürgerinnen und Bürger», sagte Gögel. Ihnen seien keine weiteren Ausgaben zuzumuten.

© dpa-infocom, dpa:210520-99-672899/3