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Regierung
Rumoren in der Opposition - Stoch ärgert sich über Rülke

SPD-Chef Andreas Stoch
Der baden-württembergische SPD-Chef Andreas Stoch gibt ein Interview. Foto: Bernd Weißbrod
In der Kritik an der Kretschmann-Regierung gehen SPD und FDP häufig Hand in Hand. Bei den Sozialdemokraten aber wächst der Groll über FDP-Fraktionschef Rülke. Der spiele mit seinem Verhalten Kretschmann in die Hände, findet SPD-Mann Stoch.

Stuttgart. Die Chancen auf ein Ampelbündnis im Südwesten haben sich aus Sicht der SPD zuletzt deutlich gemindert. «Wenn ich die FDP im Landtag über Energiepolitik, über Bildungspolitik, über Corona reden höre, habe ich manchmal Schwierigkeiten, genügende Schnittmengen zu erkennen», sagte der baden-württembergische SPD-Chef Andreas Stoch der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Die Sozialdemokraten ärgern sich insbesondere über FDP-Fraktionschef Hans Ulrich-Rülke, der sich zuletzt vermehrt Populismusvorwürfen ausgesetzt sah. «Ich wüsste nicht, ob Herr Rülke bereit wäre, sich wieder auf einen sachlichen Konsens einzulassen, der es möglich macht, dass SPD, Grüne und FDP eine Regierung bilden könnten», sagte Stoch. Derzeit regiert Grün-Schwarz im Südwesten.

Rülke gilt als bissiger Rhetoriker, ihm waren aber zuletzt bei der Jagd nach Aufmerksamkeit immer wieder Populismus und AfD-Methoden vorgeworfen worden. Rülke beschuldigte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mehrfach, autoritär zu sein, warf Innenminister Thomas Strobl (CDU) einen «Anschlag auf die Gewaltenteilung» vor, sprach von einem «Staatssekretärs-Volkssturm» im Innenministerium, bezeichnete die Landesregierung als Zoo. Ende Juni handelte er sich mit einem Post zur Klimaaktivistin Greta Thunberg und zur Elektromobilität ordentlich Ärger ein - bei der weitergeleiteten Bildkombination handelte es sich um «Fake News».

«Rülke macht durch sein Verhalten aus meiner Sicht vor allem Kretschmann das Leben zu leicht», sagte Stoch der dpa. «Dieses Land könnte besser regiert werden - und ich behaupte, es würde von einer anderen Regierung besser regiert werden. Allerdings ist das, was da an Äußerungen kommt, nicht hilfreich, um das zu belegen», sagte Stoch.

Rückblende: Vor gut einem Jahr noch umwarben Stoch und Rülke Kretschmann, um gemeinsam ein Ampelbündnis im Südwesten zu bilden. Der entschied sich jedoch für eine Neuauflage der Koalition mit der CDU, obwohl diese bei der Landtagswahl hohe Verluste eingefahren hatte. Kretschmann begründete die Absage mit der FDP und Rülke - für Stoch ein reiner Vorwand. Er hatte in den Sondierungsgesprächen mit FDP und Grünen den Eindruck, alle möglichen Stolpersteine aus dem Weg geräumt zu haben. Für SPD-Partei- und Fraktionschef Stoch steht fest: «Kretschmann hatte von vornherein nichts anderes vor, als mit der CDU weiter zu regieren.»

Umso mehr ärgert sich Stoch nun über seinen Oppositionskollegen. Der nehme seit dem Scheitern der Sondierungsgespräche in vielen Bereichen Positionen ein, «die definitiv nicht Teil einer Regierungspolitik einer Ampel gewesen wären». Dadurch erscheine nach außen der Eindruck, dass Kretschmann Recht gehabt haben könnte mit seiner Entscheidung. «Deswegen ärgert mich das - weil jedes Mal, wenn Rülke wieder eine Aktion wie die Weiterverbreitung dieses Posts bringt, dazu führt, dass mich grüne Abgeordnete angucken, die Schultern hochziehen und sagen «Siehste!»»

Der FDP-Mann keilte am Montag zurück. Die FDP sei kein Steigbügelhalter für ein linksgrünes ideologisches Projekt in Baden-Württemberg, betonte Rülke. «Andreas Stoch liegt komplett falsch, wenn er darauf hofft, dass irgendwann einmal die FDP noch mehr grüne Politik in diesem Lande ermöglicht, als dies derzeit die CDU tut», sagte er. Die FDP werde nur dann in eine Landesregierung eintreten, wenn ihre Handschrift auch erkennbar wird. Rülke empfahl Stoch, der im Südwesten ein historisches 11-Prozent-Wahldebakel zu verantworten habe, «besser vor der eigenen Türe zu kehren, als der FDP Ratschläge zu erteilen».

Stoch jedenfalls ist überzeugt: Das Land braucht eine andere Regierung. Grüne und CDU blockierten sich gegenseitig, sagte er. «Alles, was politisch zu gestalten wäre, hat sich aus meiner Sicht wieder in diesem Klein-Klein und in diesem Krieg zwischen Grünen und CDU verfangen.» Zuletzt stritten die Koalitionspartner über die Lkw-Maut, die Opernsanierung und die Atomkraft. «Ich habe das Gefühl, dass die CDU an ganz vielen Stellen diese Krisen als Vorwand nimmt, um ihre alten Themen wie politische Untote zu beleben», sagte der Sozialdemokrat.

Der Keil zwischen Grünen und CDU werde nun deutlicher sichtbar. «Die Konfliktfelder, die die CDU jetzt aufmacht - und zwar nahezu im Wochenrhythmus - die sind Sprengstoff für diese Landesregierung.» Und der Ministerpräsident, so Stoch, schiebe alle Verantwortung von sich weg. «Kretschmann schaut zu und tut nichts.» Er erwarte in den kommenden Monate und Jahre sehr wenig von der Regierung, resümierte Stoch.

© dpa-infocom, dpa:220808-99-310846/5