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Hochrheinautobahn
Streit um Autobahn am Hochrhein: CDU bremst Hermann aus

Winfried Hermann
Verkehrsminister Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen). Foto: Bernd Weißbrod
Braucht es wirklich eine Hochrheinautobahn oder reicht auch eine Bundesstraße? Landesverkehrsminister Winfried Hermann hat die alte Debatte erneut losgetreten und kassiert eine Niederlage. Denn das Land steht zu den Plänen für die A98 - und wird mächtig gescholten.

Stuttgart. Verkehrsminister Winfried Hermann ist im Streit um den Weiterbau der A 98 am Hochrhein vom Koalitionspartner CDU ausgebremst worden. Denn trotz seines Plädoyers für eine dreispurige Bundesstraße wird der im Bundesverkehrswegeplan vorgesehene Ausbau der Autobahn am südlichen Rand des Landes von der grün-schwarzen Landesregierung weiter unterstützt. Die Koalition bekannte sich auf Betreiben der CDU am Dienstag zu den Plänen.

Hermann (Grüne) hatte jüngst erklärt, er sehe im Sinne der Verkehrswende keinen Bedarf für einen vierspurigen Ausbau der Autobahn, es genüge auch eine dreispurige Bundesstraße. Es geht in erster Linie um den Abschnitt zwischen Rheinfelden im Kreis Lörrach und Murg im Kreis Waldshut. Applaus erhielt der Minister vor allem von den Naturschützern und Umweltverbänden, Kritik kam dagegen aus Berlin und von der CDU.

Weniger Unterstützung findet er auch bei seinem Regierungschef. «Die Frage ist geklärt worden», sagte Kretschmann in Stuttgart. Es gelte der Bundesverkehrswegeplan. «Der Minister kann jetzt auch über irgendeine Maßnahme unterschiedlicher Auffassung sein, aber gehandelt wird danach, wie das beschlossen ist.» Das habe aber auch nie infrage gestanden, betonte der Ministerpräsident.

Der Weiterbau der Hochrheinautobahn steht im Bundesverkehrswegeplan 2030 und im Investitionsrahmenplan 2019 bis 2023. Geplant wird er von der Autobahn-GmbH des Bundes. Das Land kann nur Empfehlungen aussprechen. Hermann hatte in einem Brief an Bürgermeister und Landräte die Auffassung formuliert, es müsse vom Bau einer zweibahnigen beziehungsweise vierstreifigen Autobahn abgesehen und stattdessen eine dreistreifige Bundesstraße realisiert werden.

In der Vereinbarung der grün-schwarzen Koalition im Land heißt es nun: «Wir werden die Projekte, deren Planung bis 2025 begonnen werden soll oder bereits begonnen wurde, daher weiterhin im stetigen Austausch mit dem Bund verlässlich und ohne Zeitverzug umsetzen.» Danach werde man bei der Reihenfolge der weiteren Projekte die Belange des Klimaschutzes als weiteres Bewertungskriterium berücksichtigen.

Hermann betonte danach: «Mein Vorstoß sollte ein Anstoß zum Nach- und Umdenken sein.» Der Verkehrsminister bleibt zudem bei seiner Haltung - «nicht nur unter verkehrlichen Gesichtspunkten, sondern auch angesichts der drastischen Klimaveränderungen und dem allgemein anerkannten Ziel einer Mobilitätswende», wie er betont.

Allein durch die Abkehr von einem zweibahnigen - also vierstreifigen - Ausbau würde deutlich weniger in Natur und Landschaft eingegriffen werden. «Angesicht der Verkehrszahlen reicht eine dreistreifige Bundesstraße», sagte Hermann der dpa. Eine Bundesstraße könne auch schneller gebaut werden als eine Autobahn. Außerdem werde eine dreistreifige Lösung eher akzeptiert, so könnten Klagen vermieden werden. «Das wiederum kann das Verfahren beschleunigen und damit auch die Umsetzung», sagte Hermann.

Blankes Erstaunen über die Regierung herrscht bei den Umweltschützern: «Wir sind entsetzt über diesen Sinneswandel», sagte der Mobilitätsexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Klaus-Peter Gussfeld. Die Landesregierung habe sich aus rein politischen Motiven gegen eine besonders klimafreundliche und umweltverträgliche Variante entschieden. «Der Koalitionsfrieden steht offensichtlich über den sachlichen Notwendigkeiten», kritisierte Gussfeld. «Da redet man bei den Grünen viel über Klimaschutz und hat tolle Ziele, aber wenn's konkret wird vor Ort, gibt man klein bei.» Neue Regionalbahnen reichten nicht aus, «wenn man gleich daneben eine Autobahn baut». Der BUND werde sehr intensiv prüfen, ob eine Klage möglich ist.

Gerhard Bronner, der Vorsitzende des Landesnaturschutzverbands Baden-Württemberg (LNV), sieht das ähnlich: «Da haben offenbar Sachargumente keine Rolle gegenüber dem Aspekt der Bundestreue gespielt», sagte er der dpa. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) kritisierte die CDU: Es könne nicht sein, dass sie stoisch an seit Jahren umstrittenen und klimaschädlichen Verkehrsprojekten festhalte. «Und zugleich reißen wir Jahr um Jahr die Klimaziele im Verkehrssektor», sagte Felix Leininger vom Nabu-Bundesverband.

Applaus dagegen vor allem vom Bund: Der Verkehrsstaatssekretär und baden-württembergische FDP-Vorsitzende Michael Theurer begrüßte die Entscheidung. «Die zeitnahe Umsetzung von Verkehrsprojekten ist die Grundlage für die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger sowie die Versorgung mit Waren und Dienstleistungen», sagte er. Das müsse auch in Zukunft sichergestellt werden.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Verkehrspolitiker Felix Schreiner aus Waldshut bezeichnete Hermanns Vorschlag als «Störfeuer aus Stuttgart». «Es ist in den vergangenen Wochen viel Vertrauen kaputt gegangen, was einfach nur unnötig war», sagte Schreiner. Die CDU habe dem Minister nun «ein Stoppschild gezeigt».

© dpa-infocom, dpa:220329-99-713567/4