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Bahn
Streit um Gäubahn: Naturschützer gehen gegen Bahn-Pläne vor

Gäubahn
Ein Zug fährt in Bondorf bei Herrenberg auf der Gäubahnstrecke in Baden-Württemberg. Foto: Christian Johner
Seit vielen Jahren schon wird über die Zukunft der Bahnstrecke zwischen dem Bodensee und Stuttgart gestritten. Nun nimmt die Auseinandersetzung um den Erhalt der sogenannten Gäubahn bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof an Schärfe zu.

Stuttgart. Im Streit um die Zukunft der Gäubahnstrecke vom Bodensee Richtung Stuttgart will der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV) Zeit gewinnen und schaltet das Eisenbahnbundesamt (Eba) ein. In einem Antrag argumentiert der Verband, die geplante Unterbrechung der Eisenbahnstrecke von Zürich nach Stuttgart verstoße gegen die Betriebspflicht der Bahn. Ziel des Eilantrags sei es, der Deutschen Bahn zu untersagen, die Strecke zu kappen, teilte der LNV am Dienstag mit. Außerdem müsse die Bonner Behörde anordnen, dass «keine Maßnahmen getroffen werden, welche die Nutzung der Bahnstrecke erschweren oder unmöglich machen».

Ein Bahnsprecher kommentierte den Antrag des LNV auf Anfrage nicht. Der SWR hatte zuerst über den Schritt der Naturschützer berichtet.

Beim Bau des unterirdischen Tiefbahnhofs in Stuttgart als Teil des milliardenschweren Bauprojekts «Stuttgart 21» plant die Bahn, die Züge aus Zürich und Singen ab 2025 in Stuttgart-Vaihingen enden zu lassen, bis der Anschluss zum neuen Hauptbahnhof fertig sein wird. Später sollen die Gäubahn-Züge über einen neuen Tunnel von Böblingen zum Flughafen und dann wieder in den Hauptbahnhof fahren. Fahrgäste im Fern- und Regionalverkehr täglich müssten bis dahin und für viele Jahre auf S-Bahn, Busse und Stadtbahnen umsteigen, um zum Hauptbahnhof zu kommen.

Es gehe keineswegs nur um lokalpolitische Folgen des Projekts, warnte der Verband. «Hier geht es aber um bundesweite Auswirkungen auf das umweltfreundliche und ressourcenschonende Verkehrsmittel Bahn», sagte der LNV-Vorsitzende Gerhard Bronner. «Der Bahnhof Stuttgart ist schließlich eingebettet in ein nationales und internationales Schienennetz, die Gäubahn ein Teil davon.» Es sei absehbar, dass auf der Bahnverbindung in die Schweiz und nach Italien für etwa zehn Jahre kein durchgehender Zug vom und zum Stuttgarter Hauptbahnhof mehr unterwegs sei. Die bisherigen Genehmigungen sähen aber eine nahezu gleichzeitig fertiggestellte Führung der Gäubahn über den Flughafen vor.

Aus Sicht des LNV, des Dachverbands von 36 Natur- und Umweltschutzvereinen in Baden-Württemberg, ist ein sogenanntes eisenbahnrechtliches Stilllegungsverfahren erforderlich. Dies würde aus Sicht des LNV die restlichen Planungen für das Bauprojekt «Stuttgart 21» unberührt lassen. Die Gäubahn könne zeitweise über die Panoramabahn bis an den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof herangeführt werden, solange bis der Pfaffensteigtunnel zwischen Stuttgart-Flughafen und Böblingen die Gäubahn anschließt.

Zuletzt hatte unter anderem ein neues Rechtsgutachten, das vom LNV, der Umweltorganisation BUND und dem Fahrgastverband Pro Bahn in Auftrag gegeben wurde, die Pläne der Bahn torpediert. Darin formuliert der Passauer Jurist Urs Kramer, das Vorgehen im sogenannten Planfeststellungsbeschluss - also in der Genehmigung - sei nicht mehr haltbar. Die Deutsche Bahn habe in der geltenden Baugenehmigung für «Stuttgart 21» kein grünes Licht dafür, die Gäubahn über Jahre vom Stuttgarter Hauptbahnhof abzuhängen. Das müsse sie erst beantragen.

Kramer stellt in seinem Gutachten wegen der Betriebspflicht auch infrage, ob die Stadt Stuttgart freiwerdende Grundstücke, auf denen bisher Züge fahren, bebauen darf. Ohne ein Stilllegungsverfahren könne die Landeshauptstadt über die ihr gehörende und bereits längst verplante Fläche nicht frei verfügen.

Am Mittwoch könnte der Bahn weiteres Ungemach drohen: Mehr als ein halbes Dutzend Städte in den betroffenen Regionen fürchten um ihre Anbindung zum Flughafen und nach Stuttgart. Sie haben ebenfalls ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die Rechtslage zu untersuchen. Die Ergebnisse sollen am Mittwoch (10.00) von den Städten Singen, Rottweil, Tuttlingen, Villingen-Schwenningen, Horb, Herrenberg und Böblingen vorgestellt werden.

© dpa-infocom, dpa:220621-99-740568/3